Fernfahrer für mehr Kontrollen

Von Susanne Will

Der Unfall auf der A6 vor einigen Tagen erschütterte die Region: Ein Laster-Fahrer war bei Nürnberg im Stau auf das Auto einer Familie aufgefahren. Im Wrack starben drei Kinder und die Mutter, auch der Laster-Fahrer überlebte nicht. Wie macht man den Schwerkraftverkehr sicherer? Innenminister Joachim Herrmann sieht als Hauptproblem die Übermüdung der Fahrer, er fordert strengere Kontrollen. Was sagen die Brummi-Fahrer? Drei Berufskraftfahrer aus Bayreuth, die von Berufswegen in der Region unterwegs sind, erzählten dem Kurier von ihrem Alltag.

 
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Quelle: hubber.me

Sven Klabes (34): Es gibt viel zu wenig Kontrollen! Fahrtenschreiber sind keine Gradmesser. Stellen Sie sich vor: Es ist Sommer, man steht auf dem Rasthof, muss tagsüber schlafen, weil man nachts fahren muss. Machen Sie das mal bei 55 Grad im Laster. Das war eine der Situationen, weswegen ich den Job quittiert habe. Ich fahre jetzt Fernbus. Der Fahrer hat eine enorme Belastung, und getrickst wird überall. Zum Beispiel bei den Pausen. Denn der Fahrer lädt auch ab. Diese zwei Stunden müsstest du in deinem Kontrollgerät mit Arbeitszeit angeben. Das machen aber 90 Prozent der Fahrer nicht, weil diese Zeit von der Fahrzeit abgezogen wird. So schalten sie auf Pause. Das heißt: Sie setzen sich völlig k.o. wieder hinters Steuer. Bei der Kontrolle aber wird angezeigt, dass sie doch gerade eben zwei Stunden pausiert hätten. Früher kam ich am Samstag nach Hause, bin sofort auf die Couch, am Sonntag habe ich geschlafen, damit ich in der Nacht fit fürs Fahren war. Ich hatte null Familienleben. Jetzt bescheinigt mir meine Frau, dass ich wesentlich entspannter bin.

Gerhard Schoberth (50): Ich bin ein Verfechter von mehr Kontrollen, und das Bußgeld sollte man massiv erhöhen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man kontrolliert wird, ist derzeit nicht sehr hoch: Ich fahre bis zu 3000 Kilometer die Woche, im letzten Jahr wurde ich nur zweimal rausgezogen: einmal von der Polizei, einmal vom Bundesamt für Güterverkehr. Ich fahre seit eineinhalb Jahren im Fernverkehr und mein ganzes Leben schon unfallfrei. Das bleibt auch so, solange ich es kontrollieren kann. Dazu gehört, dass ich meine Geschwindigkeit von 85 Stundenkilometern einhalte. Das ist sehr ökologisch. Wenn ich 90 fahre, brauche ich 23,75 Liter Sprit, bei 85 sind es 18,75 Liter. Und schneller bin ich auch nicht: Ich habe das mal mit einem Kollegen getestet: Er fuhr 90, ich 85 – und ich rollte nur zehn Sekunden später in den Hof der Spedition.

"Wir sind zu teuer"

Einen Zeitdruck verspüre ich nicht. Und über meine Driver-App sieht die Spedition am Zentralrechner, dass ich im Stau stehe und sie die Ankunft verzögert. Aufgrund einer Verzögerung aufs Gas zu drücken, ist kein Argument. Es stimmt, dass viele Kollegen den Mindestabstand nicht einhalten. Was ich nicht verstehen kann: Wenn ich die Geschwindigkeit einhalte, kann ich auch 50 Meter Abstand halten. Die großen Firmen scheinen auf ausländische Fahrer zu setzen: Ich war kürzlich bei einer Messe in München und habe in fünf Tagen keinen einzigen deutschen Fahrer gesehen, denn: Wir sind teurer.

Außerdem wäre ich für ein Überholverbot in Baustellen. Wenn ich 80 fahre und die Spur ist nur drei Meter breit, braucht nur eine Windböe kommen, dann drücke in den Pkw in die Leitplanke. Deshalb fahreich manchmal einfach in die Mitte. Beschweren braucht sich dann keiner: Ich fahre ja die vorgeschriebene Geschwindigkeit. Und, ja, es gibt diese Kollegen: Sie legen die Füße hoch, schauen TV beim Fahren, tippen auf dem Handy. Ich halte sogar an, wenn ich mir einen Kaffee aus der Kaffeemaschine lasse.

Ernst Müller (27, Name geändert): Ich bin der Sohn eines Fernfahrers, bin schon als Kind bei ihm mitgefahren. Früher war es ein großes Miteinander unter den Brummi-Fahrern, jetzt sind nur noch Einzelkämpfer auf den Straßen: Jeder will der Schnellste sein. Ich bemerke auch, wie unser Ansehen in der Bevölkerung schwindet: Früher hat man uns geholfen, wenn wir rangieren mussten, jetzt werden wir nur noch angehupt.

Meine Fahrpausen halte ich ein, es gibt klare Vorschriften meiner Firma, das ist aber nicht überall so. Ich habe den Eindruck, dass unsere Kollegen aus Bulgarien oder Polen sich nicht so genau daran halten. Die werden aber von den Speditionen gerne genommen, weil sie billiger sind, auch wenn sie zu zweit auf einem Lastwagen quer durch Europa fahren. Diese Fahrer sind froh, überhaupt Arbeit zu haben.

"Ich kennen niemanden, der beim Abladen auf Pause stellt"

In kenne niemanden, der beim Abladen nicht auf Pause stellt. Ich habe schon lange nicht mehr erlebt, dass die Polizei beim Abladen kontrolliert, das wäre mal ’ne Maßnahme.

Mein Laster hat eine Abstandskontrolle, das hilft. Aber man darf den Kopf nicht abstellen, das System kann viel, aber nicht alles. Was die Parkplätze angeht, ist es problematisch. Auf manchen Transitstrecken findest du einfach keinen Platz. Gerade nachts ist es sehr schwer. Das gab es vor acht Jahren, als ich anfing, definitiv noch nicht. Von der Autobahn herunterzufahren ist meist ein großer Umweg. Und in vielen Industriegebieten ist es verboten zu parken. Es werden sogar Boller aufgestellt, damit wir nicht mehr parken. Da schießt mir schon mal die Frage durch den Kopf, ob ich mich nicht auch auf den Beschleunigungsstreifen stelle, was ich dann doch nicht tue.

"Kampf untereinander"

Was mich richtig nervt ist der Kampf untereinander. Früher hat der andere dir Lichthupe gegeben, damit du wusstest, wann du ihn überholt hast. Selbst das gibt es kaum noch. Immerhin steht eine zwei auf meinem Lohnzettel. Aber ich will das nicht bis zum Ende machen. Mit 30 ist Schluss. Bei diesem Job bin ich nie zuhause – und das will ich meinem Kind ersparen.

Nomaden Europas

Sie sind die Nomaden Europas: Billige Laster-Fahrer aus osteuropäischen Staaten. Teilweise leben sie drei Monate im Führerhaus ihrer Brummis, weit ab von ihren Familien. Mit ihren Dumping-Löhnen – um die 45 Euro pro Tag – sorgen sie für einen Preiskampf im Transportgewerbe. Heruntergerechnet bedeutet das einen Stundenlohn von etwa fünf Euro. Und damit zählen die Brummi-Fahrer in ihren Heimatländern zu Spitzenverdienern. Drei von ihnen, die das Wochenende auf dem Rastplatz Fränkische Schweiz/Pegnitz verbrachten, erzählten dem Kurier aus ihrem Alltag.

Michael (36), aus Polen: Am Donnerstag war ich noch in Schottland, jetzt ist mein Laster leer, ich warte hier bis Montag auf neue Ladung. Deshalb kann ich jetzt auch Bier trinken und mich mit meinen Landsleuten treffen – sind ja genug da. Deutsche Fahrer sind kaum welche hier. Ich bekomme 45 Euro am Tag, egal ob ich fahre oder nicht. Meine Spedition steht in Polen, da ist der Sprit sehr günstig. Viele Spediteure geben ihren Fahrern den Tipp mit auf den Weg: Tu, was du willst, aber nimm dich in Acht vor der Polizei. Wir osteuropäischen Fahrer haben keinen guten Ruf bei den deutschen Kollegen. Sie mögen uns nicht, weil wir so billig fahren. Aber für uns ist das viel Geld, mit dem wir unsere Familie unterstützen können. Ich selbst habe keine Freundin – ich muss erst einmal eine finden, die aushält, dass ich wochenlang nicht zuhause bin.

Christopher (29) aus Polen: Ich bin jetzt nur sechs Stunden gefahren und muss bis Montag warten, bis es für mich weitergeht. Die Zeit vertreibe ich mir an meinem Laptop. Wir werden gerne gebucht, weil wir billiger sind. Ja, es ist viel Arbeit, aber ich liebe diesen Job, weil mir eben mein Chef nicht den ganzen Tag im Nacken hängt. Außerdem brauche ich das Geld. Zuhause wartet meine Freundin mit unserem Baby auf mich.

Mihai (34) aus Bulgarien: Wir sind auf dem Weg nach Schweden, bislang bin ich zusammen mit meinem Kollegen seit sechs Wochen unterwegs – am Stück. Mein Chef sitzt in Holland, ich komme aus Bulgarien und erhalte 40 Euro am Tag für diese Arbeit. In Bulgarien gibt es kein Geld, keine Jobs, auch nicht für mich, obwohl ich Elektroingenieur bin und an der Universität gewesen bin. Wir versuchen, uns die Zeit so angenehm wie möglich zu machen und kochen uns jetzt ein Mittagessen: Zuerst gibt es Suppe, anschließend Nackensteaks.

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