Essay: Kulturreferent gesucht

Von Thorsten Gütling
Gesucht: Ein Nachfolger für Fabian Kern. Foto: Archiv/Ronald Wittek Foto: red

Wie soll er sein, der sechste Kulturchef der Stadt, der erste nach Fabian Kern? Sollte es jemand aus der Mitte des Stadtrats werden, oder besser nicht? Ein Essay.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Kulturreferent. Auf dem Papier einer der schönsten Jobs, den Bayreuth zu vergeben hat. Schließlich ist Kultur per Definition die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft. Der Referent könnte sich in dieser Stadt also mit nahezu allem beschäftigen, was das Leben lebenswert macht. Nicht umsonst haben sich 130 Kandidaten beworben. Nur: Wer soll den Job bekommen? Wie muss einer sein, der dieser Aufgabe nicht nur gewachsen ist, sondern die Stadt auch für alle Bürger voran bringt? Die Gefahr ist groß, dass der nächste kommt und scheitert.

Freilich, er könnte aus den Reihen des Stadtrats kommen.

Stefan Schlags (Grüne) hatte schon vor vier Jahren kandidiert und tut das jetzt wieder. Zumindest so lange, wie unter den Bewerbern keiner gefunden wird, der in den Augen der Grünen geeignet ist. Stefan Specht (CSU), der Kulturpfleger des Stadtrats, hat kandidiert, seine Bewerbung aber wieder zurückgezogen. Und das ist gut so. Denn ein Referent aus den Reihen des Stadtrats würde wenig bewirken. Er hätte nämlich die DNA dieses Gremiums, in dem die Devise lautet: Leben und leben lassen. Oder weniger positiv formuliert: Nimmst du mir nichts weg, nehm ich dir nichts weg.

Ein Beispiel:

Darüber, ob der Trägerverein für das Internationale Jugendkulturzentrum noch satzungskonform Jugendarbeit betreibt oder nicht vielmehr längst zu einer kommerziellen Eventagentur geworden ist, wird lange schon diskutiert. Kürzungen bei den öffentlichen Zuschüssen will, außer Stefan Schlags, trotzdem niemand fordern. Zu groß ist die Gefahr einer Retourkutsche, in der es dann lieb gewonnenen Einrichtungen anderer Stadträte, wie dem Kulturstadl an den Kragen geht. Aus diesem Gestrüpp gegenseitiger Abhängigkeiten einen herauszuheben, der künftig für Ordnung sorgen soll, scheint geradezu irrwitzig.

Gefunden werden muss daher jemand, der vernetzt, aber nicht verstrickt ist.

Und der, klar, ein leidenschaftliches Interesse für Kultur mitbringt. Und zwar nicht nur für Festspiele, Opernhaus und Friedrichs-Forum, auch wenn vor allem Letzteres eine seiner Hauptaufgaben sein wird. Denn Kultur bedeutet für die Mehrzahl der Bayreuther auch Pop- und Subkultur. Um ersteres zu erleben müssen die Anhänger längst in wesentlich kleine Städte im Umland reisen. Die Wiederauferstehung der Kelly-Family wird in diesem Jahr in Coburg gefeiert. Die Ehrlich-Brothers, die derzeit angesagtesten Zauberer der Republik, begeisterten unlängst in Hof. Bayreuth, die Stadt in der einst Michael Jackson in der Blüte seiner Schaffenskraft auftrat, scheint abgehängt.

Dazu gibt es in Bayreuth eine der irrwitzigsten Gothic-Szenen weit und breit.

Es gibt eine ausgeprägte Straßenkultur, von Basketballern und Hip-Hoppern, bis zu Sprayern, Skatern und vielen mehr. Bayreuths nächster Kulturreferent müsste daher ein Brückenbauer sein, ein Pontifex im wahrsten Sinne des Wortes. Denn auch wenn es gerade ein Charakteristikum von Subkulturen ist, dass sie in Ruhe gelassen werden wollen, so sollte ihnen doch ein generelles Wohlwollen entgegen gebracht werden. Ein Signal sozusagen, von dem die Botschaft ausgeht: Bayreuth gehört allen.

Dann wären da noch die vielen Studenten.

Eine schier unerschöpfliche Quelle an Vielfalt und Ideen, die vom Campus abgeholt und in die Mitte der Stadt und in den Blick der Bürger gepflanzt werden wollen. Andernfalls bleibt in Bayreuth alles beim Alten. Dann läuft auch in Zukunft, was immer schon lief, nur eben nichts neues. Dann bleibt Bayreuth eine Stadt mit viel Kultur und wird doch nie eine richtige Kulturstadt.

Andererseits und so schließt sich der Kreis:

Kulturreferent in Bayreuth ist auch einer der schwersten Jobs. Auch Fabian Kern kam von außen, hatte eigentlich alles, was ein Kulturreferent braucht. Bis auf Personal und Etat. Erfolge konnte er, trotz denkbar schlechter Rahmenbedingungen, trotzdem vorweisen. Einer seiner größten ist die Verpflichtung der Berliner Philharmoniker für das Opernhaus. Ausgerechnet in der Kulturszene wird er dafür kritisiert. Denn das Geld, das ausgegeben wurde, hätten auch andere gern gehabt.

Und so ist der Job, der eigentlich ein Traumjob ist, in Bayreuth vor allem eines: ernüchternd. Und wer ihn bekommt, so steht zu befürchten, der wird bald gar nicht mehr wissen, wie schön eigentlich sein könnte, was er da macht.

Und das sagen die Stadträte dazu:

Seit zwei Wochen können die Stadträte Einblick nehmen die Bewerbungen der 130 Kandidaten um den Posten des Kulturreferenten. Der Kurier hat die Fraktionsvorsitzenden und die fraktionslose Stadträtin Christa Müller-Feuerstein gefragt: „Könnten Sie sich einen Bewerber schnitzen, wie sähe der aus? Was könnte der und was nicht? Wäre der alt oder jung? Mann oder Frau? Wo käme der her? Wo wollte der hin? Was hätte der vor? Persönlich, mit Bayreuth, mit der Kultur in dieser Stadt.“ Das sind die Antworten:

Christa Müller-Feuerstein (fraktionslos): Der neue Kulturreferent sollte ein „Tausendsassa“ sein. Vielseitig kulturell interessiert, belastungsfähig, kreativ und mutig, um auch Neues zu wagen. Kultur an sich muss ihm/ihr nicht nur Freude bereiten sondern schon eher „Berufung“ sein. Es geht um viel für Bayreuth. Die Aufgaben und Erwartungen sind umfangreich: Die Festspielstadt weiter voran bringen, die Stadt der Markgräfin Wilhelmine (mit dem Weltkulturerbe) mehr in den Fokus rücken und das neue Friedrichsforum mit Leben füllen. Es gilt nicht nur für das nationale und internationale Publikum interessante Angebote zu erstellen sondern auch für das Bayreuther und oberfränkische Publikum, das Kunst, Theater, Jazz und Kleinkunst genauso schätzt wie Open-Air-Veranstaltungen. Ob der neue Kulturreferent männlich oder weiblich ist, ist nicht ausschlaggebend. Wichtiger wäre eine Persönlichkeit mit hohen Ambitionen, kommunikativ und mit großem Organisationstalent. Ebenfalls ist nicht ausschlaggebend, woher er/sie kommt. Möglicherweise ist jedoch ein Blick von „außen“ auf unsere Stadt von Vorteil. Mit Erfahrung von anderen Kulturstätten, um neue Impulse in die Kulturstadt Bayreuth zu bringen.

Stephan Müller (BG): Er oder sie sollte wissen was eine Stadt als Veranstalter leisten kann und ein Profil für das Friedrichs-Forum entwickeln können. Er oder sie sollte eine Affinität für den Bereich der Subkultur haben sowie ehrenamtlichen Kulturschaffenden Wertschätzung entgegenbringen. Er oder sie sollte teamfähig sein und Erfahrung in Personalführung haben. Von Bedeutung ist zu dem Verhandlungsgeschick, wenn es darum geht, die Bespielung des Opernhauses mit der Schlösserverwaltung zu besprechen. Er oder sie sollte einen Bezug zu den Bayreuther Festspielen haben. Da der Bereich Kultur in Bayreuth untrennbar mit dem Bereich Tourismus verbunden ist, wäre es auch hilfreich, wenn er oder sie auch in diesem Bereich über Kompetenzen verfügen würde. Eine juristische Ausbildung ist nicht unbedingt notwendig. Wenn er oder sie bereits in diesem Bereich gearbeitet hat, wäre das gut.

Halil Tasdelen (stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD): Der neue Referent oder die neue Referentin sollte die Bayreuther Kulturszene kennen. Es schadet nicht, einen guten Kontakt zu möglichst vielen Kulturschaffenden zu pflegen. Er oder sie wird gern gesehener Gast bei den vielen Veranstaltungen sein, die Bayreuth jeden Tag zu bieten hat. Da braucht es neben einem möglichst breiten Interesse für Kultur schon etwas „Sitzfleisch“, um nach einem langen Arbeitstag auch noch bei einem Theaterstück oder einem Konzert gespannt zuzuhören und in den Pausen zu netzwerken. Der oder die Neue sollte die Bayreuther Kulturschaffenden noch stärker vernetzen. Kultur wird in unserer Stadt von vielen engagierten Bürgern gemacht. Der Kulturreferent muss dies wertschätzen. Er oder sie sollte auch eigene Ideen entwickeln, was die Stadt in ihrer Kulturarbeit erreichen kann. Zum Beispiel braucht es ein Konzept zur Verknüpfung der Museumspädagogik in den städtischen Museen, um Kinder und Jugendliche früh an Kultur heranzuführen.

Die Fraktionssprecher von CSU, Grünen und Junges Bayreuth, Stefan Specht, Sabine Steininger und Stefan Schuh, wollten sich auf Nachfrage nicht äußern. Alle drei verwiesen auf ein laufendes, nicht-öffentliches Personalauswahlverfahren. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und FDP/DU, Thomas Bauske und Thomas Hacker, ließen mehrere Anfragen unbeantwortet.

Bilder