Zeitzeugen: Erinnerung an dunkle Stunden

Von Norbert Heimbeck
Erinnerten an die letzten Kriegstage in Bayreuth (von links): Friedrich Freiberger, Gustl Hacker, Kurier-Redakteur Udo Meixner, Rudolf Huttinger und Christoph Höreth. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Sie erinnern sich an finstere Stunden im Keller und an Tiefflieger über Bayreuth ebenso wie an abenteuerliche Spiele in den Nachkriegsruinen. Vier Bayreuther berichten vom Ende des Zweiten Weltkrieges in der Stadt. Der Kurier hatte unter dem Motto "70 Jahre Kriegsende" zum Zeitzeugen-Gespräch geladen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Gut 60 Zuhörer aller Altersgruppen haben sich in der Markgrafen-Buchhandlung eingefunden, um aus erster Hand vom Untergang des Tausendjährigen Reichs zu hören. Kurier-Chefredakteur Joachim Braun wertet das Interesse als gutes Zeichen, denn "wir müssen das Bewusstsein für Geschichte wecken." Auf dem Podium sitzen vier Männer, silberhaarig, hohe Stirn, tiefe Falten im Gesicht, man sieht ihnen an, dass sie etwas zu erzählen haben. Friedrich Freiberger und Rudolf Huttinger, beide Jahrgang 1938, sowie Gustl Hacker und Christoph Höreth, beide Jahrgang 1926, berichteten am Mittwochabend, kurz vor dem Volkstrauertag, von ihren Erinnerungen. Zwischen ihnen: Kurier-Redakteur Udo Meixner. In monatelanger Arbeit hat er Archivdaten und Zeugenaussagen zum Kriegsende 1945 zusammengetragen, die im Frühjahr 2015 in vier Sonderbeilagen erschienen sind. Inzwischen ist ein lesenswertes Buch daraus geworden.

Friedrich Freiberger wird im Haus Nummer 1 am Altbachplatz geboren, das ist die Gegend rund ums Rathaus. Er erlebt als Schulbub die Luftangriffe im April 1945 auf Bayreuth, verbringt die Stunden des Fliegeralarms im Loherkeller in der Kanalstraße: "Meine Kindheit war recht beschaulich, bis die Zeit kam, als Sirenen wegen der Luftangriffe zu heulen begannen." In einer Nacht im Luftschutzkeller "habe ich erstmals gespürt, was Todesangst ist. Das Licht flackerte, von der Decke bröselte es. Noch jahrelang habe ich nachts Fliegeralarm gehört," sagt er mit ruhiger Stimme.

Gustl Hacker wird 1926 geboren, muss 1944 zum Militär und wird im Februar 45 an der Ostfront schwer wundet, verliert das rechte Auge. Er erzählt von seiner Arbeit im Bayreuther Eisenwerk Hensel, berichtet davon, dass Kriegsgefangene aus Belgien besser behandelt wurden als Russen und kramt Anekdoten aus seiner Erinnerung, wie die Sache mit den kanadischen Soldaten, die am Schützengraben vorbeilaufen, ohne ihn und seine Kameraden zu bemerken. Richtig lachen kann darüber niemand.

Rudolf Huttinger ist 1938 im "Rose-Höfla" geboren, einem Anwesen an der Brandenburger Straße. Er berichtet gar von tagelangem Aufenthalt im Luftschutzkeller: "Wir haben da unten gehaust, bis die Amerikaner kamen. Ich war dann froh, wieder an der Sonne zu sein." Allerdings bleibt ihm der Schock nicht erspart, sein Zuhause als Ruine vorzufinden: "Der Dachstuhl saß direkt auf dem Mauerschutt. Ich habe mir vor allem Gedanken um meine Spielsachen gemacht, den Kaufladen und die Eisenbahn, die auf dem Dachboden gelagert waren."

Christoph Höreth ist ebenfalls Jahrgang 1926. Er will Lehrer werden, muss deshalb in die Hitlerjugend eintreten und wird 1944 zu den Gebirgsjägern eingezogen und nach Slowenien geschickt: "Dort war ich sieben Monate lang im Partisanen-Einsatz." Das Kriegsende erlebt er in Linz: "Am 8. Mai 1945 habe ich mein Gewehr gegen einen Baum geschlagen und danach nie wieder eines angefasst. Nicht einmal auf dem Volksfest," sagt er. Mit einem Trick entgeht er der Kriegsgefangenschaft, kommt nach mehreren Wochen endlich wieder nach Bayreuth: "Von 105 Mitschülern meines Jahrganges kommen nur 60 aus dem Krieg zurück."

Nach den vieren meldet sich Rudolf Wagner aus dem Publikum zu Wort. Er ist 1928 geboren, berichtet von den Luftangriffen auf Bayreuth: "Am 11. April habe ich sie ankommen sehen - über 125 Flieger, die Bayreuth bombardieren." Es muss ein fürchterlicher Anblick gewesen sein. Im Durcheinander der letzten Kriegstage wird der junge Rudi vom damaligen Oberbürgermeister Kempfler spontan zum Melder befördert, soll Befehle zur Polizei nach St. Georgen bringen und sieht dabei, wie Gauleiter Wächtler im Mercedes die Stadt verlässt.

Info: Das Buch "70 Jahre Kriegsende" von Udo Meixner ist im Buchhandel und in den Geschäftstellen des Nordbayerischen Kuriers erhältlich.

Eine Web-Reportage zu "70 Jahre Kriegsende" gibt es hier.

Bilder