Festival Junger Künstler: Thammers Bilanz

Von Wolfgang Karl
Sissy Thammer zieht eine positive Bilanz des Festivals junger Künstler. Foto: Archiv/Peter Kolb Foto: red

Hat sich die Idee des Festivals Junger Künstler totgelaufen? Nicht, wenn es nach Sissy Thammer geht: Mit neuen Ideen und viel Kulturpolitik möchte sie die Kunst nutzen, um Krisen zu begegnen und kulturellen Austausch zu schaffen. Die Internationalisierung dieses Festivals spielt dabei eine Schlüsselrolle. Ein Gespräch über chinesische Kamerateams und singende Dirigentengattinnen – inklusive Seitenhieb auf die Richard-Wagner-Festspiele.

 
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Voriges Jahr gab es zum Abschluss des Festivals Junger Kuenstler ein sehr erfolgreiches Symphoniekonzert. Warum wurde dieses Jahr darauf verzichtet?

Sissy Thammer: Dieses Jahr haben wir zum Abschluss ein Kammerkonzert geboten. Wir haben von Anfang an damit gerechnet, die Stadthalle nicht zu haben. Deswegen haben wir vorsichtiger und anders disponiert.

Ärgert es Sie dann, dass man die Stadthalle nun doch bespielen hätte können?

Thammer: Nein, es ärgert mich nicht. Kernpunkt war aber Peter Stark, der letztjährige Leiter des Symphonieorchesters. Den habe ich gebeten, sich für 2017 und 2018 bereit zu halten. Dieses Jahr hätte er ein Programm vorgeschlagen, bei dem wir an die 80 Instrumentalisten gewesen wären. Das ist eine fatale Größe, denn dazu brauche ich die Stadthalle Bayreuth. Die Teilnehmer kommen heutzutage immer kürzer, wollen möglichst viele Aufführungen und kommen nicht wegen einer einzigen Aufführung. Wo soll ich in der Region mit 80 Leuten hin?

Nirgendwo. Also soll es wieder ein Symphoniekonzert geben? Wo auch immer?

Thammer: Ja, es ist ja gut angekommen. Auch ich war begeistert davon. Begeistert war ich aber auch von unserem Chor-Konzert. Dort gab es nur hervorragende Stimmen – bis auf eine.

Welche?

Thammer: Ich habe den Fehler gemacht, die Frau des Dirigenten singen zu lassen. Als Fred Sjöberg mich fragte, kam ich nicht auf die Idee, Gunnel vorsingen zu lassen. Sie hat eine ausgebildete Stimme, aber es klang zu alt und war schrecklich. Insgesamt war das Konzert grandios.

Was ist das Besondere am Festival Junger Künstler für Sie?

Thammer: Mir persönlich ist es immer wichtig, dass man die kulturelle Vielfalt unseres Festivals sieht. Da kommen die verschiedensten Künstler und Ensembles zur gleichen Zeit. Es gibt eine Mischung zwischen der Akademie – also den Workshops, in denen sie arbeiten – und ihren Einzelauftritten. Da tritt das turkmenische Kammerorchester zusammen mit einem anderen Kammerorchester auf – braucht aber auch Einzelauftritte. Als Nachweis für Reisekosten zu Hause.

Da wird dann auch fleißig nach zu Hause berichtet?

Thammer: Von den Chinesen wird zum Beispiel genaustens dokumentiert, wo der Wuhan-Chor aufgetreten ist. Die haben eigene Pressevertreter dabei, die extra aus München anreisen und nach Peking berichten. Da steht man dann in Kemnath in der Stadtkirche und plötzlich steht da ein ganzes Fernsehteam, das dir eine asiatische Visitenkarte überreicht. Das war dieses Jahr mit Turksoy so, letztes Jahr mit den Chinesen.

Hat man dann ein wenig Angst, sich instrumentalisieren zu lassen zu Propagandazwecken?

Thammer: Ich hab keine Angst.

Nun, China ist das eine – aber Turkmenistan ist ja ein Regime, das man durchaus mit Nordkorea vergleichen kann.

Thammer: Da möchte ich lieber nicht ins Detail gehen. Aber man muss im kulturellen Austausch auch Kompromisse eingehen – am Ende geht es um die jungen Künstler, die die Chance haben müssen, rauszukommen und etwas zu erleben.

Junge Musiker aus Zentralasien scheinen ja allgemein einen immer größeren Raum einzunehmen.

Thammer: Mann muss ganz klar sehen, dass wir mit Künstlern aus der Türkei Aserbaidschan, Belutschistan, Turkmenistan, allgemein Turk-Staaten und anderen Asiaten eine kulturelle Vielfalt anbieten, die ihresgleichen sucht.

Können die dann auch die Bayreuther Festspiele erleben?

Thammer: Wir hatten früher größere Kontingente an Karten für die Richard-Wagner-Festspiele, was inzwischen nicht mehr so ist. Das halte ich für kulturpolitisch hochbedenklich: Da kommen junge Künstler, junge Eliten, die neben der Arbeit hier auch Hochkultur sehen sollten. Wir haben ja immer für die Karten für unsere Künstler bezahlt – nur können wir uns als Festival Junger Künstler keine Karten für 200 Euro leisten, sondern brauchen die für 40 oder 60 Euro. 

Wie funktioniert eigentlich die Zeiteinteilung des Festivals Junger Künstler?

Thammer: Früher lief das so: Da gab es für zehn, zwölf Tage Kammermusik- und Rgeisterproben, gefolgt von drei Tagen mit Konzerten. Anschließend ist die volle Konzentration ins Orchester geflossen. Das geht inzwischen nicht mehr: Der Bachelor-Student von heute ist nicht mehr bereit, dreieinhalb Wochen in Bayreuth zu bleiben. Die bleiben keine zwei Wochen und es wird erwartet, dass sie in diesen Tagen aufführen.

Bliebe da dann überhaupt genug Zeit dafür, ein Symphoniekonzert einzuproben?

Thammer: Ja, das ging ja letztes Jahr schon. Die Musiker, zum Beispiel aus Turkmenistan, hatten früher ja gar keine Wagner-Noten. Heutzutage schicken wir die Noten bereits vorher per Internet und die Musiker kommen vorstudiert her. Das spart ja Zeit.

Was ist dann der Ausblick?

Thammer: Nun, wir haben immer professionell kurze Probezeiten verbunden mit international renommierten Dozenten. Inzwischen gibt es viele solcher Angebote und sehr viele Jugendorchester. Da müssen wir dann nicht noch eins draufsetzen. Bei so viele Orchesterproben wird vielleicht auch ein wenig am Bedarf vorbei ausgebildet. Deswegen geht es uns künstlerisch – auch durch die Kammermusik – darum, den Musikern mitzugeben, was sie brauchen. Im zweiten Schritt geht es mir um Politik.

Inwiefern Politik?

Thammer: Da bin ich kontrovers zu Thielemann, der in einer Berliner Podiumsdiskussion meinte: Pflicht des Künstlers ist nicht die Politik – im Gegenteil, ein Künstler habe unpolitisch zu sein. Ich denke aber doch, dass Kunst Macht hat – und diese Macht muss man im kulturellen Austausch auch nutzen.

Kontrovers zu Thielemann zu sein ist aber nicht unbedingt schwer – Thielemann ist ja schon häufig kontrovers zu Thielemann.

Thammer: Es ist interessant, dass Sie das feststellen – ich hätte es jetzt nicht genau so gesagt.

Aber inwiefern möchten Sie Ihre künstlerische Macht politisch nutzen?

Thammer: Dazu möchte ich zuerst feststellen, dass wir inzwischen eine Krisenzeit haben, die wir vor fünf oder sechs Jahren noch nicht hatten – Putsche, Kriege, Krisen häufen sich. Da ist es wichtig, mit geflüchteten Musikern zu arbeiten, mit Musikern aus Diktaturen. Verständigung ist da zu wenig – Es geht darum, nachhaltig Zeichen zu setzen. Auch im Hinblick auf nächstes Jahr, wo wir uns überlegen, einen Refugee-Chor zu gründen.

Also das soll die Idee dieses Festivals in die Zukunft führen? Immer mehr internationaler Austausch?

Thammer: Nun, ein bisschen back to the roots: Menschen aus anderen Kulturkreisen sollen kommen, mit ihren eigenen kulturellen Codes und die bei uns vorstellen – aber auch unsere kulturellen Codes kennenlernen. Eine Aufgabe, die in unseren Krisenzeiten immer wichtiger wird.

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