Kulmbacher in Australien

Von Rainer Unger
australien Foto: red

Von Kroatien über Kulmbach nach Australien: Elisabeth Wrobel hat in ihrem Leben an vielen Orten gelebt. Vergessen hat sie sie nicht. Derzeit befindet sich die rüstige Dame zusammen mit ihrer Schwiegertochter Bonny auf Stippvisite in Kulmbach. Von dort war sie am 11. Juni 1957 mit Ehemann und drei Kindern nach Australien ausgewandert.

 
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Die 83-Jährige besuchte in den vergangenen Wochen ihre Brüder Paul und Josef Schieber und traf auch Zunftstubenwirt Marcus Schulz, der sie vor vier Jahren in Australien kennengelernt hatte. Beide wohnen bei Elisabeth Wrobels Schwester Maria Vierthaler und deren Familie in Kulmbach.

Die im heutigen Kroatien geborene Elisabeth Wrobel kam in den Kriegswirren des Zweiten Weltkriegs mit ihrer Mutter und den beiden Brüdern Paul und Toni über verschiedene Stationen im Oktober 1944 als zwölfjähriges Mädchen nach Seidenhof, wo sie in einem Flüchtlingslager untergebracht wurden. „Als ich dreizehneinhalb Jahre alt war, habe ich angefangen, in einer Porzellanfabrik in der Nähe von Creußen zu arbeiten, wo ich die folgenden fünf Jahre beschäftigt war“, erinnert sie sich. Während der Woche war sie in einem Zimmer untergebracht. Nach dem Ende der Tätigkeit kehrte sie ins Flüchtlingslager Seidenhof zurück, wo sie den aus Breslau stammenden Walter Wrobel kennen- und lieben lernte und im Jahr 1952 heiratete.

Länder werben auf Plakaten um Auswanderer

1953 kam Sohn Karl-Heinz zur Welt, jeweils ein Jahr später Sohn Wilfried und Tochter Lieselotte. „Es war damals eine schlimme Zeit. Es gab keine Arbeit und keine Wohnung. Wir haben zu fünft in einem Zimmer in Seidenhof gelebt. Schließlich fand mein Mann eine Arbeit im Rheinland, kam dadurch aber nur alle paar Monate nach Seidenhof zurück“, erzählt Elisabeth Wrobel.

Im Kulmbacher Arbeitsamt entdeckten sie Plakate, auf denen Kanada und Australien um arbeitswillige Auswanderer warben. Sie füllten die Bewerbungsunterlagen aus und erhielten drei Wochen später einen positiven Bescheid für Australien. Mit der Bahn ging es nach Bremerhaven. „Von dort sind wir mir einer alten Kriegsmaschine losgeflogen. Wir waren 75 Leute an Bord, darunter 25 Kinder. In Arabien mussten wir notlanden. Wir sind drei Meter vor dem Meer sehr holperig und unsanft aufgesetzt. Das war ganz schön knapp“, denkt sie an die dramatische, gefährliche Situation zurück.

Drei Wochen lang saß die Familie danach in einem Hotel fest, bis aus Amerika Ersatzteile für das Flugzeug geliefert wurden. Kaum in der Luft, wartete bereits die nächste Notlandung auf die Passagiere. „Es gab ein ungemein starkes Gewitter und wir mussten in Bombay in Indien wieder runter“, erzählt Elisabeth Wrobel. Nach einem Tag Aufenthalt ging es weiter und die Familie war froh, dass sie ohne weitere Schwierigkeiten bis nach Darwin in Australien gelangte. Sie kam in ein großes Lager bei Sidney, in dem 15 000 Einwanderer untergebracht waren. „Wir mussten zunächst ein Jahr lang in die Schule und Englisch lernen. Verpflegung und Unterkunft hat der Staat gezahlt.“

Nach einem Jahr durfte das Ehepaar schließlich arbeiten und nahm alles an, was es bekommen konnte. „Ich habe mal als Näherin gearbeitet, mal als Köchin, mal in einer Spinnerei. Mein Mann hat Wassertanks für die Bauern gebaut, Betonfundamente errichtet und vieles mehr“, berichtet sie. Als sie erfuhren, dass es in Deutschland wieder genug zu arbeiten gibt, wollten sie eigentlich zurückkehren, doch das Geld reichte nicht für den Rückflug. Bruder Toni kam extra in das Land, um die Familie zurückzuholen, doch gefiel es ihm auf dem fünften Kontinent dermaßen gut, dass er da blieb.

Schließlich kaufte sich das Ehepaar in Lavington bei Albury in New South Wales ein kleines Holzhaus. „Wir hatten zunächst kein Licht, keinen Strom und kein Wasser“, beschreibt Elisabeth Wrobel die Zeit. Innerhalb eines Jahres statteten sie das Gebäude mit dem Notwendigsten aus. Durch fleißige Arbeit kamen sie in den folgenden Jahren zu einem gewissen Wohlstand. Heute hat Elisabeth Wrobel, deren Ehemann vor 21 Jahren verstarb, neben ihrer eigenen noch vier weitere Wohnungen, die sie vermietet. Sie ist stolz auf ihre fünf Kinder – in Australien kamen noch Tochter Karin und Sohn Michael zur Welt – sowie ihre zwölf Enkel und 21 Urenkel.

„Als ich 2011 geplant habe, nach Australien zu reisen, hat mir Katharina Depser, die bei uns in der Zunftstube gearbeitet hat, gesagt, dass ihre Tante in Australien Wohnungen vermietet“, erzählt Marcus Schulz. Nach mehreren Telefonaten war alles vorbereitet. Als er am 20. April 2012 in Australien ankam, holte ihn Elisabeth Wrobel ab. Während seines zehnmonatigen Aufenthalts in Australien, in dem er unter anderem in einem Restaurant in Brisbane arbeitete, um sich fortzubilden und Geld zu verdienen, verbrachte er 15 Wochen in Lavington. In der Zeit absolvierten sie miteinander diverse Ausflüge.

Am 20. Juli kam Elisabeth Wrobel zu ihrem fünften Besuch mit Schwiegertochter Bonny in Deutschland an. „Ich habe mich fast 17 Jahre nicht mehr getraut zu fliegen nach den beiden Notlandungen, aber alle haben mir damals gesagt, dass das Fliegen sicherer geworden ist“, erinnert sie sich.

„Die Schifffahrt nach Budapest war wunderschön“

Im Schnitt alle zehn Jahre reiste sie in der Folge nach Deutschland. „Als ich vor sechs Wochen ankam, habe ich gedacht, das ist ein Wetter wie bei uns im Winter“, schildert sie ihren ersten Eindruck. „Ich habe meinen Bruder Paul, der bei den Büttnern dabei ist, und meinen Bruder Josef, der erst nach unserer Auswanderung zur Welt kam, besucht. Mit Bonny habe ich eine Schifffahrt von Passau nach Budapest und zurück gemacht. Das war wunderschön und es hat alles herrlich geklappt“, berichtet sie. Eine weitere Fahrt führte in den Spreewald. Bonny Wrobel machte sich mit dem Zug auf den Weg, um sich Rothenburg ob der Tauber anzusehen.

Bonny Wrobel ist das erste Mal in Deutschland. Sie ist begeistert von den vielen alten Gebäuden und den historischen Städten, dem guten fränkischen Essen, das sie allerdings schon von ihrer Schwiegermutter her kennt, von den leckeren Bieren und davon, dass hier alles viel billiger sei als in Australien. „Ich bin froh, dass ich mitgekommen bin“, sagt sie. Beide wohnen bei Elisabeths Schwester Maria Vierthaler und ihrer Familie in Kulmbach. Bis zu ihrem Abflug wollen es sich die beiden Australierinnen noch gut gehen lassen und vielleicht noch den einen oder anderen Ausflug unternehmen.

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