Faulbrut: Chronik eines Seuchenausbruchs

Von Sarah Bernhard

Die amerikanische Faulbrut ist tückisch. Zwar muss einiges zusammenkommen, bis die Bienenseuche ausbricht. Doch dann trifft sie auch Imker, die eigentlich alles richtig gemacht haben. So wie Stephanie Schimmel und Gottfried Forster. Sie mussten das Schlimmste tun, das man von einem Tierbesitzer fordern kann.

 
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Die Seuche, wegen der rund 700.000 Speichersdorfer Bienen den Tod fanden, begann völlig harmlos. Vermutlich mit einem ungewaschenen Honigglas, das jemand in einen Glascontainer warf.  Die Sporen der amerikanischen Faulbrut sind in fast jedem ausländischen Honig zu finden, sagt Bienenfachberaterin Barbara Bartsch. Weil die Bakterien, die die Seuche auslösen, im Ausland mit Antibiotika abgetötet werden, die Sporen aber überleben.

Eigentlich erschweren die Lamellen an den Einwurföffnungen der Glascontainer den Bienen den Weg zum verseuchten Honig, sagt Michael Benz, Sprecher des Landratsamts. „Leider werden diese Lamellen immer wieder durch Vandalismus beschädigt.“ Einige Bienen fanden so wohl den Weg zum Glas. Und brachten die Sporen mit in ihr Volk.

Ein schlampiger Imker kann Tausende Bienen infizieren

Dort war der betreffende Imker entweder schlampig oder schaute nicht genau hin. „Es gibt immer wieder ältere Imker, die nicht mehr so gut sehen, aber ihr Hobby nicht aufgeben wollen, weil es sich wie das Ende anfühlen würde“, sagt Bartsch. Oder der Imker hatte gar nicht bemerkt, dass wieder Bienen in einen seiner alten Kästen eingezogen sind. „Einige Imker schließen die Fluglöcher nicht und denken: ,Vielleicht zieht „aus Versehen“ ein Schwarm ein, dann kann ich nochmal ernten.‘“ Im Zuge des Seuchenausbruchs habe das Veterinäramt mehrere „Anordnungen zum Verschließen von Bienenwohnungen“ ausgesprochen, sagt Benz.

Erwachsene Bienen können, wie auch Menschen, die Faulbrut-Sporen einfach verdauen. Bienenlarven sind völlig wehrlos. Aus den Sporen wurden Bakterien, sie begannen, die Larven im Stock von innen heraus zu zersetzen. Die Larven wurden zu einer schleimigen, hochansteckenden Masse. Um ein junges Exemplar zu infizieren, reicht laut Bienenfachberaterin Bartsch eine einzige Spore. Am Ende der Zersetzung kann man in den Resten einer einzigen Larve bis zu zweieinhalb Milliarden Sporen nachweisen.

Die Bienen sind bereits dem Tod geweiht

Bienen sind nicht wählerisch. Das Futter eines durch Faulbrut geschwächten Stocks ist für sie leichte Beute. Als Gottfried Forster (54) im Februar kontrolliert, wie viel von dem Zuckersirup noch übrig ist, den er seinen neun Bienenvölkern zum Überwintern gegeben hat, ist noch erstaunlich viel da. „Sie haben sich wohl am Nachbarstand Futter geholt“, sagt seine Frau. An jenem Stand, der bereits dem Tod geweiht ist.

Damals wissen die beiden noch nicht, was das bedeutet. Sie wissen nur, dass sie innerhalb einer zwei Kilometer großen Sperrzone liegen, in der alle Bienenvölker auf Faulbrut getestet werden. „Der Veterinär hat gesagt, dass es ganz gut aussieht“, sagt Stephanie Schimmel (50). Und auch Bartsch lobt ihre "sehr sauberen" Kästen. Doch ein paar Tage später kommt der Anruf: Acht von neun Völkern sind infiziert, sie alle müssen sterben. „Er hat gesagt, wir sollen erstmal nichts tun. Nur uns an den Gedanken gewöhnen“, sagt Schimmel.

Kurz vor Ostern kommt die "Tötungsanordnung"

Zwei Wochen später schickt das Veterinäramt eine „Tötungsanordnung“. Einen Kasten nach dem anderen trägt Gottfried Forster vom Stadel hinunter in den Garten. Er hat sie selbst gezimmert, einige sind das erste Mal in Benutzung. In jeden Stock stellt er eine Dose mit Schwefelstreifen, zündet sie an und macht den Deckel zu. „Das Bild kriege ich nie wieder aus meinem Kopf“, sagt Stephanie Schimmel. Erst am nächsten Tag geht Forster nachschauen. Zwei Völker sind noch nicht vollständig erstickt, er muss die Prozedur wiederholen. „Bienen sind keine Kuscheltiere. Aber das war grauselig.“

Danach müssen Schimmel und Forster in zwei riesigen Tonnen alles verbrennen, was auch nur in der Nähe der Bienenstöcke lag. 14 Kästen, 500 Wabenhalterungen, Kleidung, Hilfsmittel. „Wir haben 6000 Euro verbrannt“, sagt Gottfried Forster. Rund 1200 Euro Entschädigung zahlt ihnen die Tierseuchenkasse, auf dem Rest bleiben die beiden sitzen. „Auch das muss man bewältigen“, sagt Forster.

Doch noch ein glückliches Ende

Wäre die Geschichte hier vorbei, wäre das ein trauriges Ende. Doch sie geht noch weiter: „Schon zwei Tage später hat uns ein Bekannter Bienen und eine Unterstellmöglichkeit angeboten“, sagt Schimmel. Die Sperrzone gilt mindestens noch bis September, weder Bienen noch Zubehör dürfen hinein oder hinaus. Ein weiterer Bekannter bot ebenfalls Hilfe an, mittlerweile betreuen Forster und Schimmel wieder neun Völker in Weidenberg. Ans Aufhören haben sie nie gedacht, „auch wegen der vielen Hilfe, die wir bekommen haben“, sagt Schimmel. „Wir sind den anderen Imkern zu riesigem Dank verpflichtet.“