Oliver Hirschbiegel spricht im Interview über seinen neuen Film „Elser – Er hätte die Welt verändert“ „Elser“-Regisseur Hirschbiegel: „Oscar bringt Unglück“

Von Heike Fauser

Georg Elser, sagt Regisseur Oliver Hirschbiegel (57), habe ihn immer fasziniert. Eine zündende Idee, wie sich die Geschichte des Hitler-Attentäters im Film spannend erzählen lasse, habe er dennoch nicht gehabt. Bis ihm das Drehbuch zu

 
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Herr Hirschbiegel, Sie haben „Ein gewöhnlicher Jude“ gedreht, danach folgte „Der Untergang“ und nun „Elser – Er hätte die Welt verändert“. Was fasziniert Sie am Dritten Reich?

Oliver Hirschbiegel: Ich hab' nicht wirklich ein Thema. Oder es ist mein Thema? Ich weiß es nicht. Ich mache die Sachen, die mich faszinieren und herausfordern.

 Sie hatten also nicht den Drang, einen weiteren Geschichtsfilm zu machen?

Hirschbiegel: Was ich gesehen habe war, die Möglichkeit einen Kommentar zum „Untergang“ zu liefern. Der Film wird ja von vielen heute noch kritisiert – lustigerweise aber nur in Deutschland.

Und wie lautet Ihr Kommentar?

Hirschbiegel: Ich wollte das Thema an der Wurzel anpacken. Fast 50 Prozent der Bevölkerung hatte damals für diese braunen Typen gestimmt. Das sind unsere Gene, das waren unsere Vorfahren - ob wir wollen oder nicht. Wir können nicht einfach den Kopf in den Sand stecken uns so tun, als wäre das alles nicht passiert. Meiner Einschätzung nach hätte so etwas auch nur in Deutschland stattfinden können. Wir sind halt ein radikales Volk.

Inwiefern?

Hirschbiegel: Ich meine das nicht unbedingt im schlechten Sinne. Aber Radikalität kann schnell in die negative Richtung schlagen. In „Elser“ wollte ich die Situation der 30er-Jahre so darstellen, wie man sie bislang noch nicht gesehen hat. Wie diese braune Bewegung in die ländliche Kultur reinkriecht, sie vereinnahmt und letztlich instrumentalisiert. Das ist radikal.

Es dauerte Jahre bis Georg Elser als Widerstandskämpfer anerkannt wurde.

Hirschbiegel: Es ist erfreulich, dass nun zu seinem Todestag, der sich dieses Jahr zum 70. Mal jährt, über ihn mehr geschrieben wird. Ich hoffe sehr, dass durch den Film seine Geschichte in das Bewusstsein der Menschen rückt. Und ich würde mir wünschen, dass er dahin kommt, wohin er gehört, nämlich mindestens neben Stauffenberg und Sophie Scholl. Ich finde sogar noch eine Stufe höher, denn Georg Elser war der Einzige, der das Unglück schon 1938 gesehen hat.

Bevor Sie das Drehbuch lasen, wussten Sie nicht, wie sich Elsers Biografie spannend erzählen lasst. Wo lag das Problem?

Hirschbiegel: Ich mag keine Biopics, die im Zweifel eine Geschichte einfach runter erzählen. Mich interessieren Figuren. Die geniale Idee dieses Drehbuches ist, sich über die Verhörprotokolle der Figur zu nähern, und sie über Rückblenden zu erklären. Das ist sehr clever gemacht, und damit hatten die mich ab der elften Seite des Buches. Ich wusste: Den Film will ich sehen. Und wenn ich einen Film bildlich vor Augen habe, kann ich ihn auch machen.

Nur wenigen ist Georg Elser ein Begriff. Sehen Sie den Film als Lehrstück?

Hirschbiegel: Lehrfilm klingt immer so langweilig. Es gibt eben ein paar Ausnahmemenschen, die stehen für eine Größe, die man sich schwer erklären kann, die haben eine gewisse Entschlossenheit, Mut und Zivilcourage und besitzen eine unwahrscheinliche Energie. Eine Energie, von der ich weiß, dass ich sie niemals aufbringen könnte. Dieser Aspekt war mir tatsächlich wichtig.

War es Ihnen auch wichtig zu zeigen, wie Georg Elser in den Verhörszenen bestialisch gefoltert wird?

Hirschbiegel: Ja. Es geht darum zu zeigen, was dieses Unrechtssystem  bedeutet. Nämlich, dass sämtliche Menschenrechte ausgeschaltet werden, dass es keinerlei Form von Recht und Schutz mehr gibt. Und es geht auch darum, sich die Frage zu stellen, was ist Folter überhaupt? Folter als Mittel ist die absolute Perversion! Folter bedeutet, einem das zuzufügen, was wir einem Tier nie zufügen würden. Wir würden doch niemals einen Hund oder eine Katze auf ein Bett schnallen und sie so lange peitschen, bis sie bluten. Und ich bin auch der Meinung, dass meine Regie-Kollegen in der Darstellung von Folter in der Filmgeschichte nicht immer ehrlich waren. Es gibt ganz wenige realistische Beispiele.

Wo zum Beispiel?

Hirschbiegel: „Marathon Man“ ist so einer. Da gibt es eine ganz berühmte Szene, in der die Hauptfigur mit einem Zahnbohrer gequält wird. Richtig heftig, aber da begreife ich, was das für ein Schmerz ist, welche Perversion dahinter steckt. Ich denke, wir haben als Regisseure auch die Verantwortung, Dinge so darzustellen, wie sie sich abgespielt haben.

Als der Kurier die Dreharbeiten in Weidenberg im September vergangenen Jahres besuchte, wirkte es am Set sehr harmonisch. Ist Ihnen gute Stimmung wichtig?

Hirschbiegel: Ich hör' das immer von allen. Jeder Regisseur geht anders mit seinen Leuten um. Interessanterweise höre ich immer mal wieder ganz erstaunliche Geschichten von Kollegen, die am Set herumschreien.

Dominik Graf gilt als nicht gerade einfach.

Hirschbiegel: Aber der liebt seine Schauspieler genauso wie ich meine liebe. Wie der mit der Crew umgeht, weiß ich nicht. Ich hab' halt gerne eine gute Grundstimmung. Und offenbar stell ich das ganz gut her. In Weidenberg hat ja fast der halbe Ort mitgemacht. Das war geil.

Was war für Sie die größte Herausforderung: Die letzten Tage Hitlers zu inszenieren oder Georg Elser?

Hirschbiegel: Beides. Die Herausforderung war, die Filme nicht wie aus der Mottenkiste aussehen zu lassen. Ich wollte das Publikum Teil werden lassen - Kinoerlebnis eben. Was mir ja beim „Untergang“ massiv vorgeworfen wurde.

Weil Sie unterhalten wollten.

Hirschbiegel: Ich wurde kritisiert, weil sich das so nicht gehört. Man müsste solche Filme dokumentarisch, kommentierend erzählen und die Figuren nicht als Menschen abbilden. Das ist aber nicht meine Idee von Kino. Kino ist eine andere Welt, in die man eintaucht.

Vor „Elser“ hatten Sie seit 2005 keine deutsche Produktion mehr gemacht. Wird es nun wieder fast zehn Jahre dauern, bis Sie einen deutschen Film machen?

Hirschbiegel: Keine Ahnung. Mein nächstes Projekt – das ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern – ist eine englische Produktion, spielt aber in Deutschland. Es handelt sich um ein Familiendrama um 1973 in Ost- und West-Berlin.

„Der Untergang“ war 2005 als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert. Ist eine Nominierung auch Ihr Ziel für „Elser“?

Hirschbiegel: Ich mache Filme fürs Publikum und nicht, um Preise zu gewinnen. Auszeichnungen sind eine Draufgabe. Und ich habe in meinem Leben schon viele Preise geschossen. Ich finde, dass ein Oscar Unglück bringt.

Warum?

Hirschbiegel: Statistisch bringt er einfach kein Glück. Das sehe ich bei vielen meiner Kollegen. Ich nehme gerne noch mal eine Nominierung mit, aber ich möchte den Oscar nicht wirklich haben.

Info: Der Film „Elser – Er hätte die Welt verändert“ startet ab 9. April in den Kinos, exakt an jenem Tag, an dem Georg Elser vor 70 Jahren im Konzentrationslager Dachhau kurz vor der Befreiung von SS-Leuten erschossen wurde.