Was der Trailer verrät So wird der Franken-"Tatort": 10 Thesen zum neuen BR-Krimi

Von Christophe Braun, Kerstin Fritzsche und K
 Foto: red

Stimmt das Lokalkolorit? Und vor allem der Dialekt? Welche Ermittler-Klischees gibt's zu sehen? Und welche Nürnberg-Sehenswürdigkeiten? Wie wird man sich von den Münchnern abgrenzen? Wie steht es mit dem Frauenbild? Zehn Dinge, die der Trailer zu "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" über den kommenden, ersten Franken-"Tatort" verrät. Ein Mainzer, eine Südhessin und eine Nürnbergerin analysieren den Trailer.

 
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Der Bayerische Rundfunk hat einen Trailer zum ersten Franken-Tatort "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" veröffentlicht. Wir haben uns das Mini-Filmchen aufmerksam angeschaut - und stellen einige Thesen zum ersten fränkischen Sonntagabend-Krimi, der am 12. April ausgestrahlt wird, auf:

1. Der Himmel ist... nicht der Bahnhofsvorplatz in Nürnberg.

"Der Himmel ist ein Platz auf Erden" ist der Titel des ersten Franken-Tatorts, und mit einer Großaufnahme des Nürnberger Hauptbahnhofs beginnt der Trailer. Zugegeben, der ist ein schönes, ja ein imposantes Gebäude, aber keines, bei dem der Zuschauer sofort weiß: "Aha, dieser Tatort spielt in Nürnberg." Was den Ortskundigen noch mehr stört: Der Vorplatz ist  für Fußgänger wie den gerade angekommenen Hauptkommissar Felix Voss die Hölle - von Straßen durchschnitten, von Autos umtost. Und dann spricht Voss beim Heraustreten aus dem Hauptportal auch noch diesen Satz in sein Handy: "Ich mach' mich auf den Weg." Ja, wie denn? Mit dem Taxi? Auf Staatskosten gar?!

2. Der Bayerische Rundfunk kann Tote zum Leben erwecken. 

2012 hatte Voss-Darsteller Fabian Hinrichs einen kurzen, aber denkwürdigen Auftritt im Münchener Tatort "Der tiefe Schlaf". Für seine Darstellung bekam der Schauspieler viel Lob, vor allem auf Twitter. Blöd nur, dass seine Figur, der Polizeibeamte Gisbert Engelhardt, im Lauf des Films dem Mörder zum Opfer fiel. Das kam bei den Zuschauern gar nicht gut an, sie forderten seine Rückkehr - die Facebook-Gruppe "Wir wollen Gisbert Engelhardt zurück" etwa hat knapp 5000 Mitglieder. Anscheinend hat der BR die Bitten erhört,  Gisbert Engelhardt Felix Voss darf künftig in Franken ermitteln. Der Sender steht damit in einer langen Tradition: Schon Arthur Conan Doyle ließ seinen Meisterdetektiv Sherlock Holmes wiedererstehen, und in "Dallas" starb Bobby Ewing erst einen melodramatischen Filmtod, um dann einige Folgen später (Schauspieler Patrick Duffy konnte nicht die erhoffte Karriere außerhalb der Öl-Seifenoper machen) quicklebendig zurückzukehren. 

3. Die apathisch dreinblickende Frauenfigur gehört zum deutschen Fernsehkrimi wie die Tränensäcke zu Hauptkommissar Derrick.

Das mit Abstand Verstörendste am deutschen TV-Krimi sind die Figuren, die in Luxusvillen herumsitzen (typischerweise Frauen, deren Mann gerade ermordet/entführt wurde), Löcher in die Luft starren und nur nach unerträglich langen Pausen auf die Fragen der Ermittler antworten. Der Franken-Tatort wird auf diese Typen natürlich nicht verzichten.

4. Der Franken-Tatort wäre gern ein Buddy-Movie.

Die Erfahrung lehrt: "Tatort"-Ermittler sitzen mehrere Minuten pro Film im Auto und reden. Über Ex-Frauen und -Männer, Alkoholprobleme, Schuld und Sühne, das Wetter, Wagner-Musik, wann die Katze gefüttert wird, welche Nudeln man jeweils so zum Kochen nimmt, die Lottozahlen oder die Qualität deutscher Fernsehfilme. Die Macher setzen hierbei auf die "Chemie" zwischen den Darstellern. Das ist ein bewährtes Konzept seit William Powell und Myrna Loy im "Dünnen Mann" auf Verbrecherjagd gingen beziehungsweise, seit Eddie Murphy und Nick Nolte nur 48 Stunden für 'nen Mordfall hatten. Funktioniert mal besser, mal schlechter. Der komische Schnalz-Gag im Franken-Trailer haut uns jedenfalls nicht vom Hocker.

5. Irgendwann hat sich ein Drehbuchautor gedacht, dass Spurensicherer und Rechtsmediziner witzig sind. Seither machen es alle so.

Wer gerne Krimis schaut, gewinnt den Eindruck, dass die größten Spaßvögel dieser Welt die sind, die beruflich viel mit Leichen zu tun haben. Offenbar wollen die Autoren des Franken-"Tatorts" daran anknüpfen: Im Trailer jedenfalls liefert der Leiter der Spurensicherung Michael Schatz gleich ein paar Schenkelklopfer ab. Immerhin hat man dafür einen Mann vom Fach verpflichtet - nein, keinen Rechtsmediziner, sondern den Kabarettisten Matthias Egersdörfer. Worüber wir Franken außerordentlich froh sind: Bei dem gebürtigen Nürnberger passt - im Gegensatz zum Dialekt-Debakel im ZDF-Mehrteiler "Tannbach" - die Aussprache. Dodal erodisch.

6. Der Wiedererkennungswert für die Einheimischen ist wichtig.

Die Stuttgarter kennen das. Die Münsteraner auch. Die Frankfurter. Und die Münchener sowieso: die Freude, wenn man sonntagabends auf der Couch lümmelt und im Fernsehen die eigene Stadt als Kulisse für einen Krimi dient. "Guck' mal, die Disco xy!" Jetzt kann man auch Nürnberger Location-Spotting betreiben. Was wir im Trailer - neben dem Hauptbahnhof - ausmachen konnten: eine typische Eisenbahnunterführung von der Süd- zur Innenstadt (siehe Foto), eine Erlenstegen-Villa und die Bundesagentur für Arbeit. Damit ist dann wohl auch das Thema Wiedererkennungswert erledigt, denn das massige Hochhaus kennt auch der nord-, west- und ostdeutsche Zuschauer aus den Nachrichten. Uns Hiesigen wäre die Burg zwar lieber gewesen, aber immerhin darf der Polizeipräsident (Stefan Merki) auf die große Vergangenheit der Stadt verweisen: "Hier waren die Kaiser!"

7. Kein Krimi ohne ein bärtiges Knautschgesicht im abgewetzten Sakko.

Schrullige Typen machen sich einfach gut auf der Leinwand. Und sie können auch Spannung erzeugen. Das wissen wir aus zahlreichen amerikanischen Slasher-Filmen, in denen die Rednecks (= "Rot-Nacken", also Leute, die tagsüber im Freien arbeiten) irgendwelchen College-Kids nachstellen. Auch im Franken-"Tatort" darf ein Mann mit filzigem Bart, ungewaschenem Haar, faltigem Gesicht und leicht geöffnetem Mund durchs Bild schlurfen. Aber weil wir das schon hundert Mal gesehen haben, sind wir nur mäßig gespannt auf die dramaturgische Auflösung. Der Mörder ist dieser Typ nämlich nie. Never. Ever.

8. Wenn es mal eine "Tatort"-ErmittlerIN gibt, ist sie irgendwie psychotisch.

Männliche Ermittler dürfen durchaus auch mal "normal" sein - also ein langweiliges Hobby haben, einen gemütlichen Bauch und ein paar Lachfalten. Frauen dürfen das nicht. Weil es grundsätzlich im Land von Herdprämie, Brüderle-Sexismus und arbeitsfeindlichen Kita-Öffnungszeiten ja schon ein Ding ist, dass eine Frau überhaupt arbeitet. Und dann noch in so einem Job! Ergo: "Tatort"-Ermittlerinnen haben es grundsätzlich immer schwer. Und daher haben sie auch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Oder umgekehrt. Jedenfalls traut sich im Jahre 2015 der BR nach einer alleinerziehenden NDR-Ermittlerin Charlotte Lindholm und einer leider nicht mehr ermittelnden "Haudrauf"-HR-Kommissarin Conny Mey nichts Neues mit Hauptkommissarin Paula Ringelhahn, gespielt von Dagmar Manzel. Ein richtiger Knaller wäre ja schon, wenn eine "Tatort"-Ermittlerin mal eine funktionierende Beziehung oder gar Familie hätte, nicht dauernd auf ihr Aussehen angesprochen würde und nicht gleich nach jeder persönlichen Verwicklung in einen Fall in die Reha müsste. Vielleicht muss frau das Ganze aber auch genau andersherum sehen: Dass einer Schauspielerin mit 56 Jahren eine solche Rolle gegeben wird, ist schon beachtlich fürs Öffentlich-Rechtliche. Als Nachrichten-Sprecherin hätte Manzel keine Chance mehr. Und nicht zu vergessen: Dagmar Manzel hat schon in sieben TV-Krimis mitgespielt, darunter zwei "Tatorten" und zwei "Polizeirufen".

9. Immer wieder die Dienstwaffe.

"Die Waffe ist von uns" heißt es im Trailer. Oha, schon wieder so ein Fall mit anaa laaaangen Gschicht und eventuell Verwicklungen von Ex-Ermittlern und Angehörigen von Ermittlern oder Ex-Ermittlern. Unser Franken-Duo wühlt in sechs Jahre alten Geschichten und muss unter anderem dabei herausfinden, woher die Polizei-Dienstwaffe stammt, die wohl die Tatwaffe ist. Szenen, in denen Zeugen befragt werden, die sich vielleicht nicht mehr so ganz gut erinnern können, und Szenen mit Ermittlern, die sich selbstkasteiend ob der verlorenen/gestohlenen Dienstwaffe abends in irgendwelchen Gasthäusern zusaufen, sind für den Zuschauer zwar wenig innovativ. Aber erstens entspricht der Kniff des BR hier voll und ganz der ARD-"Tatort"-Linie, denn Dienstwaffen bei Morden kommen inzwischen bei jedem Team vor. Da sind die Franken also voll im öffentlich-rechtlichen Trend. Zweitens kann man sowas auch äußerst interessant und verschachtelt und Wes-Anderson-Thriller-mäßig erzählen, wie der Frankfurter Król-Abschieds-"Tatort" am Sonntag zeigte. Und drittens ist das auch voll politisch und bestimmt als Seitenhieb gen München und Bundesregierung gedacht, denn der NSU nutzte auch Dienstwaffen und führte unter anderem ja damit beim Heilbronner Mord auf die falsche Fährte. Und nun stockt der NSU-Prozess in der Landeshauptstadt und in vielen Untersuchungsausschüssen diverser Länderparlamente. Während das Franken-Team bestimmt alles 1a und lückenlos aufklären kann.

10. Zu guter Letzt: ein Lob. Für die Feinfühligkeit der Münchner gegenüber fränkischen Befindlichkeiten.

Die Abneigung der Nürnberger gegen die Nachbarstadt, mit der sie einst die erste deutsche Bahnlinie verband, ist bekannt. Man muss den Münchner Fernsehmachern Lob zollen für die Feinfühligkeit, mit der sie die fränkische Städterivalität visuell umsetzen: Fürth taucht nur als Straße(nname) auf, zumindest im Trailer (als Nürnberger hofft man natürlich, dass dies auch in der 90-Minuten-Version so bleibt). Und en passant ist so auch einmal die U-Bahn, diese Schiene gewordene Manifestation Nürnberger Selbstbewusstseins, im Bild.

Den Trailer in voller Länge können Sie ansehen:

Bilder