Die Nacht der gelben Säcke verleiht Bayreuth beinahe Berliner Flair. In Berlin bringt man ja täglich den Verpackungsmüll auf die Straße, allerdings ohne gelben Sack drumrum. Der Berliner selbst nutzt natürlich brav die gelbe Tonne – es müssen Neuberliner und Touristen sein, die (da es keine gelben Säcke gibt und sie die Tonnen nicht kennen) den Müll nach altbekannter Art auf die Straße tragen.

Irgendwann in der Zukunft werden wir die gelben Säcke vielleicht nicht mehr brauchen, weil wir unseren Müll entweder gleich in dem Fusionsofen in der Küche schmeißen, oder gar keinen Müll mehr produzieren, weil uns die Rohstoffe dazu ausgegangen sind. Bis dahin aber ist die „Nacht der gelben Säcke“ vielleicht schon festes Brauchtum und lebt weiter als Fest für die ganze Familie.

Ich stelle sie mir als Mischung aus Weihnachten, Osterfeuer und Sündenablass vor. Wir werden die Stuben festlich schmücken, in der Mitte steht ein großer gelber Sack aus Stroh, mit grünen Punkten behängt, wir werden aus Eischaum Gebäck in Form kleiner Styroporverpackungen backen, und um Mitternacht kommt der Recyclingmann mit dem orangenen Mantel und dem orangenen Schlitten.

Im Gegensatz zum Weihnachtsmann bringt er keinen Sack, sondern holt Säcke ab; unsere geschmückten gelben Säcke, die prall gefüllt sind mit Zetteln, auf die wir unsere Sünden geschrieben haben – der verbindliche Sündenkatalog wird im Jahr 2018 auf einem Grünen-Parteitag beschlossen – und dann, kurz vor Sonnenaufgang werden all die gelben Säcke vor den Toren der Stadt verbrannt, und wir, von unserer Schuld befreit, reißen uns die Kleider vom Leib und … naja, schön wird’s jedenfalls.

INFO: Volker Strübing wirft im Jean-Paul-Jubiläumsjahr als erster Bayreuther Stadtschreiber einen Blick auf Bayreuth und Jean Paul. Zu lesen sind seine Eindrücke in einem Blog Bayreuther Tagebuch sowie immer samstags im Kurier.