"Gulduaah" statt "Kultur": Wie die Schauspielerin Angélique Verdel in Franken heimisch wurde Eine Holländerin in Hollfeld

Von Christophe Braun
Angélique Verdel (47) leitet die Vorbereitungen zum Stationentheaterstück, mit dem die Aufseßer des 900-jährige Bestehen ihres Ortes feiern wollen. „Es ist toll, zu sehen, wie weit wir gekommen sind“, sagt sie. Foto: Köpplinger Foto: red

Angélique Verdel, Ensemblemitglied beim Fränkischen Theatersommer, leitet die Proben zum Aufseßer Jubiläumstheaterstück am 20. Juli. Dass die joviale Holländerin in Franken heimisch geworden ist, hat sie einem Zufall zu verdanken. Und der Oma ihrer Mitbewohnerin.

 
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Was macht den Menschen zum Franken? Ganz einfach, sagt Angélique Verdel: der Unterkiefer. Den müsse man bloß ganz weit nach vorn schieben. „Schau“, sagt sie und macht es am Beispiel des Wortes „Kultur“ vor – dumpf, langsam und weich: „Gulduaah.“ Keine Frage: Ihr Fränkisch ist einwandfrei.

Nun ist Angélique Verdel keine gebürtige Fränkin, sondern Holländerin. Die Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin lebt aber seit geraumer Zeit in der Region. Und ist aus der fränkischen Theaterszene längst nicht mehr wegzudenken. Seit Anfang des Jahres leitet die 47-Jährige die Vorbereitungen zum Stationentheaterstück, mit dem die Aufseßer ihr 900-jähriges Jubiläum begehen werden (siehe unten). Grund genug für einen Besuch.

Verdel wohnt im fünften Stock einer ehemaligen Brauerei im Herzen Hollfelds. Im Erdgeschoss haben eine Töpferin und ein Bildhauer ihre Ateliers eingerichtet, gegenüber wohnen zwei Kinderbuchautorinnen. Die Bilder an den Wänden hat sie gemalt, den Jazz, der in der Anlage läuft, hat sie selbst eingesungen.

Was hat sie nach Franken verschlagen? Verdel grinst, verdreht die Augen, winkt ab: Lange Geschichte. Die Kurzfassung: Holland, Berlin, Brasilien, Berlin – Nürnberg. In die mittelfränkische Stadt kam sie Anfang der Neunziger mit ihrer damaligen Berliner Mitbewohnerin. Die hatte ein kleines Kind und wollte bloß für ein paar Tage ihre Oma besuchen. Verdel dagegen hatte die Nase voll von Berlin, kam spontan mit – und ist seither nicht mehr fortgegangen.

Ob sie sich an ihren ersten Eindruck von Nürnberg erinnern kann? Sie seufzt. „Es war sooo schön!“ Und erzählt von Christkindlmarkt und Schnee, von Fachwerkhäusern und von einem Posaunenchor. Aber so, wie sie es sagt, merkt man gleich: Da kommt noch was. „Die Mentalität“ – sie zögert, fährt sich mit den Fingern durchs kastanienrote Haar, grinst – „ist, sagen wir: ein bisschen kompliziert. Holländer und Berliner sind viel extrovertierter. Das war in Franken anders. Wenn ich die Leute angelächelt habe, haben die bloß grimmig geguckt und gefragt: Kennen wir uns?“

Die Frankimilation der Angélique Verdel dauerte dann ein paar Monate. „Aber die Leute hier, das sind dann Kumpels fürs Leben geworden. Das ist der große Unterschied zu Berlin, wo alles ein bisschen schneller ging, aber dafür auch oberflächlicher war“, sagt sie.

Mittlerweile ist Verdel festes Ensemblemitglied beim Fränkischen Theatersommer, wirkt in zahlreichen Produktionen in der Region mit. Ihr Steckenpferd ist das Laientheater. Das Schöne daran sei, dass man die Zuschauer regelrecht überraschen könne: „Wenn ich sage: Wir werden dann auch ein Lied singen und tanzen, dann winken die meisten Leute ab. Und nach einer Weile tanzen und singen sie dann eben doch und machen Sachen, von denen sie gar nicht wussten, dass sie das können.“

In Aufseß probt Verdel seit Anfang des Jahres mit (inzwischen) mehr als vierzig Darstellern das Theaterstück, mit dem die Dörfler das 900. Jubiläum ihrer Gemeinde feiern wollen. Sie ist begeistert vom Engagement ihrer Laiendarsteller: „Mit denen kann man ziemlich weit gehen.“ Sie singen und tanzen nicht nur, sie feilen an ihren Texten, bringen eigene Vorschläge ein – und besorgen, wenn nötig, auch ein paar Showpferde. „Es ist toll, zu sehen, wie weit wir in den Monaten gekommen sind“, sagt die Frau, die selbst ziemlich weit gekommen ist.

Das Stationentheaterstück zum 900-jährigen Jubiläum der Gemeinde Aufseß wird am Sonntag, 20. Juli, ab 14 Uhr aufgeführt. Los geht’s am Dorfplatz.