Mobbing, Gewalt, sexuelle Nötigung: Grundschule Gefrees und Polizei gehen teils anonymen Vorwürfen nach Ermittlungen auf dem Schulhof

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Die vierte Klasse der Grundschule Gefrees stürmt den Pausenhof. Dort soll ein Schüler getreten und geschlagen worden sein. Konrektorin Lisa Huber (49) übersieht jede Ecke des kleinen Pausenhofs. Foto: Lapp Foto: red

Die Kriminalpolizei ermittelt auf dem Schulhof. Dort soll ein Junge von Mitschülern getreten und geschlagen worden sein. Die Grundschule Gefrees ist in Unruhe, denn zeitgleich gehen Lehrer und Schulamt den Vorwürfen eines anonymen Briefes nach. Darin geht es um behauptete Gewalt, Beleidigungen und sexuelle Nötigung.

 
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Frederic (10, Name geändert) kommt gerade von seiner neuen Schule. Er lacht, zeigt seine Spielsachen, will schnell Hausaufgaben machen. Die macht er erst wieder gern, seit seine Mutter (47) ihn von der Gefreeser Schule genommen hat. Zu viel sei vorgefallen, sagt sie. Frederic kam nach einem Umzug aus Oberbayern in die zweite Klasse. Er empfindet die Hänseleien der Schulkameraden als Mobbing („bayerisches Depperl“), hat Probleme mit der Lehrerin und wechselt in die Parallelklasse.

„Aber das Mobbing ging weiter“, sagt die Mutter, gelernte Betreuerin an Grund- und Hauptschulen, die Kinder hätten sich auf ihren Sohn „eingeschossen“. Ein Kinderpsychologe attestiert Frederic, völlig unauffällig zu sein. Im Januar kracht’s auf dem Schulhof. Die Kinder haben Star Wars gespielt, ein Junge schubst ihn, er landet auf den Knien, hält sich die Hände schützend vors Gesicht. Ein anderer Junge tritt ihn von hinten in die Kniekehle. So hat es Frederic dem Kurier berichtet. Der Vorwurf seiner Mutter: Die Lehrer hätten das gesehen – und nicht eingegriffen.

Frederic geht noch zum Schwimmen, danach bringt die Mutter den völlig aufgelösten Sohn ins Krankenhaus: Diagnose: Prellung am rechten Unterarm und in der linken Kniekehle. Es folgt eine Anzeige wegen Körperverletzung. Die Polizei ermittelt, bestätigt Polizeihauptkommissar Thomas Linke. Schulhofrangelei, Mobbing oder eine Straftat? Selbst wenn es „Täter“ gibt, eine Strafe haben sie nicht zu erwarten: zu jung.

Die polizeilichen Ermittlungen treffen Rektor Ulrich Zahn (47), der zusammen mit dem Schulamt versucht, den Vorwürfen in einem anonymen Schreiben nachzugehen, das seit über einem Jahr eingegangen ist. Dort ist von pöbelnden Lehrern die Rede, von gewalttätigen und mobbenden Schülern, von Tränen im Unterricht und von einer „sexuellen Gruppen-Nötigung“ im Pausenhof: „Ein Kind wird auf die Tischtennisplatte gedrückt und von hinten penetriert (angezogen).“ Der Schreiber nennt weder Namen noch Belege.

Die kann auch Rektor Zahn nach vielen Gesprächen mit Schülern nicht finden. Schreiben und Vorwürfe seien aus heiterem Himmel gekommen, sagt Elternbeiratsvorsitzende Susanne Schaller. Sie wundert sich darüber, dass die angeblich betroffenen Eltern nicht den normalen Weg über den Elternbeirat genommen hätten. Außerdem enthält das Schreiben inhaltliche Fehler, die den ehemaligen Rektor Manfred Riedel betreffen: Er ist weder strafversetzt – er wurde zum Schulverbunds-Leiter ernannt, noch sei er quasi aus der Gefreeser Schule geflüchtet. „Es gab eine richtige Amtsübergabe“, sagt Riedel. Bei den Akten seien auch Dokumente von Gesprächen über Frederic mit Eltern und Lehrern gewesen.

Seit Jahren läuft an der Gefreeser Schule wie an vielen anderen ein Programm, das Mobbing vermeiden soll. Die Lehrer beobachten die Kinder, wie sie in Unterricht und Pause miteinander umgehen. Schulpsychologe Peter Knapp: „Da sind wir sehr wach.“ Ein massiver Streit auf dem Pausenhof wäre aufgefallen, sagt Knapp. Gemobbte Kinder würden auch auffallen: Sie stünden am Rande, seien nicht integriert. Neben Frederic gebe es noch zwei angebliche Fälle von Mobbing, sagt Rektor Zahn. „Wir bleiben dran.“

Frederic beschreibt das Fallen und den Tritt als „ganz kurz“. Keiner der kindlichen Zeugen kann genau sagen, ob Lehrer und Hausmeister gerade in dem Augenblick geschaut haben oder nicht. Inzwischen haben Schüler zugegeben, dass etwas vorgefallen sei. Aber nicht so schlimm, wie es dargestellt worden sei, sagt Rektor Zahn. „Es bleiben Widersprüche.“ Und wer angefangen habe, sei auch nicht klar.

Das Bayreuther Schulamt will die Vorwürfe aufarbeiten. Schulrat Werner Lutz warnt vor Panikmache: „Wenn pädagogische Langzeitarbeit auf ein einziges Ereignis fokussiert wird, wird viel beschädigt.“

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