Eine Eiche stört im Wohngebiet

Von Adriane Lochner
Sie wirft Schatten und im Herbst viel Laub ab: Anwohner wünschen sich, dass die Eiche vor einem Mehrfamilienhaus in Altdrossenfeld gefällt wird. Doch sie steht unter Schutz. Foto: Adriane Lochner Foto: red

Mit einem Durchmesser von 1,50 Meter und einem Alter von 200 Jahren ist sie der älteste Baum Altdrossenfelds. Doch die Eiche steht sehr nahe an einem Mehrfamilienwohnhaus: Blätter und Eicheln verstopfen die Dachrinne, die unteren Balkone bekommen kaum Sonne. Deshalb soll die Eiche weg.

 
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Weder die Hausverwaltung noch einzelne Eigentümer möchten sich trotz Nachfrage zum Thema äußern. Die Gemeinde Neudrossenfeld bestätigte gestern auf Anfrage, dass ein Antrag eingegangen sei, den Baum zu fällen. Dieser werde voraussichtlich in der nächsten Sitzung behandelt. Vom Landratsamt sei eine Stellungnahme dazu angefordert worden.

"Die Eiche ist kerngesund"

Für Kreisgartenbaufachberater Friedhelm Haun sind Beschwerden kein Einzelfall. Mehrmals im Monat spricht ihn eine Gemeinde wegen solcher „Problembäume“ an. Auch nach Altdrossenfeld wurde er eingeladen, um zu prüfen, ob es einen Grund für die Fällung gebe. Für Haun ist die Sachlage klar: „Der Baum ist kerngesund. Außerdem war die Eiche zuerst da.“ Warum das Haus in den 1990er Jahren überhaupt so nahe an den Baum gebaut wurde, sei ihm nicht klar. Haun zufolge gilt es einen Mindestabstand einzuhalten: Bei einem Obstbaum etwa sechs Meter, bei 20 Meter großen Eichen oder Linden noch viel mehr. Feste Richtwerte gebe es dafür nicht, "nur Erfahrungswerte". Die Eiche in Altdrossenfeld sei "kein Naturdenkmal", aber sie sei aufgund baurechtlicher Vorgaben geschützt.

Bebauungsplan stuft Eiche als schützenswert ein

Der Neudrossenfelder Bürgermeister Harald Hübner sagt dazu: „Im Bebauungsplan des Grundstücks ist die Eiche als zu erhaltender Baum eingetragen.“ Denn die Eiche gilt als "ortsbildprägende". Der Eintrag könne nur durch eine mehrheitliche Entscheidung im Gemeinderat geändert werden, so Hübner. Eine Baumschutzverordnung wie es sie seit 1994 in Kulmbach gibt, hat Neudrossenfeld nicht. Im Kulmbacher Stadtgebiet sind alle Bäume - außer Nadel- und Obstbäume - geschützt, die einen Stammumfang von mehr als 80 Zentimetern in 1,30 Metern Höhe über dem Erdboden haben. Ohne Genehmigung der Stadt darf man diese Bäumen weder entfernen, zerstören oder verändern.

Rückzugsort für Vögel und Eichhörnchen

Einer der Hausbewohner in Altdrossenfeld ist Gemeinderat Mike Kühnert. Er und seine Frau wohnen seit 14 Jahren als Mieter in dem Wohnhaus, vor dem die Eiche steht. Kühnert sagt: „In der Dachwohnung sind wir froh über den Baum. Er spendet Schatten und nimmt die Sommerhitze weg.“ Außerdem sei im Blattwerk der Krone immer genügend Unterhaltungsprogramm geboten: In den Ästen brüten Wildtauben und am Stamm tummeln sich Kleiber, Specht und Eichhörnchen. Der Gemeinderat würde die Eiche gerne erhalten.

Befall durch Eichenprozessionsspinner

Das sehen anscheinend nicht alle in der Eigentümergemeinschaft so. Denn vor kurzem brachten die Eigentümer des Mehrfamilienwohnhauses ein neues Thema auf den Tisch: den Eichen-Prozessionsspinner. Die Schmetterlingsraupen sind Schädlinge, die vornehmlich Eichen befallen. Ihre Brennhaare lösen beim Menschen starke Hautreizungen und Atembeschwerden aus. Vor diesem Hintergrund sei eine erneute Fällung beantragt worden. Kreisfachberater Haun stellte jedoch nur einen geringen Befall fest. Die Nester dürften sich problemlos entfernen lassen, lautet seine Einschätzung.

Nester können abgesaugt werden

Fachagrarwirt Danny Fischer, seit 14 Jahren Inhaber einer Baumpflegefirma, hat bereits reichlich Erfahrung mit dem Eichen-Prozessionsspinner gesammelt.  „An der Altdrossenfelder Eiche sind nur wenige 2-Euro-Stück große, verlassene Kokons", beurteilt er die Schwere des Befalls. "Die kann man absaugen für etwa 300- bis 400 Euro.“ Da sich die Nester unterhalb der Astgabeln befinden, könne man künftig vom Boden aus möglichen Schädlingsbefall kontrollieren. Und dazu müsse es nicht zwangsläufig kommen.

„Für mich sind Problembäume solche Bäume, die umsturzgefährdet sind, zum Beispiel durch Wind oder Schneebruch oder Wurzelschaden", sagt Fischer. "Mehrmals im Monat kommt es vor, dass ein kerngesunder Baum gefällt werden soll, nur weil er Dreck macht.“ Über das Verhalten mancher Gartenbesitzer schüttelt Fischer den Kopf. „Wenn der Baum gefällt ist, stellen die Leute ein Sonnensegel auf. Dabei absorbieren Bäume mehr als 20 Prozent der UV-Strahlung.“

Eichen können 1000 Jahre alt werden

Als Baumpfleger sei man häufig im Zwiespalt. Denn viele Menschen hätten vergessen, dass Bäume Unmengen an Sauerstoff produzieren. Eichen können 1000 Jahre alt werden, die in Altdrossenfeld wird möglicherweise das Wohnhaus überleben. Fischer sagt es wäre schade um den schönen Baum. Alternativen zur Fällung seien ein Kronenrückschnitt für mehr Licht und das Entfernen von Totholz, um Sturmschäden zu vermeiden.

Recht auf Laubfreiheit gibt es nicht

Die Neudrossenfelder Gemeinde hat sich mit der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt in Verbindung gesetzt. Dort ist Hans-Jürgen Pohl zuständig, der eine ähnliche Ansicht wie Baumpfleger Fischer vertritt. Ihm zufolge ist ein Raupenbefall kein Fällungsgrund, auch ein Recht auf Laubfreiheit oder Schattenfreiheit für die Anwohner gebe es nicht. Da allerdings in Neudrossenfeld eine Baumschutzverordnung fehle, liege die endgültige Entscheidung beim Gemeinderat.

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