Warum so viele Bankfilialen schließen

Von Roland Töpfer
Professor Klaus Schäfer, Universität Bayreuth. Archivfoto:Lammel Foto: red

Banken und Sparkassen schließen Filialen auf breiter Front. Gerade hat die Sparkasse Bayreuth bekanntgegeben, 15 Standorte zu schließen. Was sind die Gründe dafür, was kann der Kunde tun? Wir fragten nach bei Klaus Schäfer, Bayreuther BWL-Professor mit Schwerpunkt Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Mit interaktiver Karte, wo Standorte schließen und wo Sie noch Geld bekommen.

 
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Banken und Sparkassen schließen Filialen auf breiter Front. Muss das sein?

Prof. Klaus Schäfer: Das Schließen von Geschäftsstellen ist kein neues Phänomen. 2005 unterhielten die deutschen Kreditinstitute 44.100 Zweigestellen, zehn Jahre später waren es noch etwas über 34.000. Rund 12.000 dieser Zweigstellen entfallen auf den Sparkassensektor, gut 11.000 auf den Bereich der Kreditgenossenschaften. Zum Vergleich: In der gesamten Europäischen Union verzeichnen die Kreditinstitute rund 190.000 Zweigstellen, ein relativ großer Anteil davon entfällt also auf Deutschland.

Warum werden Filialen geschlossen?

Schäfer: Die Ressourcen von Kreditinstituten werden durch neuere regulatorische Maßnahmen sehr belastet, kleinere Institute sind gerade im Bereich des Meldewesens überdurchschnittlich stark betroffen. Da sich auch die Ertragslage der Institute verschlechtert hat, ist sicherlich ein großer Druck zur Reduktion von Kosten vorhanden.

 

Wo man noch Bargeld und Beratung bekommt: Die grünen Punkte zeigen Filialen oder Automaten der Sparkasse, die erhalten bleiben, die roten jene, die verschwinden werden. Die blauen Punkte markieren Filialen und Geldautomaten der Volksbanken-Raiffeisenbanken.

 

Gebühren erhöhen?

Schäfer: Eine begrenzte Möglichkeit besteht darin, verschiedene Gebührensätze anzuheben, was wir schon seit einiger Zeit bei nahezu allen Banken beobachten. Das Betreiben von Geschäftsstellen ist sehr kostenintensiv, da das Personal, die Immobilie, die Technik etc. zu finanzieren sind. Banken und Sparkassen prüfen deshalb verstärkt, ob bestimmte Zweigstellen noch aufrechterhalten werden können.

Viele Kunden sind verärgert. Verständlich, oder?

Schäfer: Es ist für die Kunden und generell auch in den betroffenen Stadtteilen und Gemeinden immer ein Verlust, wenn die sichtbare Präsenz der Bank vor Ort verloren geht. Es stellen sich Fragen nach der regionalen Versorgung mit Bargeld, nach den verbleibenden Möglichkeiten zur unmittelbaren Kommunikation und Unterstützung, die beantwortet werden müssen.

Was kann der Kunde machen?

Schäfer: Die Nutzung des Online-Angebots zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs befindet sich bereits auf einem hohen Niveau. Es wird also nur wenige Kunden geben, die auf dieses Angebot bisher nicht zurückgegriffen haben, es zukünftig aber tun könnten, um damit einige Auswirkungen der Filialschließung aufzufangen.

Wer ist besonders betroffen?

Schäfer: Kunden mit eingeschränkter Mobilität leiden sicherlich besonders unter dem Wegfall einer Zweigstelle. Wichtig sind für die Kunden die Informationen, welche Selbstbedienungsmöglichkeiten am Ort verbleiben bzw. wie die Bargeldversorgung sichergestellt wird und wo und wann neue Ansprechpartner zu erreichen sind. Für die Vermögensberatung und Kreditbeantragung sollte im Einzelfalle auch erfragt werden, ob der Hausbesuch eines Bankberaters möglich ist.

Sparkassen und VR-Banken leben von der Präsenz in der Fläche. Ihnen nimmt man Standortschließungen besonders übel?

Schäfer: Bis auf wenige Ausnahmen sind Sparkassen und Genossenschaftsbanken die einzigen Kreditinstitute, die fernab der Städte und größeren Einzugsbereiche präsent sind. Da die Nähe zu den Kunden und die regionale Verankerung zu ihrer Identität gehören, sind sichtbaren Veränderungen wie das Schließen von Geschäftsstellen – aber auch beispielsweise Fusionen – immer besonders erklärungsbedürftig. Die Öffentlichkeit reagiert hier mit Recht ausgesprochen sensibel.

Das geht ans Image?

Schäfer: Ein Schaden fürs Image ist dann zu befürchten, wenn der Kunde das Gefühl haben würde, „alleine gelassen zu werden“. Das muss nicht der Fall sein. Die Bankkunden verschließen sich gewiss nicht gut erklärten und nachvollziehbar begründeten Entscheidungen. In jedem Falle muss durch geeignete Maßnahmen sichergestellt sein, dass die Auswirkungen möglichst gering bleiben.

Der Kern des Geschäftsmodells bleibt?

Schäfer: Die Ziele und Aufgaben von Sparkassen und Kreditgenossenschaften haben sich seit ihrer Entstehung im 18. und 19. Jahrhundert gewiss verändert, das Bankgeschäft hat sich standardisiert. Und doch bildet die enge Verwurzelung in der Region auch heute noch eine Besonderheit dieser Institute, aus der sich Kernelemente des Geschäftsmodells ableiten lassen. Regionalbanken tun gut daran, an dieser Einmaligkeit festzuhalten.

Die Kunden bleiben den Regionalbanken treu?

Schäfer: Es wird auch weiterhin die Aufgabe der Sparkassen und Kreditgenossenschaften sein, sich so aufzustellen, dass sie für den Privatkunden wie auch den Geschäftskunden ein attraktiver Partner sind. Wenn das gelingt, dann halten ihnen die Kunden auch die Treue.

Online-Banking nimmt immer mehr zu. Warum überhaupt noch Regionalbanken?

Schäfer: Online-Banking und Kreditinstitute mit einem besonderen regionalen Fokus - das schließt sich ja nicht aus. Sparkassen und Genossenschaftsbanken verfügen über ein breites Online-Angebot, fast zwei Drittel der in Deutschland genutzten Online-Konten sind Sparkassen- bzw. Genossenschaftsbankenkonten.

Online über alles?

Schäfer: Alle Kreditinstitute investieren zurzeit in den Ausbau digitaler Finanzdienstleitungen, auch im Bereich Kommunikation und Beratung. Es bleibt abzuwarten, wohin uns diese Entwicklung führt. Sie kann den regionalen Fokus verringern, aber genauso gut unterstützen, indem die starke regionale Verbindung weiter gepflegt und mit modernen Maßnahmen sogar ausgebaut wird.

Das Geschäftsmodell der Regionalbanken muss sich ändern?

Schäfer: Im Moment sind es eher andere Kreditinstitute, die ihr Geschäftsmodell anpassen müssen. So verändern sich gezwungenermaßen Kreditbanken mit ausgeprägten Geschäftsaktivitäten im kapitalmarktbezogenen Geschäft, dem Investment Banking. Gleiches gilt für Privatbanken, die darüber hinaus in ihrem Kernprofil, der Vermögensverwaltung wohlhabender Kunden, vor großen Aufgaben stehen. Insofern sind es eigentlich gerade die kleineren Banken mit regionaler Verankerung, die eher an ihrem Geschäftsmodell festhalten bzw. dies weiterentwickeln können.

Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

Schäfer: Während der öffentliche Sektor kurzfristig einer der Gewinner der Geldpolitik ist, steht zu befürchten, dass die Vermögensbildung bei breiten Bevölkerungsschichten behindert wird. Ein negativer realer Marktzins nimmt den Anreiz zu sparen und zu investieren, der Kapitalverzehr wird dagegen belohnt. Negative Zinssätze lassen Gläubiger für das Privileg der Schuldner zahlen, dass die Kreditnehmer das Geld der Kreditgeber verwenden dürfen. Mehr noch als die Banken sind Sozialkassen und Versicherer aus meiner Sicht zunächst am stärksten vom aktuellen Zinsniveau betroffen.

Auch Privatkunden müssen bald Negativzinsen zahlen?

Schäfer: Vermögende Privatkunden zahlen unter Umständen bereits. Die Zinsentwicklung wird in abgeschwächter Form nämlich von manchen Banken an Privatanleger mit sehr hohen Gesamteinlagen wie auch an Firmenkunden weitergegeben. Einige Institute verlangen sogenannte Verwahrentgelte für Anlagesummen im Millionenbereich von ihren Geschäftskunden.

Strafzinsen für alle?

Schäfer: Es kann sein, dass sich der Adressatenkreis in der nahen Zukunft ausdehnt. Institute werden dann unter Umständen auch von Kunden mit Einlagen im beispielsweise niedrigen sechsstelligen Bereich „Strafzinsen“ verlangen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Banken diese Vorgehensweise auf Kunden mit geringen Einlagen ausdehnen.

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