Filme, die der Einheit ein Denkmal setzen

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Eine Ärztin, die einen Ausreiseantrag stellt; die strafversetzt wird. Und die ihre Flucht plant: Nina Hoss in "Barbara". Foto: deutsch-deutsche Filmtage Foto: red

Vor einem Vierteljahrhundert kamen die ersten Züge mit Flüchtlingen aus der deutschen Botschaft in Prag am Bahnhof in Hof an. Sie kündeten vom nahen Ende der DDR. Ein Vierteljahrhundert danach setzen die deutsch-deutschen Filmtage in Hof und in Plauen der Einheit ein Denkmal.

 
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West-Teenies, die Ende der 60er auf ein Stones-Konzert gehen wollten, handelten sich Hausarrest ein, Ost-Teens aber Knast. Ein Witz? „Wie hätten wir das ahnen sollen? Der Kollege hatte sich ja noch während der Sendung entschuldigt“, sagt Nero Brandenburg, Moderator, Entertainer und Sänger, mit kehligem Berliner Zungenschlag. Der Kollege: Das war Kai Blömer, wie Brandenburg selbst Moderator beim Rias, dem Rundfunk im amerikanischen Sektor in Berlin-West. Zum Start der deutsch-deutschen Filmtage in Hof und Plauen erzählte Brandenburger vom verhängnisvollen Scherz am 7. Oktober 1969, dessen Folgen nicht wenige Leben in eine andere Richtung drücken sollten.

Die deutsch-deutschen Filmtage zeigen in Hof und Plauen auch in der siebten Auflage Geschichten und Dramen, die zeigen, wie besonders, aber auch wie unerträglich das Nebeneinander der beiden deutschen Staaten war. Und sie bieten Augenzeugen, Opfer und Experten auf - noch bis zum 15. November. Wie auch beim Film „Für Mick Jagger in den Knast“, ein Dokustreifen, der zum Auftakt der Filmtage ganz kühl erzählte und durch seine Kühle umso böser wirket

Eine unglaubliche Geschichte. Berlin-Ost putzte sich heraus, 20 Jahre war die DDR alt geworden. Keine wilden Jahre. Sozialistischer Mief, Ideologie und Paranoia in unguter Geschwisterschaft. Rias, jenseits der Mauer, schickte munter die – auch im Westen nur mit Murren geduldete – Beat-Musik in den Osten. „Wir sendeten Musik für junge Leute“, meint der Ex-Moderator, wird aber etwas leiser, nachdenklicher. „Die Hörer im Osten hatten eine besondere Gabe: Sie konnten zwischen den Zeilen hören.“

Die Stones, auf dem Dach des Springer-Hauses?

Monate vor dem Jubeltag der DDR hörten sie etwas zu viel heraus, nämlich Ernst, wo keiner war. Blömer, noch das legendäre Beatles-Konzert auf dem Dach des Apple-Studios in London im Kopf, fabulierte munter von einem Konzert der Rolling Stones auf dem Dach des Springer-Hochhauses, im Westteil der Stadt, aber direkt an der Mauer. Termin: 7. Oktober. Er stellte das noch richtig. Aber das hörten viele nicht mehr. Nicht die Ost-Fans, auch nicht die Staatssicherheit mit ihren großen Ohren.

Tausende Jugendliche aus der DDR, aufgepeitscht von der Vorstellung, die großen Stones live zu sehen, strömten nach Ost-Berlin, das an jenem 7. Oktober aber eigentlich eher bieder-fröhlich und politisch korrekt feierte. Die vorgewarnten Sicherheitsbehörden fischten „langhaarige Gammler“ aus den Zügen und vom Bürgersteig weg. Denn wenn der Staat sich selbst feiert, haben vermeintliche Revoluzzer sich still zu verhalten, „Street fighting man“, der Stones-Hit vom Straßenkämpfer, sollte nicht zur Hymne werden.

430 junge Leute wurden verhaftet, Dutzende blieben über Wochen im Knast, manche, wenn die Akten gleich noch weitere Verfehlungen hergaben, für Jahre. Nero Brandenburg beteuerte, dass er und seine Kollegen ihres Einflusses sich nicht bewusst seien. Von den Verhaftungen erfuhren sie erst später. Der Osten aber wollte eine gezielte Provokation des Klassenfeindes ausgemacht haben. Der Rias stand nun im Ruf, DDR-Bürger als Spione anzuwerben. Gerhart Eisler, Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Rundfunk der DDR, schäumte: „Der Rias wird beseitigt und vernichtet. Mit Mann und Maus. Wobei es mir nur um die Maus leid täte. Sie ist unschuldig.“ Ein Witz?

Noch 20 Jahre bleierne Zeit

Für 20 lange weitere Jahre konnte kein Oppositioneller über den Humor des Regimes lachen. Eine bleierne Atmosphäre lag über dem Land, dessen Grenze nur wenige Kilometer von Hof entfernt verlief.

Und dort, in Hof, sollte sich vor einem Vierteljahrhundert auch das Schicksal der DDR erfüllen: Als dort am 1. Oktober 1989 der erste Zug mit Prager Botschaftsflüchtlingen am Bahnhof eintraf, war klar, dass die Grenze nicht mehr zu halten war. Für viele DDR-Bürger wurde Hof in den kommenden Wochen zur ersten Station in der Freiheit.

Das Programm in Hof

Noch bis zum 15. November laufen die deutsch-deutschen Filmtage in Hof und Plauen.

Das Programm in Hof: Sonntag, 13. November, 11 Uhr „Berlin-Kurzfilme“; 15 Uhr: „Das Tor zum Westen – Die Sachsen erobern Hof“.

Montag, 14. November, 10 Uhr „Erich Mielke – Meister der Angst“; 19 Uhr, „Es ist nicht vorbei – Hoheneck war gestern“.

Dienstag, 15. November, 15 Uhr, „Berlin – Ecke Schönhauser“; 19 Uhr, „Barbara“.

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