Münchner Historiker will ein unbekanntes Bild des Nürnbergers entdeckt haben Ein neuer Krimi um Dürer

Von Michael Weiser
Der Münchner Historiker Rudolf Reiser will in Regensburg ein Gemälde von Albrecht Dürer entdeckt haben. Foto: Michael Weiser Foto: red

Riesensensation oder Riesenblamage? Der Münchner Historiker Rudolf Reiser will in Regensburg ein Gemälde von Albrecht Dürer entdeckt haben und präsentiert seinen Fund als Selbstbildnis des Nürnberger Meisters. Reiser führt überraschende Belege an - und kann doch längst nicht alle Zweifel ausräumen. Wo bleiben die Gutachten? Reiser winkt ab. Und schimpft auf Experten.

 
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Es ist ein Kunstkrimi, mit den Zutaten, die eine spannende Geschichte braucht: mit einem so mysteriösen wie sensationellen Fund sowie der Besessenheit und dem Willen eines Mannes, der unkonventionell forscht. Und der auch den Konflikt mit Politik und Experten nicht scheut: einer gegen das Kartell.

Also, man schreibt das Jahr des Herrn 2007, und der Wissenschaftsredakteur Rudolf Reiser ist in die Bischofsstadt Regensburg gekommen, um im Depot des Historischen Museums ein bestimmtes Bild zu finden. Er findet etwas anderes, in seinen Augen viel wichtigeres: eine Reihe Renaissancegemälde, unter denen sich - dieser Verdacht wird ihm im Laufe der Jahre zur Gewissheit - sieben Gemälde von Albrecht Altdorfer und eines von Albrecht Dürer befinden. Mehr noch: in Reisers Augen ist es ein Selbstportrait Dürers mit sehr intimen Anspielungen.

Neun Jahre nach seiner Entdeckung steht Reiser in einem Saal des ehemaligen Minoritenklosters in Regensburg  und präsentiert seine Sensation, die nur dann eine Sensation ist, wenn sie echt ist. Das Bild kann toll gemalt sein wie es will. Doch wenn es kein Dürer ist, dann ist es nur der Stoff, aus dem die ganz großen Blamagen sind. Man sieht: Gebäude, einen Torbogen. Darunter fünf Menschen: die heiligen drei Könige und, rechts am Rand, eine hübsche blonde Maria. Sie hält ein Jesuskind, das mit verschmitztem Blick in eine als Geschenk dargereichte Truhe schaut, als zählte es die Münzen darin.

 Und wo ist nun der Meister selbst? "Es ist der Mohrenkönig", sagt Reiser.

 Die Indizien dafür sieht er in Details, die sich teilweise wiederum durch die Korrespondenz Dürers aus Venedig erklären. Der Mohrenkönig trägt an einem Finger drei Ringe. Und Seiler verweist auf die Briefstelle, in der Dürer von drei Ringen berichtet, die er in Venedig vom Honorar für Bilder erstanden habe. Der Mohr steht zentral unter dem Torbogen, die Position wirkt, wenn man so will, wie ein verschlüsselter Hinweis des Nürnberger Meistermalers, dessen Familie tatsächlich aus einem ungarischen Dorf stammte, dessen Name übersetzt Tür bedeutet. Den Mohr führte Dürer zusammen mit einer Tür im Wappen. Hinter dem Tor ragt ein Turm auf - Seiler behauptet recht überzeugend, es sei der Sinwellturm an der Nürnberger Burg.

Dürer und die Prostituierten

In einer anderen Briefstelle berichtet Dürer von bangen Tagen nach dem Sex. Er fürchte sich "vor den Franczosen", schreibt er an Spezl Willibald Pirckheimer. Was Dürer damit meinte, war die "französische Krankheit", die Syphilis, mit der er sich bei einer seiner zahlreichen Besuche bei Kurtisanen angesteckt zu haben meinte. Eine der  Frauen, mit der Dürer verkehrt hatte, meint Reiser in der gutaussehenden Maria identifiziert zu haben: das blonde Haar von keinem Tuch verdeckt, mit einem Dekolleté versehen, in dessen Muster sich die Buchstaben A und D verbergen, dazwischen das Bild einer Tür. Das alles kann man tatsächlich erkennen. So ungefähr, jedenfalls; man kann es aber auch für Kringel halten.

Kampf mit den Experten

Dann präsentiert Seiler seine weiteren Entdeckungen aus dem Depot. Und wirkt schon wie schon zuvor so eifrig wie ein Missionar. "Das ist ein Altdorfer", sagt er so feurig wie brüsk. "Da muss man nicht rumreden oder untersuchen." Seiler hat an diesem Vormittag öfter schon davon gesprochen, wie die bornierte Regensburger Kulturpolitik und ebenso bornierte Experten aus Nürnberg ihm Knüppel zwischen die Beine geworfen hätten. Untersuchungen habe er auch deswegen nicht in Auftrag gegeben, weil er "hier nicht der Chef" sei. Und weil er überhaupt nicht mit Experten reden wolle - wegen des Neides und der Missgunst in dieser Szene.

Im Regensburger Kulturreferenten Klemens Unger hat er seinen Lieblingsfeind gefunden. Der ist zwar nicht zu dem Termin erschienen, ist aber zuvor per Telefon zu erreichen gewesen. Und hat dem Kurier gegenüber zu verstehen gegeben, dass er genervt sei - unter anderem, weil die Bilder ohne vorangegangene wissenschaftiche Untersuchungen als Meistergemälde präsentiert werden.

Dürer? Wirklich Dürer?

Die Altarbilder, die Seiler unter dem Etikett "Altdorfer" präsentiert, sind von hoher  Qualität, seine Argumente einleuchtend. Statt nur einfach der "Donauschule" oder dem "Umfeld Altdorfer" zugerechnet zu werden, könnten sie tatsächlich vom Meister der "Alexanderschlacht" stammen. Doch Dürer als Mohr, mit einer heiligen Kurtisane als Gegenüber? Seiler ruft erneut den Maler selbst in den Zeugenstand.  Dürer habe von einem Bild mit einer hübschen Maria geschrieben, "desgleichen ich noch nie gemacht hab".

Was nun, wenn er's überhaupt nie gemacht hat, der Dürer das Bild im Historischen Museum? Wäre dann das Haus nicht blamiert? Chef Peter Germann-Bauer sieht sein Museum nur am Anfang eines Prozesses: "Wir betrachten die Dürer-Urheberschaft vorerst auch nur als These."

Info: Die Ausstellung mit Renaissancebildern womöglich von Dürer und Altdorfer und einer Kreuzigung von Wolf Huber ist die nächsten vier Wochen im Historischen Museum am Dachauplatz in Regensburg zu sehen. Eine garantiert echte Dürer-Kopie ist derzeit in der Küffner-Ausstellung im Fränkische Schweiz-Museum in Tüchersfeld zu besichtigen.

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