Feuerwehr zerlegt mühsam neuen BMW

Von Richard Reinl
Die Pegnitzer Feuerwehr brauchte lange, bis der SUV zerlegt war. Foto: Feuerwehr Foto: red

Automobile werden immer sicherer und trotzdem passieren weiter schwere Unfälle, wenn sich sorglose Fahrer allzu sehr auf ihre Systeme verlassen. Gefährlich wird der hohe Sicherheits-Standard, wenn Hilfskräfte bei der Bergung von Verletzten mit ihrem Gerät an Grenzen stoßen, wie jetzt eine gezielte Übung der Pegnitzer Feuerwehr in Zusammenarbeit mit dem Autobauer BMW deutlich vor Augen führte.

 
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Den Aktiven blutete das Herz: Vor ihnen stand ein fabrikneuer BMW X5 F 15 aus einer nicht für den Verkauf bestimmten Nullserie mit einem Basiswert von gut 50.000 Euro, auf dessen außergewöhnliches Schicksal nur einige gekritzelte Hinweise für den Zoll hindeuteten. Mutwillig sollte er mit einem Bagger von der nahen BRK-Baustelle deformiert und anschließend zwei Tage lang mit diversen Rettungsscheren bearbeitet werden.

Brief an die BMW-Zentrale

Die Idee zu dieser Übung der besonderen Art hatten die Kommandanten Roland Zahn und Timo Pohl, unterstützt von Felix Lindner und Walter Steger. Sie schrieben unerschrocken einen Brief an die BMW-Zentrale, ob die Firma nicht ein neues Modell zu Ausbildungszwecken zur Verfügung stellen könne, weil man bei den vielen Einsätzen auf der Autobahn immer öfter an die Grenzen der technischen Möglichkeiten stoße.

SUV der neuesten Generation

Was kaum jemand zu hoffen gewagt hatte, trat ein: Schon eine Woche später kam die Mitteilung, dass ein SUV der neuesten Generation in München abholbereit sei. Einige Tage später stand der Geländewagen dann schon am Feuerwehrhaus in Pegnitz. Den Kommandanten nötigte das Respekt ab. Sie dankten BMW für diese außergewöhnliche und keineswegs alltägliche Übungsmöglichkeit.

„Active Protection“-Sicherheitspakete

Roland Zahn erklärte den Hintergrund: Früher war es nach Unfällen meist kein größeres Problem, Verletzte aus den „Blechkisten“ zu bergen. Da wurden ganz einfach die Türen abgezwickt, die Holme mit den Scheren durchgeschnitten und das Dach abgetrennt. Heute schützen „Active Protection“-Sicherheitspakete die Insassen besser, erschweren aber die Arbeit der Feuerwehr.

Probleme für die Helfer

Bei drohenden Unfallsituationen löst das System eine Reihe von Funktionen aus, wie die Gurtstraffung für Fahrer und Beifahrer, das Schließen der Fenster und (falls vorhanden) des Schiebedachs. Damit beginnen die Probleme für die Helfer: Der BMW X5 ist mit über zwei Tonnen so schwer, dass er selbst von zehn Feuerwehrleuten mit Hebelstangen nicht bewegt werden kann.

Formstabile Karosserie

Mit Spreizern musste er mühsam von der Betonwand gerückt werden, um überhaupt an die Fahrertür zu gelangen. Selbst mit schwersten Vorschlaghämmern gelang es nicht, die Scheiben einzuschlagen. Kunststoffkomponenten erschwerten den Zugang zu Türscharnieren, weil sich die formstabile Karosserie nicht mehr wie früher das Blech verbiegen lässt.

Vielen Modellvarianten

Schweres Gerät einfach auf Verdacht irgendwo anzusetzen, ist höchst gefährlich, weil überall Elektrik oder Gasdruckbehälter für die zahlreichen Airbags eingebaut ist. Standardisierte Rettungskarten helfen wegen der vielen Modellvarianten nicht viel weiter. Die Rettungsleitstellen können aber inzwischen über das Kennzeichen die Fahrzeugdaten abrufen und an die Unfallstelle übermitteln.

Gehärteter Spezialstahl

Das größte Problem sind bei modernen Fahrzeugen die Türholme und die -säulen, die so stabil konstruiert sind, dass sie etwa die in Pegnitz zur Verfügung stehenden Rettungsscheren überfordern. Erst im dritten Anlauf gelang es unter Aufwendung der letzten Kraftreserven, den mehrfach geschichteten und gehärteten Spezialstahl zu durchtrennen. Im Ernstfall behilft man sich mit einem Trick, den Florian Thüroff von der Nürnberger Berufsfeuerwehr mitgebracht hat: Beim Absprengen des Dachs mit Hilfe von Spreizern ist aber die Lärmentwicklung so enorm, dass man einen unmittelbar daneben sitzenden verletzten Fahrer vorher eigentlich narkotisieren müsste.

Nach zwei Nachmittagen war der BMW so zerlegt, dass eine optimale Versorgung von eingeklemmten Insassen möglich gewesen wäre. Für Zahn und Pohl hat die Übung aber deutlich aufgezeigt, dass die in Pegnitz zur Verfügung stehenden Rettungssätze mit einem Alter von elf und 20 Jahren den heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen sind. Immer schwerer sei es, die Rettungszeit von einer Stunde einzuhalten, nach der ein Verletzter spätestens im Krankenhaus liegen muss. Zahn und Pohl unisono: „Die Stadt wird über kurz oder lang nicht am Kauf moderner, leistungsfähigerer Systeme vorbeikommen.“ Zum Vergleich: Die Kosten dafür liegen mit schätzungsweise 50.000 Euro pro Einheit genauso hoch wie der Wert des aktuell zur Verfügung gestellten Versuchsfahrzeugs.

 

 

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