Festspielregisseur: Flüchtlinge als Risiko

Von Michael Weiser
Unter Beschuss: Alvis Hermanis. Foto: Barbara Gindl/dpa Foto: red

Erst in drei Jahren soll er den "Lohengrin" bei den Bayreuther Festspielen in Szene setzen. Doch für Gesprächsstoff sorgt Alvis Hermanis schon jetzt: Der lettische Regisseur hat Flüchtlinge als Risiko bezeichnet. Und sieht sich nun Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt.

 
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Nie soll man ihn befragen, den Schwanenritter aus dem "Lohengrin". Ähnliches gilt, geht es um politische Themen, wohl auch für den nächsten Bayreuther "Lohengrin"-Regisseur. Allerdings hat Alvis Hermanis (50) seine Meinung ungefragt kundgetan - in seiner Begründung gegen über dem Thalia-Theater, warum er die für 2016 vereinbarte Zusammenarbeit mit dem Hamburger Haus absage. Grund sei das humanitäre Engagement des Thalia-Theaters (siehe beispielsweise hier) und anderer Häuser in der Flüchtlingsfrage. Er wolle damit nicht in Verbindung gebracht werden, zitiert ihn das Thalia-Theater in einer Pressemitteilung. Aus diesem Text geht weiter hervor, dass Hermanis die Begeisterung Deutschlands für Flüchtlinge und offene Grenzen nicht teile - Deutschlands Haltung sei gefährlich.

Festspiele: Abwarten und Beobachten

Die Bayreuther Festspiele bemühen sich derweil, die Wogen zu glätten. Sprecher Peter Emmerich, bestätigte lediglich, dass man die Angelegenheit "mit  großem Interesse und mit großer Aufmerksamkeit" verfolge. Besorgt sei man nicht,das Engagement in Bayreuth sieht Emmerich nicht betroffen. Wir "können uns nur hüten, in Hysterie zu verfallen", sagte Emmerich. "In dieser Frage prallen zur Zeit allgemein sehr unterschiedliche Meinungen aufeinander." Was die Verbindung zwischen Terrorismus und Flüchtlingen betrifft, meint Emmerich: "Wenn er es so gesagt hat, ist das  hanebüchen."

Handelte das Thalia unkorrekt?

Bislang kennt die Öffentlichkeit Hermanis' Äußerungen lediglich aus einer Pressemitteilung des Thalia-Theaters. In dieser Mitteilung heißt es außerdem, Hermanis habe geäußert, er wolle nicht mehr für dieses "refugee welcome center" arbeiten. Seine Absage erfolgte via E-Mail - und diese E-Mailkorrespondenz hat das Theater an die Öffentlichkeit gebracht. Hermanis hat dem Theater daher vorgeworfen, einen privaten Austausch zur Grundlage einer Meldung gemacht zu haben.

In diesem privaten Austausch muss Hermanis ganz schön vom Leder gezogen haben. Zitiert wird er unter anderem mit dem Satz, nicht alle Flüchtlinge seien Terroristen, "aber alle Terroristen sind Flüchtlinge oder deren Kinder". In jedem Krieg müsse man sich für eine Seite entscheiden, er und das Thalia stünden nun einmal auf verschiedenen Seiten.

In derselben Mitteilung hat Thalia-Intendant Joachim Lux die Absage bedauert. Sie deute  darauf hin, „wie tief Europa derzeitgespalten ist. Der Riss in Europa ist tief und hat fast alle Länder erfasst." Hermanis' massive politische Begründung für seine Absage wiederum rechtfertige die Veröffentlichung in einer Pressemitteilung. Sie sei "von öffentlichem Belang und Interesse".

Verbindung zwischen Migrationspolitik und Terrorismus

In einer Stellungnahme hat Alvis Hermanis seine Haltung weiter erläutert. Er wohne in Paris, in eben jenem Viertel, in dem am 13. November die Anschläge verübt wurde. Er wolle mit seinen sieben Kindern aber nicht in eine Stadt wie Hamburg ziehen, die gefährlich sei und aus der einige Attentäter vom 11. September stammten. Die deutsche Regierung habe wiederum nach den Anschlägen von Paris  ihre Flüchtlingspolitik geändert. Für Hermanis ein Beleg, dass erst 132 junge Menschen sterben mussten, bevor man "die Verbindung zwischen Migrationspolitik und Terrorismus zugibt". Für eine persönliche Äußerung war er noch nicht zu erreichen.

Das Thalia-Theater wird Hermanis' Inszenierung von Isaac B. Singers Stück "Späte Nachbarn"  übrigens auf dem Spielplan behalten. Es ist ein Stück über polnisch-jüdische Immigranten in den USA. "Die beste Antwort auf die gegenwärtigen Verwerfungen", sagt Intendant Lux.