Jochen Bergmann im Interview: Wie der Drogenpräventionsbeauftragte der Kripo junge Leute vor dem „Gift“ bewahren will Drogen als Unfall auf der Suche nach Glück

Von Manfred Scherer
Jochen Bergmann, der neue Drogenpräventionsbeauftragte der Bayreuther Kriminalpolizei vor seinem Terminkalender. Dort ist eingetragen, in welcher Schule der Region er wann Unterricht hält Foto: Manfred Scherer Foto: red

Ein junger Mann, der das Leben liebt, versucht andere junge Leute über die Gefahren des Drogenmissbrauchs aufzuklären. Jochen Bergmann, der neue Drogenpräventionsbeauftragte der Bayreuther Kripo sagt im Interview, man müsse vermeiden auf der Jagd nach Glück die falsche Ausfahrt zu nehmen.

 
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Gummibärchen oder Zigaretten? Bratwürste oder Bier?

Jochen Bergmann: Tatsächlich lieber Gummibärchen. Und für gute fränkische Bratwürste lasse ich gerne das Bier stehen.

Hat ein Drogenpräventionsbeamter nicht irgendwie eine „Droge“, die ihn richtig glücklich macht?

Bergmann: Ich habe die Droge „Leben“. Ich habe Spaß am Leben. Ich lebe gerne, ich verstehe gerne auch das Leben und das Drumherum. Ich ziehe viel Kraft aus der Familie. Meine kleine persönliche Leidenschaft ist das Essen. Ich koche gern und ich esse das, was ich koche, auch sehr gern. Das gestehe ich.

Wie entstand ihr Wunsch, Drogenpräventionsbeauftragter der Kripo zu werden?

Bergmann: Während meiner Zeit bei der PI Kulmbach war ich als Jugendkontaktbeamter tätig. Hier habe mich dem Thema Internet- und Gewaltprävention angenommen. Durch diese Arbeit lernte ich auch meinen Vorgänger, Peter Stenglein, kennen. Aus Neugierde an seinen Vorträgen bin ich auch punktuell mitgegangen und habe einfach mal zugehört. Dabei habe ich dann festgestellt, dass das, was er da sagte, sich sehr gut mit meinen polizeilichen Feststellungen deckte. Das Thema Sucht ist ja allgegenwärtig und wirklich äußerst vielfältig. Für mich war klar - das Nebenamt Jugendkontaktbeamter ist toll, aber das Hauptamt Drogenpräventionsbeamter ist ein für mich lohnenswertes Ziel.

Bevor sie den Posten als Drogenpräventionsbeamter übernommen haben, hatten sie als Polizist Kontakt mit Drogensüchtigen, Drogenkranken? Hatten Sie Todesfälle in der Drogenszene?

Bergmann: Ich hatte mit vielen Fällen zu tun, in denen Menschen infolge von Drogenmissbrauch massive Nachteile erleiden mussten und manche sogar daran gestorben sind. Bis vor einigen Jahren gab es ja sinkende Zahlen in der Statistik der Drogentoten. Aber das liegt nicht am zurückgegangenen Konsum, sondern an der verbesserten medizinischen Notfallversorgung. Doch leider ist dieser Trend rückläufig, da die umlaufenden Substanzen immer reiner und stärker werden. Als Jugendkontaktbeamter in Kulmbach hatte ich auch immer wieder mit schwer straffälligen Jugendlichen zu tun, wo immer wieder das Thema Alkoholismus – auch in der Familie – und auch das Thema Cannabis im Fokus stand. Weiter habe ich auch eine Ausbildung als Suchtberater bei der Polizei gemacht und im Rahmen dieser Ausbildung in einer Suchtklinik hospitiert. Hier habe ich viele Eindrücke über die Krankheit Sucht machen dürfen. Spannend war auch die Frage des „Warums?“

Wonach fragt die Frage nach dem „Warum“?

Bergmann: Die Frage „Warum werden Menschen süchtig“ stellen sich viele Menschen. Ich bin dieser Frage hinterhergejagt und habe für mich diese Antwort gefunden: Sucht ist immer ein Unfall auf der Suche nach Glück. Menschen biegen falsch ab, nehmen die falsche Ausfahrt, Menschen versuchen Ihre Probleme auszublenden und wollen im Alltag einfach nur glücklich sein. Dabei merken sie oft nicht, wie sie sich selbst und ihre Umwelt verlieren und dabei eine Sucht entwickeln. Meine Kernbotschaften in den Unterrichten in den Schulen sind: Süchtig werde ich, indem ich es nicht merke und das schlimme an der ganzen Sache ist: Süchtig bleibe ich ein Leben lang. Ich kann nur lernen, ohne einen bestimmten Stoff klar zu kommen. Das Suchtgedächtnis, die berühmte Festplatte, die läuft immer - ist sozusagen „nur“ im Standby.

Wie überzeugen sie junge Leute davon, dass Drogenkonsum nicht gesund ist.

Bergmann: Der Hauptfokus liegt auf der achten und neunten Jahrgangsstufe, 13-, 14, 15-Jährige. Das ist die Zielgruppe, an die wollen wir ran. Die stehen vor der großen Frage: Wer will ich sein? Möchte ich sein wie Mama und Papa? Wohl eher nicht. Möchte ich sein wie irgendein cooler Star aus der Medienwelt, aus der Internetwelt? Oder so wie der coole Typ aus der Oberstufe, der mir jeden Tag erzählt, dass er irgendwelche spannenden Dinge erlebt hat am Wochenende? Man will dazugehören, in einer Gruppe sein. Diese jungen Leute versuche ich mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten, in der entscheidenden Situation die richtigen Dinge zu tun oder zu sagen. Bei meinen Vorträgen für die Jugendlichen sind definitiv auch Zuhörer dabei, die schon ihre Erfahrungen gemacht haben, sei es beim Rauchen, beim Trinken oder sogar beim Kiffen. Die Erfahrung hat meinen Kollegen und mir leider gezeigt: Unsere „Klienten“, die später mal als Beschuldigte bei uns sitzen und suchtkrank sind, also die die Finger nicht mehr lassen können von Crystal oder vom Heroin, erzählen uns knallhart: Ich hätte vielleicht nicht so viel Rauchen und Saufen sollen und ich hätte gar nicht erst anfangen sollen zu Kiffen. Diese Konsumenten erzählen uns: Als ich anfing zu kiffen, war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Ich würde grundsätzlich sagen, wir Rauchen und Trinken alle ein bisschen zu viel. In unserer Konsum- und Maximalgesellschaft sollten wir zunächst wieder anfangen maßvoller zu konsumieren.

Nun hat der Bund der Kriminalbeamten in Deutschland vor kurzem dafür plädiert, ob man weiche Drogen nicht legalisieren könnte. Wie passt das zu ihrer Einschätzung?

Bergmann: Das Thema Cannabislegalisierung halte ich grundsätzlich für äußerst schwierig. Ich würde die Differenzierung zwischen harten und weichen Drogen gar nicht mehr vornehmen. Wir sprechen von Rauschgift, Nervengift, Zellgift – prinzipiell über Gift. Wir sollten uns als Gesellschaft ernsthaft die Frage stellen, welchen Mehrwert wir hätten, wenn wir einen dritten Stoff auf den freien Markt schmeißen.

Manche sagen: Drogenfahnder hätten Kapazitäten frei, um richtig schwere Jungs zu jagen…

Bergmann: Dann bringe ich als Denkanstoß: Nur weil es viele Leute tun, muss man es noch lange nicht als normal erachten oder als legal einstufen. Geklaut wird nämlich auch viel. Und ich frage mich auch: heute ist es Gras, was ist es morgen? Der Mensch will immer mehr. Die Frage ist: Was bringt das? Und bzgl. der schweren Jungs darf ich frei heraus sagen, meine Kollegen sind sehr engagiert, was ja auch unsere Aufklärungsquote der letzten Jahre immer gezeigt hat. Die schweren Jungs jagen wir also auch, exakt so wie die kleinen Ganoven. Und eins noch; bei uns rufen ja auch die verzweifelten Eltern an, die auf Grund des ständigen „Zuballerns“ nicht mehr zu ihrem Kind durchdringen - Das halte ich auch für schwerwiegend. Eltern haben da eine klare Haltung zu Cannabis.

Der Staat könnte vielleicht unheimlich viel Geld einnehmen?

Bergmann: Das Thema Steuermehreinnahmen… Da weise ich kurz drauf hin: Der Staat nimmt pro Jahr in etwa drei Milliarden am Alkohol ein. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) sagt: Jedes Jahr gibt Deutschland rund 40 Milliarden aus, nur um die Folgen von Alkoholismus zu bekämpfen. Das ist eine Lücke von 37 Milliarden. Wer trägt das denn? Der Steuerzahler - also wir alle. Übertragen auf den Cannabisbereich wäre das sicher ähnlich. Aber so genau wissen wir das noch nicht, denn da gibt es bislang nur Hochrechnungen der DHS. Mein letzter Kenntnisstand war jedoch eine höhere zweistellige Millionen-Lücke, die bei der Cannabislegalisierung entstünde. Wir im Rauchgiftkommissariat, haben Süchtige bei uns sitzen, die in jedem Satz mehrfach „Ey, Alter“ sagen. Die haben Verfolgungswahn, die können nicht mehr ohne. Alles harmlos? Alles Bio? Ich sehe zum jetzigen Zeitpunkt, mit den bereitgestellten Geldern und Kapazitäten für die Prävention, keinen vernünftigen Grund für eine Cannabislegalisierung.

So eine Diskussion wie diese, gibt’s die auch im Unterricht, wenn sie in den Schulen sind?

Bergmann: Ich habe schon in der ein oder anderen Klasse den ein oder anderen drinsitzen, der da versucht mit mir zu diskutieren. Ich stelle dann eine Frage, mit der ich zum Denken anstoßen will. Ich frage: Möchtest du, dass dein Kind ein Gift nimmt? Es gibt nur eine logische Antwort.

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