Filmtage: "Wir machen Stars"

Von Wolfgang Karl
Festivalchef Heinz Badewitz. Foto: Archiv Foto: red

Start im Zeichen des „Dreiviertelmond“: Mit dem neuen Spielfilm von Christian Zübert beginnen am heutigen Dienstag die 49. Hofer Filmtage. Zu sehen gibt es Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme aus aller Welt. Wir sprachen mit Festivalchef Heinz Badewitz darüber, was die Filmemacher heuer besonders umtreibt.  Und wo ein neuer Fassbinder entdeckt werden könnte.

 
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Sie haben einen Film aus dem Jemen und Filme zum Thema „Flüchtlinge“ im Programm. Inwiefern beeinflussen aktuelle Themen die Filmauswahl?

Heinz Badewitz: Wir sind natürlich nie so aktuell wie das Fernsehen. Ein Filmemacher braucht länger, manchmal zwei, oder drei Jahre. Schon letztes Jahr hatten wir Filme wie „Der Weg nach Aleppo“ dabei. Da waren die Syrer noch zu Hause und wurden bombardiert. Oder „Leaving Greece“, bei dem gezeigt wird, wie Schleuser Flüchtlinge über die türkisch-griechische Grenze bringen. Ein toller Dokumentarfilm. Dieses Jahr sind natürlich Filme dabei, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, ganz spannende Filme, die gerade die Hintergründe besser zeigen als ein Fernsehbericht.

Eine Empfehlung?

Badewitz: Besonders sehenswert ist zum Beispiel „Last refuge/Letzte Zuflucht“, der zeigt, wie sich ein Ort in Nordhrein-Westfalen auf die Ankunft von Flüchtlingen vorbereitet. Eine Sunnitin erzählt dann, warum sie flüchten musste. Es ist unglaublich stark, diesen persönlichen Moment mitzuerleben. Oder auch „After spring comes fall“, ein Spielfilm, der in Berlin spielt. Da geht es um eine geflüchtete Kurdin, die dort vom Geheimdienst ihres Heimatlandes drangsaliert und eben auch gefoltert wird. Das ist ein ganz starker Spielfilm. Wir haben noch viele Kurz- und Dokumentarfilme, die sich mit der Thematik auseinandersetzen. Es ist das aktuelle Thema.

Wie dicht sind Kurzfilme da dran? Die sind schneller zu drehen, man kann schneller reagieren.

Badewitz: Natürlich sind wir aktueller. In der Kürze der Zeit bekommt man mit einem Kurzfilm mehr auf die Beine als bei einem Langfilm oder auch einem Dokumentarfilm. Es ist ja ein Wahnsinn, einen Dokumentarfilm in einem gefährdeten Raum zu drehen. Da sind ja häufig die Filmemacher selbst gefährdet. Das habe ich hier auch schon in Filmen gesehen, dass die Macher genauso in der Bredouille sitzen wie ihre Protagonisten. Aber bei unseren Kurzfilmen haben wir die ganze Bandbreite des Films: Von der Komödie, über den Action- und Horrorfilm, bis eben zum Flüchtlingsdrama.

Wie sehen Sie die Zukunft des Festivals? Hat es seinen Reiz bewahrt, oder wird es schwieriger, um Zuschauer zu kämpfen?

Badewitz: Nein. Wir haben keinen Rückgang erlebt. Wir haben 30 000 Sitzplätze in den sechs Tagen anzubieten. Letztes Jahr waren davon 28 500 besetzt. Mehr können wir auch nicht machen. Wir haben ja nicht nur die Filmleute samt Presse da, sondern viele Besucher aus Hof und der weiteren Umgebung. Das geht bis Nürnberg, München, Coburg und Weiden, nach Thüringen und Tschechien. Die Leute kommen von überall her.

Welche Trends verzeichnen Sie?

Badewitz: Nun, im Dokumentarfilmbereich natürlich die Flüchtlinge. Aber gerade hier in Hof haben wir sehr viele Musikfilme. Zum Beispiel über Janis Joplin. Oder auch „Heart of a dog“ von Laurie Anderson, der Aktionskünstlerin, die mit Lou Reed verheiratet war. Oder auch „Lo sound desert“ über die amerikanische Punk Rock Bewegung und „Hello, I‘m David“ über David Helfgott, den fantastischen Pianisten aus Australien. Dann gibt es natürlich alle üblichen Themen: Beziehungsprobleme, Krankheitsgeschichten, Geschichten von Leben und Tod.

Der Brite Christopher Petit ist heuer der Fokuskünstler. Wie hat er sich für Hof empfohlen?

Badewitz: Christopher Petit wollte ich schon letztes Jahr machen. Aber der hätte drei Monate gebraucht, um seine Filme zu finden und zu ordnen. Daher haben wir das dieses Jahr gemacht. Er hat ja 1979 seinen ersten Film „Radio on“ gemacht und war damals schon in Hof damit – mit seinem Co-Produzenten Wim Wenders. Er ist also schon länger bekannt in Hof. Jetzt zeigen wir die ganze Vielfalt seiner Filme. Er hat mit Spielfilmen angefangen, die meist mit deutschen Co-Produzenten, wie Wim Wenders oder Chris Sievernich. Dann ist er vom Dokumentarfilm bis in den Experimentalfilm gekommen. Es ist also ganz spannend, seine Wandlung als Filmemacher zu sehen, und wie er sich heute selbst sieht. Er hat sich von einem kommerziellen zu einem alternativen Filmemacher gewandelt. Sein Standpunkt zum Film ist also auch interessant. Da kann man einen Mann entdecken, der einen ganz ungewöhnlichen Weg gegangen ist.

Wie beurteilen sie die Lage im deutschen Film?

Badewitz: Sehr gut. Wir haben 34 neue deutsche Spiel- und Dokumentarfilme hier. Dazu kommen noch 31 neue deutsche Kurzfilme. Um die Zukunft des deutschen Kinos braucht einem nicht bange zu sein. Es gibt sehr viel Talent hier zu begutachten. Die Filmbranche, die hier ist, muss eben etwas damit anzufangen wissen. Früher kamen hier Wenders, Herzog und Fassbinder ja auch als die absoluten Nobodies an. Sie wurden dann in Hof bekannt. Wir sind ja – durch Zufall – der Geburtsort des sogenannten jungen deutschen Films, der Ende der Sechziger in Hof entstand. Jetzt suchen wir eben jedes Jahr die neuen Wenders, Herzogs und Fassbinders. Das ist eine Aufgabe für ein Festival wie Hof. Wir brauchen keine Stars, wir machen Stars.

Wer hat aus der Region Nordbayern das Zeug zum neuen Wenders?

Badewitz: Das ist schwierig. Der Eröffnungsfilm „Ein Atem“ stammt von Christian Zübert, der kommt ursprünglich aus Würzburg. In der Vergangenheit hatten wir tolle Leute aus Hof und Bayreuth. Aktuell habe ich noch keinen Filmemacher entdeckt, der die Qualität hat, das weiterzuführen.

Also ein klarer Auftrag, auch an die Medienwissenschaftler der Uni Bayreuth: Macht was!

Badewitz: Richtig, absolut! Talent ist ja überall vorhanden. Aber man muss es auch zu sehen kriegen. Was man nicht zu sehen bekommt, kann man auch nicht entdecken.