Troschenreuther Pflegemutter contra Tierhilfe Franken Ein Hund zwischen zwei Frauen

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Mischlingshündin Juni macht langsam Fortschritte. Mittlerweile lässt sie sich anfassen. Foto: Frauke Engelbrecht Foto: red

Es geht beiden Frauen um das Wohl des gleichen Hundes und doch kämpfen sie auf zwei verschiedenen Seiten. Carmen Baur, Vorsitzende der Tierhilfe Franken, mit Sitz in Betzenstein, steht gestern Nachmittag vor der verschlossenen Gartentür von Renate Holmes in Troschenreuth. Baur will den Pflegehund Juni wie angekündigt abholen. Holmes verweigert dies, öffnet nicht. Baur wird aufgefordert, das Grundstück zu verlassen.

 
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Rückblick: Als Juni im April 2013 ins Tierhilfehaus nach Betzenstein kommt, hat sie schon viel Schlimmes mit ihren damals fünf Jahren erlebt. Der braungestromerte Mischling war über eine andere Tierschutzorganisation aus Spanien gekommen und seinen neuen Besitzern übergeben worden. In Spanien hatte sie kein gutes Leben, wurde häufig in verschiedene Zwinger untergebracht. Bei einer Pause in der Fränkischen Schweiz, auf dem Heimweg, gelang es Juni auszubrechen. Zwölf Tage streunte sie herum, bis sie mit einer Lebendfalle durch die Tierhilfe Franken gefangen werden konnte und im Tierhilfehaus untergebracht wurde. Der eigentliche Besitzer hatte seine Bereitschaft, sie zu nehmen, zurückgezogen.

Sie ließ sich nicht anfassen

Renate Holmes, die ehrenamtlich im Büro der Tierhilfe tätig war sagt: „Juni war von Anfang an auffällig, hat niemanden an sich herangelassen, ließ sich nicht anfassen.“ Sie suchte permanent nach einem geschützten Raum, den es im Tierhilfehaus aber nicht gab, da im Büro ständig die Personen wechselten. „Sie wurde immer apathischer und dicker, weil jeder ihr etwas zu fressen zugesteckt hat“, so Holmes weiter. Anfangs war das Fressen die einzige Möglichkeit, sie etwas zu locken.

Sie habe dann der Tierhilfevorsitzenden Carmen Baur angeboten, Juni zu sich nach Hause zu nehmen, sie zu betreuen. Holmes hatte bereits zwei Hunde. Im November 2013 zog Juni dann in Troschenreuth ein. Zu dieser Zeit habe sie schon mit einer speziellen Hundetrainerin aus München in Kontakt gestanden, die ihr immer wieder Tipps für den richtigen Umgang mit der Hündin gegeben hat. Im Übernahmevertrag war klar geregelt, dass es bei Holmes nur eine Pflegestelle ist und der Verein Besitzer des Hundes bleibt. Kosten für Futter und Tierarzt trage ebenfalls die Tierhilfe. Mündlich wurde besprochen, dass Juni auch für immer bleiben könnte. In den nächsten Monaten macht Juni langsam Fortschritte. Sie erweitert ihren Radius, jede Fliese, jeder Teppich und auch der Garten wird Stück für Stück als sicher eingestuft. Zu den beiden anderen Hunden nimmt sie keinen Kontakt auf, zeigt extrem autistische Züge, verlässt das Grundstück nie. „Für Juni ist es am wichtigsten, dass sie jederzeit wieder ins Haus zurück kann“, sagt Holmes. Mittlerweile lasse sie sich anfassen, streicheln, bürsten, nimmt Kontakt zu Holmes auf, lässt sich auch ein Halsband anlegen.

In München einen Therapieplatz gebucht

Ende Mai will Carmen Baur ein Gespräch mit ihr. Um was es dabei geht, habe sie nicht gesagt. Der Termin kommt aber nicht zustande, es gibt wohl Differenzen, die nicht ausgeräumt werden können. Schließlich kommt ein Schreiben der Tierhilfe mit der Aufforderung, den Hund herauszugeben. Als Termin wird der gestrige Donnerstag gesetzt. Als Grund wird genannt, dass die Fortschritte, die Juni macht, zu langsam sind, sich etwas grundlegend ändern müsse. Später erfährt Holmes, dass in München bereits ein Therapieplatz für Juni gebucht ist.

Holmes hat sich inzwischen einen Anwalt genommen, nachdem ihr die Tierhilfe gerichtliche Schritte angedroht hat, falls sie den Hund nicht rausgibt. „Mir geht es ganz allein um das Wohl von Juni“, betont Holmes, „ich will keinen Zeitdruck oder ihr Gewalt antun.“ Es sei doch egal, wie lange es dauert, bis Juni an der Leine geht. „Sie aus ihrer vertrauten Umgebung wieder rauszureißen, wäre ein Verbrechen an dem Hund“, macht die Troschenreutherin deutlich, „ich werde für Juni kämpfen.“

Juni eine Chance geben

Ähnlich formuliert es auch Carmen Baur auf Kurier-Nachfrage. Ja, Juni soll zu der Hundetrainerin in München, das war schon von Anfang an der Plan. Sie habe sich dann aber von Holmes überreden lassen. Warum solle der Verein Kosten für eine Therapie übernehmen, wenn man das auch selber machen könne, sei das Argument gewesen. „Ich bin Frau Holmes dankbar, dass sie so viel Zeit und Mühe investiert hat“, so Baur, „aber wenn man an seine Grenzen kommt, muss ein anderer Weg beschritten werden. Wir müssen Juni eine Chance geben.“ Sicher sei es ein Stressfaktor, den Hund jetzt da rauszuholen, aber die Aussicht auf einen positiven Verlauf der Therapie überwiege. Sie habe schon zu lange gewartet, sagt die Vorsitzende. Es gehe ihr nicht ums Recht haben, sondern darum, Juni eine Chance zu geben.

Gestern Nachmittag war sie nun mit ihrem Mann in Troschenreuth und wollte Juni abholen. „Frau Holmes wollte nicht mit mir sprechen, ich sollte das Grundstück verlassen“, erzählt sie dann am Telefon. Knapp zwei Stunden hat sie vor dem Haus gewartet und gehofft. Wie geht es nun weiter? „Ich werde rechtliche Schritte einleiten, es bleibt mir ja nichts anderes übrig.“

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