Digitalisierung: BDI-Chef fordert Mut

Von
BDI-Chef Dieter Kempf. Foto: Ralf Hirschberger/dpa Foto: red

Die fortschreitende Digitalisierung könnte ein brutaler Job-Killer werden – so lautet der Befund diverser Studien. US-Forscher sehen in den Vereinigten Staaten fast jeden zweiten Arbeitsplatz gefährdet. Auch in Deutschland droht der Verlust von 3,4 Millionen Jobs, wie der IT-Verband Bitkom jüngst warnte – und gleich die Forderung nach einer Digitalisierungs-Strategie an die Bundesregierung nachschob. Dieter Kempf, Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), hält solche Warnungen für übertrieben.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Die Bitkom-Studie sei von Medien fehlinterpretiert worden, wie ihm der verzweifelte Verbands-Präsident Achim Berg in einem Telefon-Gespräch wissen ließ, sagt Kempf beim oberfränkischen IT-Forum an der Universität Bayreuth. „Lassen Sie sich nicht verängstigen. Die Digitalisierung kann sich positiv auswirken, wenn wir sie richtig gestalten“, ruft er den etwa 400 Teilnehmern zu.

Nichts schönreden

Kempf will nichts schönreden: Ja, Berufsbilder werden sich wandeln und einige auch wegfallen. Und ja, Wirtschaft und Politik müssten die Ängste der Menschen vor Verlust ihres Arbeitsplatzes ernst nehmen. Doch der BDI-Chef will keiner der vielen Warner und Mahner sein. Er möchte vielmehr Mut machen, auch mit einer bildhaften Sprache: Wenn der Wind kräftig blase, dann sei er jemand, der lieber Windmühlen baue, statt in einer geschützten Ecke auf besseres Wetter zu warten. Die Digitalisierung kann und wird nach Einschätzung des 65-Jährigen die Arbeitswelt leichter und flexibler machen. So könnten zum Beispiel Roboter gerade für Menschen in körperlich anstrengenden Berufen eine wertvolle Hilfe sein. Von zentraler Bedeutung ist für Kempf nicht nur der schnelle Ausbau der digitalen Infrastruktur, sondern auch das Thema digitale Aus- und Weiterbildung. Die Politik müsse hier „noch nachlegen“. Die frühe Vermittlung von IT-Kompetenzen sei unerlässlich, damit junge Menschen gut gerüstet ins Berufsleben starten können.

Kritik an Anspruchshaltung

Apropos Nachwuchs: Kempf sieht die Anspruchshaltung vieler Jugendlicher kritisch. Er verweist auf eine Shell-Studie, wonach die künftige Berufswelt für die Befragten praktisch der berühmten eierlegenden Wollmilchsau gleichkommen soll: Gutes Gehalt, Arbeitszeitsouveränität, Jobsicherheit, Entwicklungsmöglichkeiten, spannende Aufgaben, Teilzeit je nach Bedarf, Rücksicht auf Freizeitgestaltung und, und, und.

Gegen bedingungsloses Grundeinkommen

Er sei ja auch der Meinung, dass es wichtig ist, Berufs- und Privatleben miteinander vereinbaren zu können. „Aber so wird das nicht funktionieren“, warnt Kempf. Vielmehr sei diese Erwartungshaltung ein Zeichen einer „saturierten und überalternden Gesellschaft“. Und er findet weitere deutliche Worte: „Ich bin kein Historiker. Aber so hat es bei den Römern auch angefangen.“ Ein bedingungsloses Grundeinkommen soll Verlierer der Globalisierung und Digitalisierung auffangen. Dieser Idee, die auch von namhaften Unternehmern unterstützt wird, kann der BDI-Präsident gar nichts abgewinnen. Für ihn ist das ein „alter Schinken“.

Weniger Wohlstand

Kempf: „Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens wäre die Kapitulation unserer Gesellschaft vor den Herausforderungen der Digitalisierung.“ Stattdessen gelte es, die Menschen zu qualifizieren und die Chancen der digitalen Welt zu nutzen. Angesichts des bereits spürbaren Fachkräftemangels sei es kontraproduktiv, Anreize fürs Nichtstun zu setzen. Weniger Wachstum, weniger Wohlstand, weniger Sozialbeiträge - das wären nach Ansicht des Referenten die Folgen eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Roboter-Steuer

Und was ist mit einer Roboter-Steuer als Ausgleich für Jobabbau durch Rationalisierungsmaßnahmen? „Das kann man diskutieren“, antwortet Kempf. Man müsse sich jedoch die Frage stellen, ob es sinnvoll sei, Fortschritt zu besteuern. Auch wirft der BDI-Chef die Frage auf, welche Kriterien gelten sollen. Wird etwa ein Roboter, der Menschen im Altenheim hilft anders besteuert als ein Roboter in einem Industrieunternehmen? Kempfs Botschaft: Vorschläge sind schnell gemacht, aber die Umsetzung im Detail ist häufig schwierig.

Nicht alles muss digitalisiert werden

Der Redner geht auch auf Risiken der digitalen Welt ein. Nicht alles, was digitalisiert werden könne, müsse auch digitalisiert werden. Ethische Fragen dürften nicht ausgeklammert werden, sondern müssten intensiv von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft diskutiert werden, fordert er.

Das IT-Forum

Auf große Resonanz ist am Donnerstag das IT-Forum Oberfranken an der Universität Bayreuth gestoßen. Etwa 400 Unternehmer, IT-Fachkräfte und Wissenschaftler kamen zu den Vorträgen und Fach-Panels. Initiatoren waren das IT-Cluster Oberfranken, die Industrie- und Handelskammer (IHK ) für Oberfranken, die Handwerkskammer (HWK) für Oberfranken und die Technologie-Allianz Oberfranken (TAO), in der die Hochschulen und Universitäten im Bezirk ihre Kräfte bündeln. „Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung“ lautete das Motto des Forums. Hauptreferenten waren neben BDI-Präsident Dieter Kempf der Chef des Unternehmens Punctdavista, Mathias Traugott, und der Virtual-Reality-Experte Dominic Eskofier. Auch eine Podiumsdiskussion stand auf dem Programm. Professor Torsten Eymann, Vizepräsident der Universität Bayreuth, sagte, seine Einrichtung habe sich international einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Er hob die große Bedeutung der Digitalisierung an Unis und Hochschulen hervor. Viele junge Menschen, die dort ausgebildet werden, würden später in der Wirtschaft maßgeblich die digitale Welt mitprägen. Claus Huttner, Vorstandsvorsitzender des IT-Clusters Oberfranken, sagte, die Veranstaltung zeige, dass man in Oberfranken gemeinsam etwas auf die Beine stellen könne.

Autor

Bilder