Experten kritisieren Rentnerparadies

Von Thorsten Gütling
Dass es Fahrtdienste zu solchen Treffen in weiten Teilen des Landkreises nicht gibt, halten Experten einer Studie entgegen, die behauptet, der Wohlstand der Rentner sei hier besonders hoch. Wie es um die Senioren bestellt ist, zeigt sich in Mistelgau noch an anderer Stelle: Wenn die Seniorenbeauftragte krank ist, kümmert sich wochenlang niemand um die Belange der Senioren. Einen Stellvertreter gibt es nicht. Foto: Dieter Jenß Foto: red

Eine Studie der deutschen Versicherungswirtschaft kommt zu dem Schluss: Im Landkreis Bayreuth lässt sich der Ruhestand durchaus preiswert verbringen. Aufgrund der geringen Wohnkosten sei der Wohlstand im Alter hoch. Experten im Landkreis widersprechen.

 
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Der Studie zufolge sollen 1000 Euro im Landkreis Bayreuth soviel Wert sein wie im Bundesdurchschnitt 1096 Euro. Das Leben hier soll um fast neun Prozent günstiger sein. Die Studie leitet davon einen besonders hohen Wohlstand im Alter ab. Vor allem, weil die Wohnkosten vergleichsweise niedrig seien.

Christian Hartmann ist Kreisgeschäftsführer beim Sozialverband VdK. Und er sagt, bei der Höhe der Renten sei Oberfranken deutschlandweit unter den Schlusslichtern. Weil schon die Erwerbstätigen weniger verdienten als andernorts. Und im Alter müssten die Menschen in der Region von der geringen Rente viel Geld für die medizinische Versorgung, Haushaltshilfen und die Beförderung zum nächsten Supermarkt ausgeben. Weil Ärzte auf dem Land, Einkaufsmöglichkeiten und flächendeckende Bürgerbusse fehlten. Hartmann kommt zu dem Schluss: "Da gibt es schon noch ein paar Schräubchen, an denen man drehen könnte."

Seniorenbeauftragter sieht Mängel

Horst Bayer hätte gerne einen solchen Bürgerbus. Bayer ist der Seniorenbeauftragte der Gemeinde Mistelbach. Einer Gemeinde ohne viele Ortsteile. Einen Bürgerbus gibt es auch deshalb nicht. Aber Bayer sagt: "Immer wenn wir ein Seniorentreffen im Sportheim veranstalten, stellt sich die Frage, wie die Senioren überhaupt den Berg dort rauf kommen." Für die nötigen Fahrzeuge sorgt Bayer dann selbst. Er sagt aber auch: "Es liegen noch mehr Sachen im Argen." Zum Beispiel Sparkassen, die immer häufiger nur noch Automaten auf dem Land unterhielten, mit denen Senioren nicht klar kämen. Oder Gehwege, die in Mistelbach an zwei Stellen gerade einmal 60 Zentimeter breit seien. Mit Rollstuhl und Rollator gebe es dort kein Durchkommen. Bayer sagt: "Ohne Hilfe kommen die Älteren gar nicht ins Unterdorf." Und dann noch die Sache mit den Bussen. Die, die von Mistelbach nach Bayreuth fahren, seien selten barrierefrei. Bayer sagt: "Wenn ich selbst einen Ausflug organisiere, habe ich immer einen Schemel dabei."

Landratsamt weiß davon nichts

Im Landratsamt Bayreuth weiß man von manchen Sorgen gar nichts. Trotz jährlich stattfindender Treffen mit den Seniorenbeauftragten der Gemeinden. Auf Nachfrage heißt es: "Der Transport von A nach B wird nicht beklagt." Die Beauftragten hätten aber ihre Sorgen zu Ärztemangel und Barrierefreiheit geäußert.

Für den öffentlichen Nahverkehr sei der Landkreis zuständig, sagt Manfred Miosga. Er forscht und lehrt an der Uni Bayreuth zur Regionalentwicklung. Für die meisten anderen Probleme der Senioren könnte aber auch der Kreis nichts. Die lägen in der Zuständigkeit der Gemeinden, die dafür aber mehr Geld bräuchten. Zur Situation der Senioren im Landkreis sagt Miosga: "Ein Quantensprung ist nur mit Hilfe des Freistaats möglich."

Professor Miosga: Studie ist einseitig

Und Miosga kritisiert Studien wie die nun vorliegende. "Sie erzählen nur die halbe Wahrheit," sagt Miosga. Es fehle der Hinweis, dass man sich dort, wo die Mieten höher sind, an anderer Stelle Geld sparen könne. Geld für das eigene Auto zum Beispiel, weil der öffentliche Nahverkehr besser ausgebaut sei. Oder das für weite Fahrten zum nächsten Arzt und Supermarkt. Miosga spricht von "erzwungenen Ausgaben", die im Landkreis Bayreuth anfielen und von Zeitaufwand, der in den Studien ebenfalls nicht beziffert werde. Warum es solch einseitige Studien gebe? "Um zu zeigen, dass es auch Attraktivitätsvorteile im ländlichen Raum gibt."

Teure Folgen für die Gemeinden

Zu Ende gedacht sei die Studie zu guter Letzt auch deswegen nicht. Denn wenn der Zuzug in den Landkreis steige, ohne dass sich die Rahmenbedingungen änderten, steige zunächst einmal nur der Flächenverbrauch auf dem Land. Und die Infrastruktur dafür aufzubauen und zu unterhalten, komme wiederum die Gemeinden teuer zu stehen.

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