Musiker aus 17 Nationen spielen Weber und Mendelssohn Festival Junger Künstler: Ein starkes Finale

Von Frank Piontek
Begeisterte in der Stadthalle: Der Klarinettist Benjamin Christ. Unter dem Dirigent Peter Stark spielte das Festivalorchester für die sehr kurze Probenzeit erstaunlich präzis. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Erstaunliches Finale: Zum Abschluss gab's beim Festival Junger Künstler Musik von Mendelssohn und Weber. Und das Erlebnis eines glänzenden Solisten.

 
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Am 30. Juni 1807 gastierte ein junger Musiker, „abends um 5 Uhr“, im Festsaal des Bayreuther Neuen Schlosses: ein „ausgezeichneter Tonkünstler, mehr durch hohe Veranlassung als vom Zufall hieher geführt“, wie es in der Bayreuther Zeitung hieß. Mit dabei im Neuen Schloss: der Klarinettist Johann Backofen.

208 Jahre später steht ein junger Mann – gleichsam als Nachfolger des damals 20-jährigen Carl Maria von Weber – auf der Bühne der Stadthalle und erspielt sich mit dessen 2. Klarinettenkonzert einen gewaltigen Beifall. Die hohe Veranlassung? Das Abschlusskonzert des 65. Festivals Junger Künstler, das unter der Leitung des Londoner Dirigenten Peter Stark in der gut gefüllten Stadthalle schönste Musik der frühen Wagnerzeit spielt.

Was sinnvoll ist: Richard Wagner wusste schließlich, was er dem Mendelssohn der Hebriden-Ouvertüre und seinem musikalischen Ziehvater Weber zu verdanken hat. Er hat es auch nie vergessen: Was der Eintritt einer Klarinettenstimme recht eigentlich bedeute, so bekannte er noch spät, das habe er von Weber. Während des Konzerts durfte man auch daran denken, weiter nördlich die Holzbläser im „Lohengrin“ gerade die schönsten Kantilenen anstimmten.

Diese Musik schiwtzt nicht

Also spielt Benjamin Christ (der inzwischen dem Orchestre de la Garde Républicaine angehört) das 2. Klarinettenkonzert eines Meisters, der wusste, was man einer Klarinette entlocken kann: den Ausdruck dunkler romantischer Melancholie und der äußerlichen Brillanz seines eigenen, liebenswürdigen Wesens. Christ und den jungen, aus nicht weniger als 17 Nationen entstammenden Musikern gelingt beides phänomenal: das Äußerliche im Auftakt des technisch perfiden Allegro, im Kehraus der Polacca – und das Innerliche im wundersam verschatteten Ton der Romanze.

„Diese Musik schwitzt nicht“, wie Nietzsche gesagt hätte. Den jungen Leuten gelingt auch ein Pianissimo, das leiser ist als jeder Ton, den zwei Tage zuvor ein einzelner Pianist bei Steingraeber zu produzieren vermochte.

Das alles klingt ganz leicht, ganz frei, ganz weberisch, ja: die Musiker aus Polen, China, Russland, Deutschland und wo sie alle herkommen, wissen, wieso sie was warum spielen. Sie spielen schon den piano-Beginn der Hebriden-Ouvertüre deutlich und doch „misterioso“. Sie ziehen genaue Linien und wissen, wie Übergänge und Steigerungen zu machen sind: in der Fingalshöhle und beim bacchantischen Fest der Italienischen Symphonie.

Sie spielen langsam, ohne zu schleppen – und sie zeigen uns Wind und Braus, Wasser und Felsen, südliche Lüfte und nördliche Stürme. Sie vermögen ein Crescendo und ein Decrescendo zu machen, das uns in den Kern der dramatischen Ton-Bilder hereinzieht – und die Violoncelli – nicht weniger als elf – singen so herrlich wie die Klarinette, die irgend etwas Unnennbares der Hebriden beschwört.

Präzision und Poesie

Ob das Bayreuther Konzert des 20-jährigen Weber damals gut ankam? Wir wissen es nicht. Die 62 jungen Künstler aber sind so erfolgreich und so gut, dass ihnen das Finale der Italienischen Symphonie noch einmal und noch rasanter gelingt. Dass die Genauigkeit und Poesie dabei nicht unter die Räder kommen: dies ist das eigentliche Ereignis noch des Finales.