Hartz-IV-Empfänger haust in städtischer Unterkunft ohne Dusche und Bad – Behörden weisen Kritik zurück Erst arbeitslos, dann obdachlos

Von Peter Engelbrecht
Hans-Jürgen Kögel lebt seit einem Monat in der Obdachlosenunterkunft. Foto: Harbach Foto: red

Ein Mann ist ganz unten angekommen: Erst arbeitslos, dann Hartz-IV- Empfänger und jetzt in der Obdachlosenunterkunft. Das ist die Geschichte von Hans-Jürgen Kögel aus Kulmbach. Der 60-Jährige ist angesichts seiner aussichtslosen Situation verzweifelt.

 
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Kulmbach, Negeleinstraße 16. In dem heruntergekommenen Backsteinhaus haust Kögel seit dem 8. Mai. Im Erdgeschoss verfügt er über ein Zimmer, Küche und Flur, 34 Quadratmeter sind das insgesamt. Er ist in der städtischen Obdachlosenunterkunft gelandet. Sein eigenes Schicksal schildert Kögel so: Seit 2001 arbeitslos, seit 2005 Hartz-IV. Der gelernte Heizungs- und Lüftungsbauer mit dem Abschluss eines Büromaschinenmechanikers war zuletzt Netzwerkadministrator. Seine Mankos sind die Herzkrankheit und sein Diabetes, er ist zu 50 Prozent schwerbehindert, kann laut Arzt nur sechs Stunden pro Tag arbeiten.

„Hier bin ich nicht menschenwürdig untergebracht“, klagt er beim Blick auf seinen heruntergekommenen Unterschlupf. Die Stadt Kulmbach hat ihm das Zimmer zugewiesen, die Toilette im Stil der 50er Jahre liegt im Treppenhaus. „Eine Katastrophe, ein Loch“, kommentiert er verbittert. Im Zimmer steht ein alter Holzofen, den er wegen Brandgefahr nicht beheizen will.

Sein Essen wärmt er sich aus Konservendosen auf dem heruntergekommenen Elektroherd neben der Küchenzeile. Die Waschmaschine gegenüber verfügt über keinen Anschluss. Eine Dusche oder eine Badewanne gibt es nicht. Seine einzige Waschgelegenheit ist der Warmwasserboiler über der Küchenzeile. Das Zimmer, die Küche und der Flur sind mit mehr als 30 Umzugskartons vollgestopft. „Mit meinen 60 Jahren bin ich entsorgungsreif“, meint er voller Sarkasmus. Eine Deckenlampe im Zimmer gibt es nicht, da die Leitung von anno dazumal nicht geerdet ist. Da die Jalousien zum Großteil kaputt sind, hat er die Fenster gegen neugierige Blicke mit einer Decke, einem Pappkarton und einer Abdeckplane verhängt. Deshalb ist das Zimmer sogar bei Sonnenschein verdunkelt. „Ich hätte nicht geglaubt, dass es in Deutschland so was gibt.“

Er will so schnell wie möglich raus, doch die Chancen, in Kulmbach eine angemessene Wohnung zu finden, sind nach seinen Erfahrungen gering. „Wenn die Leute dann noch hören, dass ich Hartz-IV-Empfänger bin, geht gar nichts mehr“, berichtet Kögel. Dem Kulmbacher Jobcenter wirft er vor, „durch eine Zahlungsverweigerung der vollständigen Wohnkosten“ für seine frühere Zwei-Zimmer-Wohnung die Zwangsräumung verursacht zu haben. Die Behörde handle „stets zum Nachteil von Bedürftigen“, um Kosten zu sparen. Das Zimmer in der Obdachlosenunterkunft entspreche nicht dem gesetzlich garantierten Anspruch auf eine menschenwürdige Wohnung.

Das Jobcenter weist die Vorwürfe zurück. Die Zwangsräumung sei eine Sache des Vermieters, die anschließende Unterbringung Sache der Stadt, sagt dessen Geschäftsführer Norbert Halbhuber. Die Mietehöhe, die vom Jobcenter für die frühere Wohnung gezahlt worden sei, sei durch die aktuelle Rechtsprechung bestätigt worden. Die Differenz zur tatsächlichen Miete müsse der Hartz-IV-Empfänger dann selbst übernehmen. Der Mieter habe schon länger gewusst, dass er die Differenz nicht zahlen könne und sich eine neue Unterkunft suchen müsse, meint Halbhuber.

Auch die Stadt Kulmbach weist die Kritik am Zustand der Unterkunft zurück. „Sie entspricht den sicherheitsrechtlichen Bestimmungen“, erklärt der geschäftsleitende Beamte Uwe Angermann. Die Unterkunft sei dazu da, Obdachlosen vor Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit zu bewahren. Und dies geschehe hier auch. Die Alternative wäre, auf der Straße zu stehen. Das Gesundheitsamt habe keine Bedenken gegen die Unterbringung vorgebracht. „Die Bewohner haben keinen Anspruch auf eine Dusche“, betont Angermann.

Kommentar: Wo bleibt die Menschenwürde?

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