Ein Wunder, das die Menschen eint

Von Michael Weiser

Weihnachten ist ein christliches Fest – seine Geschichte von Flucht und Vertreibung aber geht alle Menschen an. In einem Bayreuther Theaterprojekt erzählten junge Flüchtlinge die Geschichte neu.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Am Nachmittag war noch die Polizei da. Irgendjemand wollte den Attentäter von Berlin in der Gegend gesehen haben, ein Irrtum, aber die Beamten mussten nachsehen. Und ihr Besuch brachte noch mal Unruhe in die kleine Theatergruppe, die am Berufsbildungszentrum bfz an der Eduard-Bayerlein-Straße probte.

Es kann doch nicht glatt laufen

Nun aber läuft so weit alles. Die Flucht, die Suche nach der Herberge. Alles nicht so einfach, aber – es läuft. Bis Maria und Josef eine Herberge gefunden haben. Und nun: das Kind. Deniz Köse und Cathleen Haymann wühlen in einem Haufen Stoff. Theatertherapeut Klaus Wührl beobachtet die Szene und kichert leise: „Die Cathleen findet das Kind nicht.“ Nicht weiter schlimm, es ist halt eine Weihnachtsgeschichte mit Hindernissen. Weil die Weihnachtsgeschichte letztlich auch nur eine Fluchtgeschichte ist, passt es sogar ganz gut, wenn es nicht glatt läuft.

Wer weiß, was die Zukunft bringt?

Im bfz haben sich Sandra Burzer von der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration und der Theatertherapeut Klaus Wührl zusammengetan. Sie lassen Menschen spielen, die wissen, was Flucht ist. Wenn die Worte nicht reichen, dann teilen sie sich mit Gesten und Mimik mit. Zu den Schauspielern zählt Abdulrahman Othman. Er ist 19 Jahre alt, stammt aus Somalia. „Dort haben wir kein Weihnachten.“ Er hat das Fest später kennengelernt, als er in der syrischen Hauptstadt Damaskus lebte. Das mit dem Theater, „das hat Spaß gemacht“. Er blickt zur Seite, lächelt unsicher, letztlich geht’s ihm wie der Familie, die bei den Christen „die heilige“ heißt: Wer weiß schon, wohin es einen verschlägt?

Stühle als Denkmal

Dreizehn Stühle der vorderen Reihe bleiben leer, für die zwölf Toten des Anschlags von Berlin, für den Afghanen, der zuletzt noch mitspielte und vor einigen Tagen abgeschoben wurde. Dahinter sitzen junge und alte Menschen, Einheimische und Neu-Bayreuther, bunt gemischt. Sie werden Zeuge der Weihnachtsgeschichte anno 2016. Es wird improvisiert. Eigentlich hätte die junge Emawayesh Ale aus Äthiopien die Maria spielen sollen. Aber sie war zu schüchtern. Nun gehört sie zu den Menschen, die Josef und Maria begegnen. Mal feindselig, mal freundlich. Ab und zu greifen sie zu bunten Schleiern, schlagen Wellen mit dem Tuch. Damit symbolisieren sie Wind und Weite, Zeit und Strecke: Dann reist die heilige Familie. Hassan Hosseini und Ismail Zadran stammen aus Afghanistan. Ismail tut sich schwer, Hassan redet einfach mal drauf los. Im Stück ist er mal Herbergsvater und sagt: „Aber Platz ist nur im Stall.“

Mehr Kontakt zu den Menschen

Eine Notunterkunft für die heilige Familie. Dort finden Deniz und Cathleen endlich das Kind – ein oranges Tuchbündel. Man wird später weiterziehen müssen, auf der Flucht vor Herodes. Aber es wird alles gut werden, zumindest an diesem Abend. Man flieht, man kommt an. Und dann geschieht ein Wunder, das alle Menschheit eint.

So einfach ist das auf der Bühne. Und weil für einen Moment vielleicht sogar die Schauspieler daran glauben oder zumindest daran denken, wie das sein könnte, berührt es die Zuschauer.

Beifall. Danach gibt es Walnüsse, Mandarinen, Kekse, Süßigkeiten. Abdulrahman Othman erlebt sein zweites Weihnachten in Bayreuth. Er äußert einen Wunsch: dass er bleiben kann. Und: Im Unterricht sitze er fast ausschließlich mit Flüchtlingen beisammen. „Doch wir hätten so gern Kontakt zu den Leuten hier.“