39 Tote bei Anschlag in Istanbul

Selbstmordattentäter haben eines der wichtigsten Drehkreuze des internationalen Luftverkehrs ins Visier genommen und dabei Dutzende Menschen getötet. Mindestens 39 Menschen starben, als die drei Täter am Dienstagabend am Istanbuler Atatürk-Flughafen um sich schossen und sich dann selbst in die Luft sprengten, wie die türkische Regierung mitteilte. Sie vermutete die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hinter dem Anschlag.

 
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Ministerpräsident Binali Yildirim schilderte bei einem Besuch am Anschlagsort den Hergang der Ereignisse: Die drei Attentäter seien mit dem Taxi am Flughafen angekommen, hätten Maschinengewehre gezogen und um sich geschossen. Danach hätten sie sich selbst in die Luft gesprengt. Unter den Opfern seien auch Ausländer.

Keine Hinweise auf deutsche Opfer

Dem Auswärtigen Amt in Berlin lagen nach Angaben einer Sprecherin keine Hinweise auf deutsche Opfer vor. Justizminister Bekir Bozdag gab die Zahl der Verletzten in der Nacht mit 147 an.

Filmaufnahmen von Überwachungskameras dokumentierten dramatische Szenen: Die im türkischen Fernsehen ausgestrahlten Aufnahmen zeigten einen der Attentäter, der im Terminalgebäude zu Boden ging - offenbar getroffen vom Schuss eines Polizisten. Am Boden liegend zündete der Attentäter einen Sprengsatz.

Massiver Feuerball am Eingang

Die Bilder einer anderen Kamera zeigten einen massiven Feuerball am Eingang zu dem Terminal; die Detonation ließ Flughafenbesucher in Panik davonlaufen. An dem Gebäude entstand beträchtlicher Sachschaden. Der Flugverkehr wurde nach dem Anschlag zeitweise ausgesetzt.

Die Augenzeugin Oftah Mohammed Abdullah berichtete gegenüber AFP, der Attentäter habe plötzlich eine Waffe aus der Jacke gezogen. "Dann hat er angefangen, auf Leute zu schießen." Dabei sei er mit Ruhe vorgegangen: Er sei "wie ein Prophet" durch die Halle gelaufen, sagte Abdullah.

Indizien weisen auf Islamischen Staat hin

Regierungschef Yildirim sagte, die Indizien deuteten auf eine Drahtzieherschaft der IS-Miliz hin. Zu Herkunft und Identität der Attentäter machte er zunächst keine Angaben. Eine Bekennernachricht lag zunächst nicht vor. Die türkische Behörden vermuten den IS hinter mindestens fünf Attentaten in der Türkei; die Miliz bekannte sich bislang zu keiner dieser Taten.

Erdogan fordert gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus

Präsident Recep Tayyip Erdogan rief die internationale Gemeinschaft zu einem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus auf. In einer in der Nacht veröffentlichten Erklärung des Präsidenten hieß es: "Wenn es den Staaten und der Menschheit insgesamt nicht gelingt, ihre Kräfte zu bündeln und einen gemeinsamen Kampf gegen Terrorgruppen zu führen, dann werden all die Szenarien, vor denen wir uns fürchten, eines Tages Wirklichkeit werden."

Erdogan rief "insbesondere die Staaten des Westens" auf, "eine harte Haltung gegen den Terror einzunehmen". Die Türkei werde "ihren Kampf gegen den Terror bis zum Ende führen", auch wenn sie dafür einen "hohen Preis" zu zahlen habe.

Reisende sollen Veranstalter kontaktieren

International wurde der Anschlag einhellig verurteilt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich "entsetzt" über die Nachrichten aus Istanbul. "Noch sind die Hintergründe unklar, aber alles deutet darauf hin, dass Terroristen erneut in der türkischen Metropole zugeschlagen haben." Ähnliche Äußerungen kamen von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Frankreichs Präsident François Hollande und der US-Regierung.

Die Konsulate der USA und Frankreichs in Istanbul riefen ihre Bürger auf, dem Flughafen zunächst fernzubleiben. Das Auswärtige Amt riet deutschen Reisenden in Istanbul, Kontakt zu ihrem Reiseveranstalter aufzunehmen und die Berichterstattung in den Medien zu verfolgen.

Der Flughafen von Istanbul ist mit einem jährlichen Passagieraufkommen von rund 60 Millionen Menschen der elftgrößte der Welt. Er ist ein wichtiges Drehkreuz für den interkontinentalen Luftverkehr zwischen Europa, Asien und Afrika.

Chaos im Flugverkehr

Mittlerweile ist der Luftverkehr wieder aufgenommen worden. Erste Flüge von Turkish Airlines landeten am frühen Morgen. Der Sender CNN Türk berichtete, Reisende könnten inzwischen auch wieder ins Terminal. Der Angriff sorgt allerdings für ein massives Chaos im Flugverkehr.

Am Mittwoch gehen keine Flüge von Berlin-Tegel nach Istanbul. Dies sagte Flughafensprecher Lars Wagner der Deutschen Presse-Agentur. Ob es Flüge von Istanbul nach Tegel geben werde, ist laut Wagner ebenfalls noch unklar.

Auch eine am Dienstagabend mit 209 Passagieren und dem Ziel Istanbul von Berlin-Tegel aus eine Stunde verspätet gestartete Maschine der Turkish Airlines erreichte ihr Ziel nicht. Ursprünglich hieß es, sie solle nach Ankara umgeleitet werden. Laut Wagner kehrte die Maschine dann aber über der Slowakei um und flog zurück nach Tegel.

Turkish Airlines strich für Mittwoch mehr als 340 Flüge. Die Airline bot allen Reisenden mit Buchungen von oder nach Atatürk Airport an, die Flüge kostenlos umzubuchen oder zu stornieren. In der Nacht waren etliche ratlose Reisende vor dem Flughafen gestrandet, die vor den Terrorangriffen aus dem Terminal geflohen waren.

Nach dem Angriff hatte Ministerpräsident Binali Yildirim den Flughafen den Flughafen für landende und startende Flüge wieder für geöffnet erklärt.

An den New Yorker Flughäfen sind als Folge des Anschlags in Istanbul die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden. Schwer bewaffnete zusätzliche Sicherheitsteams würden deutlich sichtbar an den Flughäfen La Guardia und John F. Kennedy sowie Newark im Nachbarbundesstaat New Jersey patrouillieren, teilte die zuständige Behörde Port Authority am Dienstag (Ortszeit) mit. Zuvor hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA sämtliche Flüge nach Istanbul gestrichen. Auch Flüge aus Istanbul in die USA waren von der Maßnahme betroffen.

afp/dpa

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