Downsyndrom: Im Clinch wegen Therapie

Von Sonny Adam
Das Fingeralphabet könnte der kleinen Lucy helfen, so ihre Mutter. Von einer Bayreuther Einrichtung fühlt sie sich im Stich gelassen. Foto: Jens Büttner/dpa Foto: red

Schwere Vorwürfe erhebt Anja Stiefler aus Pottenstein gegen die Frühförderstelle Step by Step aus Bayreuth. Die Mutter eines Kindes mit Downsyndrom zweifelt die Kompetenz der Behandlung an, auch bei der Abrechnung scheint es Ungereimtheiten gegeben zu haben, wirft die Mutter der Frühförderstelle vor. Diese weist die Vorwürfe aber zurück.

 
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Auf den ersten Blick ist Lucy ein ganz normales, fröhliches Kind. Lucy liebt ihre Barbiepuppen über alles, versinkt im Spiel mit den Puppen und versorgt die Barbies liebevoll - wie jede andere Vierjährige auch. Allerdings leidet Lucy unter dem Downsyndrom. Sie tut sich schwer, Worte und Laute zu artikulieren, weist Entwicklungsverzögerungen auf. „Wir haben uns vom Arzt beraten lassen und haben Frühförderung verschrieben bekommen“, erzählt die Mutter aus Pottenstein.

Alltagskompetenzen fördern

Konkret sah diese Förderung so aus, dass eine Psychologin, eine Ergotherapeutin und eine Logopädin mit Lucy zu Hause oder im Kindergarten geübt haben. „Das Ziel sollte sein, die Sprachkompetenz und die Alltagskompetenzen zu fördern. Aber stattdessen wurde mein Kind mehr und mehr aus der Kindergartengruppe genommen, statt ihm bei der Integration zu helfen“, erklärt die Mutter. Doch das ist nur ein Kritikpunkt. „Die Leute, die kamen, waren alle lieb und nett. Lucy mochte alle sehr. Aber die haben eigentlich keine Übungen speziell für Kinder mit Down-Syndrom gemacht, sondern haben mehr mit Lucy gespielt“, so die Mutter.

Therapeutin aus Nürnberg

Die Mutter kannte von einer anderen – auf Kinder mit Downsyndrom spezialisierten Therapeutin aus Nürnberg – dass Gesten solchen Kindern mit Downsyndrom bei der Artikulation von Worten helfen können. Zu Hause versuchte Anja Stiefler ihre Tochter mit dem Fingeralphabet zu fördern. „Ich habe immer nach speziellen Materialien gefragt, nach dem Fingeralphabet. Aber ich habe nie eine Reaktion darauf bekommen“, sagt Stiefler. Dann kamen auch noch Hörprobleme bei ihrer Tochter hinzu. „Das war dann die Entschuldigung, dass Lucy keine Fortschritte gemacht hatte. Man hat mir immer nur gesagt, dass ich zu ungeduldig bin“, klagt Anja Stiefler an.Schließlich wurden die Zweifel bei der Mutter so groß, dass sie sich zusätzlich einen weiteren Termin bei der Nürnberger Therpeutin geben ließ.

Therapie gekündigt

„Innerhalb einer halben Stunde konnte meine Tochter "e" und "u" sprechen. Das war so ein großer Fortschritt, wie wir ihn in vier Monaten nicht hatten“, betont die Mutter. Auf wiederholte Nachfragen hat die Mutter von der Bayreuther Frühförderung erfahren, dass bislang noch kein derart junges Kind mit Down-Syndrom von den Bayreuther Fachkräften therapiert worden sei. „Wenn man mir das gesagt hätte, hätte ich reagieren können. Aber die Therapie war so, wie wenn du eine Gärtner bestellst und ein Bäcker kommt in deinen Garten“, wundert sich die Mutter. Ende Juli hat Anja Stiefler dann die Therapie gekündigt. Inzwischen hat die Mutter bei ihrer Krankenkasse auch die Abrechnungen angefordert. „Ich wollte wissen, wie die Einheiten abgerechnet worden sind. Denn ich habe erfahren, dass eine Einheit immer 45 Minuten dauert, aber die Therapeuten sind immer gemeinsam gekommen, wohl aus fahrtechnischen Gründen. Und geblieben sind sie immer 60 Minuten statt zwei Mal 45 Minuten“, so die Mutter.

Ergotherapie-Logopädie-Einheit

Auf den Abrechnungen sind tatsächlich ganze Einheiten abgerechnet - zu einem Preis von über 75 Euro. Wenn Gespräche hinzu kamen, schlugen diese mit weiteren neun Euro zu Buche. „Am 23. Mai fand überhaupt keine Ergotherapie statt, weil meine Tochter krank war. Wir hatten uns aber ordentlich abgemeldet. Und die Ergotherapie-Logopädie-Einheit vom 13. April fand - laut meines Kalenders - am 12. April statt“, sagt die Mutter. Zwar sei in diesem Fall nicht mehr abgerechnet worden, doch eine gewisse Korrektheit sollte schon angewandt werden, findet Stiefler. Ein Riesen-Manko, über das sich die Mutter bis heute ärgert, ist, dass - obwohl sie dies wünschte, bis heute kein Gespräch stattgefunden habe.

Jeder wendet andere Therapien an

In der Frühförderstelle Step by Step in Bayreuth war man angesichts der Vorwürfe überrascht „Wir konnten die Familie nicht erreichen, wir haben es mindestens 15 Mal versucht“, versuchte Michaela Stemmler von der Frühförderstelle zu beschwichtigen. „Es gibt unzählige Therapien, aber wir sind natürlich nicht auf Kinder mit Downsyndrom spezialisiert wie die andere Therapeutin“, sagt Stemmler offen und ehrlich. „Aber jeder wendet andere Therapien an“, betont Stemmler und lässt nichts über die Ergo- und Logopädin des Frühförderzentrums Step by Step kommen. Auch die Psychologin habe gute Arbeit geleistet. Das gesamte Team habe sich sehr um Lucy bemüht. Zu den Vorwürfen, dass die Vierjährige eher aus der Kindergartengruppe herausgenommen als integriert wurde, sagt die Inhaberin des Frühförderzentrums nur, dass dies auch Sinn und Zweck sei. „Man darf hier die Leistung, die ein Fachdienst erbringen könnte, nicht verwechseln. Wir waren dran, einen Fachdienst, der bei der Integration in der Gruppe hilft, zu beantragen“, so Stemmler.

Keine Wunder erwarten

„Man darf bei Kindern mit Downsyndrom keine Wunder erwarten. Wir hatten die Therapie nur ein halbes Jahr durchgeführt, eingesetzt waren erfahrene Fachkräfte - keine Berufsanfänger“, weist Stemmler alle Vorwürfe von sich. Auch von den Abrechnungsvorwürfen hat die Frühförderstelle erst auf Nachfrage dieser Zeitung erfahren. „Wenn ein Kind nicht mehr kann, dann müssen wir die Stunden auch verkürzen, spielen eben auch mal. Man kann ja die Kinder nicht quälen“, sagt Stemmler und betont, dass sie der Sache mit dem verwechselten Termin auf den Grund gehen möchte.

Es besteht Dokumentationspflicht

„Wir haben Dokumentationspflicht. Ich kann mir das nicht vorstellen. Wir hatten mit der Mutter auch wirklich gute Gespräche. Wir haben uns sehr gut verstanden. Ich werde jetzt auf jeden Fall noch einmal versuchen, Sie zu erreichen“, versichert Stemmler. Bislang sah sich die Frühförderstelle noch nicht mit solchen Vorwürfen konfrontiert. Nur in einem einzigen Fall gab es bislang Probleme, erklärt die Chefin der Frühförderstelle selbst. „Zur Therapie eines Kindes mit Downsyndrom braucht man viel Zeit, Liebe und Geduld. die Eltern hoffen immer, dass alles ganz schnell geht, aber manchmal dauert solch eine Therapie bis in die Pubertät. Und manche Kinder lernen gar nicht richtig sprechen. Uns tut es jedenfalls leid, dass die Therapie beendet wurde - aber letztlich entscheiden die Eltern, welche Therapieform sie wählen möchten“, betont Michaela Stemmler und hofft darauf, die Missverständnisse, die im Raum stehen, ausräumen zu können.