Eine Karajan in fünf Rollen

Von Susanne Will
Isabel Karajan auf dem Weg, ihre Figuren in der Geschichte des Soldaten eskalieren zu lassen. Foto: Wolfgang Lienbacher Foto: red

Weg vom bombastischen Musiktheater des 19. Jahrhunderts, hin zum Wesentlichen: Das wollte Igor Strawinsky, als er um 1910 herum in der Schweiz mit dem Librettisten Charles Ferdinand Ramuz an der „Geschichte vom Soldaten“ arbeitete. Es war nicht nur der Drang nach künstlerischer Veränderung, es waren auch die damaligen Begleiterscheinung in Form von Erstem Weltkrieg und russischer Revolution, durch die die Verbindung in Stravinskys Heimat abbrach. Seine Idee: ein Musiktheater, das spontan auch auf Jahrmärkten oder in Scheunen spielbar sein soll. In Bayreuth wird es am 5. Mai die Panzerhalle sein. Eine freut sich besonders darauf: Hauptdarstellerin Isabel Karajan (55). Ja, sie ist die Tochter. Und vor allem eine grandiose Schauspielerin.

 
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Ich schäme mich ein wenig. Wenn ich Ihr Gesicht beispielsweise im „Tatort“ sehe, schalte ich nicht um. Sie sind Garant für Qualität. Und dennoch gehören Sie zu den Schauspielern, deren Namen man nicht präsent hat.

Isabel Karajan: Das freut mich.

Tatsächlich?

Karajan: Ja, mittlerweile macht mich das glücklich. Man möchte doch immer, dass es um einen selben geht und nicht um den großen Namen.

"Ich bin kein Anfänger mehr"

Da dürfte die Zeit für Sie gespielt haben, in der Sie in Hamburg, Wien, an der Schaubühne in Berlin oder an den Münchner Kammerspielen auf der Bühne  standen.

Karajan: Das stimmt, es ist ja nun einige Jahre her und ich bin kein Anfänger mehr.

Wer Sie einmal spielen gesehen hat, gewinnt den Eindruck, Sie wären nie einer gewesen. Mit Regisseur Klaus Ortner zimmern Sie auch noch Musik-Theaterprojekte, wie eben „Die Geschichte des Soldaten“ in Bayreuth.

Karajan: Ja, erst am vergangenen Sonntag hatten wir Premiere von Leonard Bernsteins „Candide“ in Hamburg.

Wie war’s?

Karajan: Sehr schön. Die Leute sind von Anfang an mitgegangen, ich bin glücklich. Danach ging es nach Gosslar, nun Bayreuth.

Ein Stück für jeden Jahrmarkt

Ein Leben auf der Überholspur?

Karajan: Ja, momentan schon. Aber das ist gut so. Ich freue mich sehr auf Bayreuth – und auf die Zusammenarbeit mit den Bamberger Symphonikern.

Das Orchester in der „Geschichte des Soldaten“ ist auf sieben Musiker der Symphoniker reduziert. Und Sie spielen fünf Rollen gleichzeitig: Sie erzählen, sind der Teufel, der Soldat, die Prinzessin, der König. Wie bitteschön funktioniert das?

Karajan: Stravinsky hat das neue Genre aus der Not heraus und während des Krieges geschaffen, mit sehr wenigen Musikern und großartiger Musik. Er wollte ja, dass das Stück sofort auch auf jedem Jahrmarkt spielbar sein kann. Jetzt haben wir die Reduktion noch weiter reduziert, in dem ich alle Rollen übernehme. Unsere Grundidee ist: Wir sind eine kleine Tourneetruppe, die lange über die Lande zieht und plötzlich fallen die anderen Schauspieler weg. Da sagt eine der Künstlerinnen – also ich -: Egal, das mach ich jetzt alleine. Und dann liest sie. Und eigentlich entwickelt sich daraus eine eskalierende Lesung einer Schauspielerin, die dann in die verschiedenen Rollen schlüpft. Ich sage nur: Hinkommen, anschauen!

Das klingt nach purer Anstrengung für Sie.

Karajan: Nun, ich muss schnell von einer Sache in die andere springen und dort jede Person bis zur Eskalation treiben. Das macht Spaß! Und es ist die Art von Musiktheater, die Stravinskys Idee entspricht, mehr noch, wir treiben die Idee weiter. Da kann ich nur sagen: Leute, kommt, schaut es euch an, abwarten, ob wir es schaffen, euch mit auf die Reise zu nehmen.

Quelle: youtube

Waren Sie vorher schon mal in Bayreuth? Vielleicht haben Sie mal Ihren Vater begleitet?

Karajan: Ich muss gestehen: Wegen Wagner war ich nicht hier. Aber ich habe mir kürzlich diese grandiose Panzerhalle angesehen. Fantastisch, ein wunderbarer Ort, gerade für dieses Stück, das ja nicht unbedingt einen Konzertsaal braucht – ich freue mich sehr darauf. Der Ort wirkt so improvisiert, wie das Stück gedacht ist. Wie Theater halt so ist: Ich setze mir eine Krone auf den Kopf und bin ein König, Schauspieler ziehen in die Panzerhalle und plötzlich wird aus ihr ein Konzertsaal.

Info:

„Die Geschichte vom Soldaten“: Ein junger Soldat ist auf dem Weg von der Front nach Hause. Ihm begegnet ein Mann, der seine Geige möchte. Der Soldat tauscht das Instrument gegen ein Zauberbuch, das in die Zukunft sehen kann. Es verhilft ihm zu viel Geld. Aber zu spät erkennt er, dass er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat. Er verliert seine Familie, wird reich, aber unglücklich, weil ihn niemand liebt. Da erkrankt die Tochter eines Königs und der verspricht: Wer sie heilt, bekommt sie zur Frau. Der Soldat trifft den Teufel wieder, das einzige, was der Prinzessin helfen kann, ist das Spiel der Geige. Bei einem Kartenspiel säuft er den Belzebub unter den Tisch und hat die Geige wieder. Er heilt die Prinzessin, doch das ist noch nicht das Ende.

Mayra Budagjan (Violine), Luuk Godwaldt (Kontrabass), Alexei Tkachuk (Fagott), Christoph Müller (Klarinette), Lutz Randow (Trompete), Aneglos Kritikos (Posaune) und Jens Herz (Schlagzeug) von den Bamberger Symphonikern  begleiten Isabel Karajan bei ihrer Eskalation der Figuren.

Die Musica Bayreuth bietet einen kostenlosen Shuttle-Service von der Wilhelminenstraße (Abfahrt 18.45 Uhr) zur Panzerhalle und zurück an. Beginn ist um 19.30 Uhr, Tickets: 32/23 Euro.