Überleben die Tiere den Martinstag, dann schlägt zu Weihnachten ihre letzte Stunde Die Tage der Gänse sind gezählt

Von Sonny Adam
Die Gieserts mästen Gänse in Leuchau. Hinten im Bild Stefanie Giesert mit ihrem Sohn Michael. Foto: Sonny Adam Foto: red

Die Martinsgänse in Kulmbach haben noch ein paar Tage Schonfrist. Denn unter der Woche reißen sich die Kulmbacher nicht um Gänsebraten. Es ist eigentlich zu warm für das typische Herbst- oder Winteressen. Dennoch sind die Tage der Gänse gezählt.

 
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Fröhlich schnattern die Bauerngänse auf dem Hofe der Gieserts. Sie laufen auf einer fast abgeweideten Wiese umher, freuen sich des Lebens. „Nur eine einzige Gans ist auf Martini bestellt – aber erst aufs Wochenende nach St. Martin“, verrät Landwirtin Stefanie Giesert.

Seit sieben Jahren ziehen Stefanie und ihr Mann Lutz Giesert auf dem Hof in Leuchau jedes Jahr aufs Neue Gänse auf. „Wir kaufen im Frühling junge Gänse aus Gösmes und ziehen sie dann groß“, sagt Stefanie Giesert. Die Gänse sind dann etwa acht Wochen alt, wenn sie nach Leuchau kommen. „Die bekommen dann gerade weiße Federn“, erklärt Sohn Michael (12). Dann werden die Gänse geweidet. Sie bekommen selbst angebautes Getreide. Und kurz vor Weihnachten werden die Gänse dann geschlachtet.

Gänse brauchen viel Platz

„Alles, was man braucht, um Gänse aufzuziehen, ist Platz“, erklärt Stefanie Giesert. Nachts werden die Gänse in den Stall getrieben. Manchmal hilft auch der Hofhund. Die Gieserts schlachten die Gänse allerdings nicht selbst, sondern lassen schlachten – beim Bürgermeister und Geflügelschlachter Hans Wittauer aus Weidenberg.

„Die meisten halten keine Gänse mehr, weil es einfach keine Schlachtmöglichkeit in der Nähe gibt“, sagt Stefanie Giesert. „Wir haben unsere Stammkunden für die Gänse. Meistens sind die Gänse schon ein Jahr im Voraus bestellt“, sagt die Landwirtin. „Die meisten Leute wollen ihre Gans zu Weihnachten“, sagt Stefanie Giesert. Die Bauerngänse sind zwischen vier und acht Kilo schwer. Pro Kilo muss man mit 11,50 Euro rechnen. „Aber manche verlangen auch 14 Euro und mehr“, weiß Stefanie Giesert.

Gieserts mögen den klassischen Weihnachtsbraten

Bei den Gieserts selbst kommt nur dann eine Weihnachtsgans auf den Tisch, wenn eine übrig bleibt. „Letztes Jahr waren wir Weihnachten essen“, erzählt die Landwirtin. Doch wenn es eine Weihnachtsgans gibt, dann wird sie ganz klassisch zubereitet. Und dazu gibt es Klöße und Rotkohl.

Gänse aus eigener Zucht gibt es auch bei Wolfgang Haßgall aus Forstlahm. Allerdings keine normale Gans, sondern eine ganz besondere Art. Wolfgang Haßgall (57) ist kein Landwirt, sondern Hobby-Züchter. Er hat mit Smaragdenten den Deutschen Meistertitel geholt, war bayerischer Meister und sogar Europameister.

Gänse aus Niedersachsen wachsen im Kulmbacher Land

Doch im März hat Wolfgang Haßgall die Diepholzer Gänse entdeckt. Dabei handelt es sich um eine uralte Gänserasse aus Niedersachsen. Im März hat er sich dann 15 Gössel zugelegt. So heißen die jungen Gänse im Fachjargon. Schon im Alter von zwei Tagen sind die Gössel nach Franken umgesiedelt worden. „Das Besondere bei den Diepholzer Gänsen ist, dass sie reine Weidegänse sind. Wenn man den Gänsen Getreide anbietet und eine Wiese, lassen sie das Getreide stehen. Die Gänse weiden die Deiche ab“, erklärt Haßgall. Im Garten in Forstlahm hat Haßgall den Gänsen eigens einen Gänsesteg gebaut, damit sie den Bach trockenen Fußes überqueren können. Und außerdem steht den Gänsen eine Weide von 5000 Quadratmetern zur Verfügung.

Nur drei sollen überleben

Von den 15 Gössel sind derzeit noch sechs Gänse und Ganter übrig. Ein Prachtganter und zwei besonders schöne Gänse werden definitiv Martini und auch Weihnachten überleben. Die anderen kommen als Braten auf den Tisch. Auch sie werden bei Hans Wittauer in Weidenberg geschlachtet. „Natürlich wird es bei uns auch Gänsebraten geben, bestimmt schmecken die Gänse besonders gut. Denn sie sind ja reine Weidegänse – die haben ein ganz anderes Fleisch als Mastgänse“, freut sich Haßgall schon darauf. Und die restlichen Gänse, die zur Zucht „aussortiert“ werden, werden an besonders gute Freunde vergeben. Und wenn die Temperaturen dann so sind, dass die Gänse brüten, dann soll es in Forstlahm zum ersten Mal eigenen Gössel-Nachwuchs geben.

Gänse verrieten St. Martin

Dass am St. Martinstag, eine Gans auf den Tisch kommt, hat etwas mit der Legende vom Heiligen St. Martin zu tun. Denn St. Martin, der berühmt wurde, weil er für einen Bettler seinen Mantel geteilt hatte, wurde später zum Bischof gewählt. Martin aber war so zurückhaltend, dass er der Wahl entgehen wollte. Deshalb hatte er sich im Gänsestall versteckt haben soll. Doch die Gänse haben Martin durch ihr lautes Geschnattere verraten. Deshalb müssen die Gänse jedes Jahr zu St. Martin für ihren Verrat „büßen“.

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