Offener Brief an die Stadträte Flüchtlingsunterkunft in Bayreuth: Anwohner wollen mitreden

Von Frank Schmälzle
"Wir sind aus allen Wolken gefallen", sagt Richard Augustin, Sprecher der Anwohner der Melanchthonstraße, über die Rodung an der Herzogmühle. Foto: Wittek Foto: red

Sie wollen nicht noch einmal vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Rund 50 Bayreuther, die an der Melanchthonstraße wohnen, haben einen offenen Brief an alle Stadträte geschrieben. Darin fordern sie, künftig besser in die Planung der Erstaufnahmeeinrichtung an der Herzogmühle in ihrer Nachbarschaft einbezogen zu werden. Denn geärgert haben sie sich schon einmal.

 
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Richard Augustin ist Sprecher der Anwohner - und eines stellt er klar: „Wir haben nichts gegen die Erstaufnahmeeinrichtung“, sagt Augustin. Was die Menschen an der Melanchthonstraße stört, ist der Frevel an der Natur, den es ihrer Meinung nach zumindest zum Teil nicht gebraucht hätte.

Das Gelände ist verwüstet

„Wir sind aus allen Wolken gefallen, als in einer Nacht- und Nebelaktion das künftige Baufeld gerodet wurde“, sagt Augustin. Das nördliche, an den Radweg angrenzende Gelände sei verwüstet. Und auch der natürliche Hangschutz an den Böschungen ist weg. Gerodet, sagt Augustin, hat die Stadt sogar im Landschaftsschutzgebiet. „Wenn ein Privateigentümer einen solchen Kahlschlag angerichtet hätte, ihm wäre ein Strafverfahren sicher.“ Das sieht Peter Ille, Kreisgeschäftsführer des Bundes Naturschutz, ähnlich: „Es hätte Lösungen gegeben, die den Interessen der Stadt entsprechen und keinen solch gravierenden Eingriff bedeutet hätten.“

Die Forderungen der Anwohner

Mit dem Grün ist auch das Vertrauen das Menschen an der Melanchthonstraße in die Behörden verschwunden. Warum hat man sie vor der Rodung nicht informiert? Wird man sie in Zukunft ausreichend informieren? In dem offenen Brief an die Stadträte fordern sie: Die Gebäude der Erstaufnahmeeinrichtung sollen „in der Höhe maßvoll angepasst sein“. Und: Die Hänge müssen wieder begrünt werden. Das Geld dafür hätte die Stadt sparen können.

Stadt sieht keinen Fehler

Stimmt, sagt Stadtbaureferent Hans-Dieter Striedl. Noch liegt ein Teilbereich der Herzogmühle, an dem gerodet wurde, im Landschaftsschutzgebiet. Aber die Änderung dieser Verordnung ist eingeleitet, das Umweltamt der Stadt habe der Rodung zugestimmt. Alles in Ordnung also, meint Striedl. Es sollte vorwärts gehen mit der Erstaufnahmeeinrichtung. Augustin hat andere Informationen. Das Umweltamt sei nicht gehört worden.

Rückzieher des Ministeriums

Mit ihrem offenen Brief an die Stadträte wenden sich die Anwohner  an das Gremium, das erst am Ende aller Planungen wieder zum Zug kommt. Die Stadt wollte die Erstaufnahmeeinrichtung ursprünglich selbst bauen und an den Freistaat vermieten. Inzwischen ist sie aber nicht mehr Träger der Erstaufnahmeeinrichtung. Der Vorvertrag mit dem Freistaat scheiterte an den Personalkosten für fünf Mitarbeiter, die der Freistaat trotz Zusage nun doch nicht übernehmen will. Aber auch an der Höhe der Miete und der drohenden Konventionalstrafe bei nicht rechtzeitiger Fertigstellung.

Seit März neue Übergangseinrichtung

Jetzt will der Freistaat die Einrichtung selbst bauen. „In Bayreuth ziehen alle Beteiligten an einem Strang, um die Erstaufnahmeeinrichtung schnellstmöglich zu schaffen“, sagt Daniela Schürf, Sprecherin des zuständigen Sozialministeriums. Bis zur Eröffnung der Einrichtung betreibt der Freistaat seit März eine Übergangs-Aufnahmeeinrichtung in Bayreuth mit 250 Plätzen.

Der Zeitplan lässt sich nicht halten

Schürf sagt aber auch: „Der ursprüngliche Zeitplan zur Eröffnung noch im Jahr 2015 wird sich nach derzeitigen Erkenntnissen nicht mehr verwirklichen lassen.“ Der aktuelle Stand: Die Immobiliengesellschaft des Freistaates hat einen Gutachter damit beauftragt, den Wert der Fläche an der Herzogmühle zu ermitteln. Solange das Ergebnis nicht vorliegt, wird zwischen Stadt und Freistaat auch nicht über einen Verkauf oder eine Erbpachtlösung verhandelt.

Kritik an der Planung

Offen ist, ob der Freistaat die bereits bestehende Planung der Stadt für die Erstaufnahmeeinrichtung übernehmen wird oder selbst neu planen will. Nach Kurier-Informationen war aus dem Sozialministerium Kritik an der Bayreuther Variante einer Erstaufnahmeeinrichtung laut geworden. Zu groß, zu großzügig, zu teuer. Die Planung der Stadt hätte komplett überarbeitet werden sollen.

Bauherr der Erstaufnahmeeinrichtung wird jetzt der Freistaat sein. Aber der Stadtrat muss die Planung am Ende genehmigen. Er hat dabei auch zu prüfen, ob sich die neue Einrichtung in die Umgebung einfügt. So wie es die Menschen an der Melanchthonstraße fordern.

Ein Brief zeigt Wirkung

„Wir haben uns mit unserem Brief also an die Richtigen gewandt“, sagt Augustin. Und noch etwas haben die Anwohner mit ihrem offenen Brief erreicht. „Sobald die Planungen weiter konkretisiert sind, wird von Seiten der Regierung von Oberfranken gemeinsam mit der Stadt eine ausführliche Information der Bürger stattfinden“, sagt Ministeriumssprecherin Daniela Schürf. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, Sabine Steiniger, hat den offenen Brief zudem zum Anlass für eine Anfrage an die Verwaltung genommen.

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