Der 20-jährige Kurzbahn-Profi wollte eigentlich gar nicht Schwimmer werden Bayreuther Florian Vogel auf dem Weg zu Olympia 2016

Von
Ein echter Senkrechtstarter: Der Bayreuther Schwimmer Florian Vogel ist auf dem Sprung zu Olympia 2016 in Rio. Foto: imago Foto: red

Florian Vogel aus Bayreuth schlug im vergangenen November bei den deutschen Kurzbahn-Meisterschaften in Wuppertal nach 800 Metern Freistil als Erster an. Es war nicht nur der erste nationale Titel für den 20-Jährigen, er war in 7:35,76 Minuten auch gerade Weltjahresbestzeit geschwommen. Nur 53 Hundertstelsekunden fehlten ihm zum deutschen Rekord. Nun sind die Olympischen Spiele ein klares Ziel. Dabei wollte Vogel eigentlich gar nicht Schwimmer werden.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Eine Sporttasche auf der Treppe – das ist alles. Kein Medaillenschrank, keine Pokalsammlung, nicht einmal ein Jubelfoto an der Wand. Nichts deutet daraufhin, dass aus diesem Bayreuther Haus einer der hoffnungsvollsten deutschen Schwimmer stammt. „Bei Oma könnte die Goldene von der DM liegen“, sagt Florian Vogel und verschwindet kurz. Nur wenig später blickt er auf die Medaille in seiner Hand. „Das war schon ein echtes Traumrennen. Wohl das beste meiner bisherigen Karriere. Ich bin aus dem Wasser gestiegen und war mit Glücksgefühlen abgefüllt.“

Im vergangenen November schlug der 20-Jährige bei den deutschen Kurzbahn-Meisterschaften in Wuppertal nach 800 Metern Freistil als Erster an. Es war nicht nur sein erster nationaler Titel, er war in 7:35,76 Minuten auch gerade Weltjahresbestzeit geschwommen. Nur 53 Hundertstelsekunden fehlten ihm zum deutschen Rekord, den das deutsche Schwimmidol Paul Biedermann sechs Jahre zuvor – noch in den mittlerweile verbotenen Hightech-Schwimmanzügen – erzielt hatte. Vogel war endgültig in der nationalen Spitze angekommen. Und dorthin führten ihn ein steiniger Weg und einige Zufälle.

Schwimmer wollte Vogel eigentlich nicht werden. „Mit Schwimmen hatten wir nicht viel am Hut“, sagt Florians Mutter Birgit Vogel. „Als er klein war, waren wir zwar oft im Schwimmbad des SV Bayreuth, aber nicht zum Planschen.“ Stundenlang beobachtete ihr Sohn die Wasserspringer. Also machte er mit dreieinhalb Jahren sein Seepferdchen – die Grundvoraussetzung, um am Training teilzunehmen – und war fortan Feuer und Flamme fürs Wasserspringen. Doch das Talent fehlte. „Ich bin einmal richtig böse aus fünf Metern auf dem Bauch geklatscht“, erinnert sich Vogel. Ein Bauchklatscher mit Folgen: Er ebnete den Weg in die Schwimmkarriere. Denn Wasserspringen war nun abgehakt, auf der Suche nach einer neuen Sportart begleitete der Zehnjährige seinen jüngeren Bruder Sebastian ins Schwimmtraining – und entdeckte seine neue Leidenschaft.

Doch bereits sechs Jahre später hing die Karriere wieder am seidenen Faden. Die Schwimmabteilung des SVB war im Umbruch, Vogel stand kurz vor seinem Abschluss an der Johannes-Kepler-Realschule und vor der Entscheidung, wie ernsthaft er seinen Sport betreiben will. Er wechselte zur SSG Erlangen und war dort sehr erfolgreich. Aber nicht glücklich. Viermal die Woche brachten ihn seine Eltern zu den Trainingseinheiten nach Erlangen, warteten dort dreieinhalb Stunden und fuhren anschließend zurück nach Bayreuth. Eine Belastung, die Familie Vogel an die Grenzen brachte. In Vogel reifte der Gedanke, den Leistungssport zu beenden und das Abitur zu machen. „Hätte er sich in diesem Jahr nicht für die Jugend-EM qualifiziert, würde er wohl heute nicht mehr schwimmen“, schätzt Birgit Vogel die damalige Situation ihres Sohnes ein. Dieser Erfolg ließ ihn an seine Chance glauben und brachte so eine weitere einschneidende Veränderung. Gerade 17 geworden, zog Florian Vogel aus dem Elternhaus in Bayreuth aus und wechselte ans Isar-Sportgymnasium nach München. Einzige Bezugsperson dort war sein Trainer Olaf Bünde, der einige Monate zuvor den SV Bayreuth verlassen und seine Zelte ebenfalls in der Landeshauptstadt aufgeschlagen hatte. „Eine wirklich harte Zeit für uns alle“, sagen Mutter und Sohn einstimmig. Heimweh auf der einen, Vermissen auf der anderen Seite. Zwölf Monate dauerte es, bis Florian Vogel sich endgültig in München heimisch fühlte. Eine einjährige Umstellungsphase, die auch sein Leistungsvermögen hemmte.

Doch diese Zeit hat auch seinen Charakter reifen lassen. Er weiß jetzt, was es heißt, dem Sport alles andere unterzuordnen. Er weiß jetzt, was es heißt, Verzicht zu üben. Er weiß jetzt, dass er bei privaten Dingen öfter Nein sagen muss. Aber er weiß auch, wie schön es ist, nach Hause zu kommen. „München ist Sport, Bayreuth ist Familie“, sagt seine Mutter. „Wir tragen seinen Weg voll mit, solange es ihm dabei gut geht. Aber er soll bei uns auch mal abschalten können.“ Auch dieser Rückhalt erlaubte es Florian Vogel, sich voll auf den Sport zu fokussieren. Seit seinem 17. Lebensjahr trainiert er sechs Tage in der Woche, schwimmt wöchentlich 50 Kilometer, hinzu kommen Kraft- und Ausdauereinheiten. Er verbesserte sich zunächst langsam, bis sich die Geduld auszahlte und 2014 die Leistungsexplosion kam. „Olympia ist jetzt nicht nur ein verschwommenes Ziel am Horizont. Ich habe Rio klar vor Augen.“

Das belegen nicht nur seine Starts bei der Langbahn-Europameisterschaft in Berlin und der Kurzbahn-Weltmeisterschaft in Doha im vergangenen Jahr. Gerade trainiert Vogel in Halle mit einer Trainingsgruppe um Paul Biedermann für ein Staffelprojekt des Deutschen Schwimmverbandes im Hinblick auf die 4 x 200 Meter Freistil-Staffel in Rio. „Im Freistil-Bereich ist die Leistungsdichte in Deutschland extrem hoch. Es gibt acht bis zehn Schwimmer, die auf einen Platz in der Königsstaffel hoffen. Aber ich will zu den besten Vier gehören.“

Deshalb wird er sein gerade erst angefangenes Studium – wie seine Eltern will der 20-Jährige Bauingenieur werden – in den kommenden beiden Semestern auf Eis legen. Er will sich voll auf den Sport konzentrieren, will die Trainingsumfänge steigern, mehr Kraft aufbauen. „Wenn ich mir jetzt nicht die Zeit nehme, meinen Olympia-Traum zu verwirklichen, würde ich mich später wahnsinnig ärgern.“ Bis Rio sind es noch anderthalb Jahre – und der Weg nach Brasilien führt über Russland. In Kasan finden Ende Juli die Weltmeisterschaften statt. Schafft Vogel die Qualifikation für diese Titelkämpfe, wäre das ein wichtiges Signal in Richtung Rio.

Autor

Bilder