Versaute Texte, liebe Burschen Die Gruppe Fuchsdeifelswild spielt derbe Volksmusik

Von Heike Hampl

Diese Männer kennen keine Scham: Die Volksmusikgruppe Fuchsdeifelswild singt von schönen Brüsten, dem Pinkeln und Biertrinken. Im Festzelt kommt ihre derbe Musik an. Deshalb spielt die Band auch am Sonntag auf dem Oberfränkischen Volksmusikfest in Marktredwitz.

 
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Manchmal am Wochenende treten ein Heilerziehungspfleger, ein Lehreramtsstudent, ein Baugrundgutachter und ein künftiger Patentingenieur in einem Bierzelt vor 70-Jährige Gäste und singen über eingezwickte Hodensäcke. Das ist, was Julian Kießling (26), Simon Weisheit (25), Florian Fischer (27) und Jens Jahreis (24) seit einem Jahr tun. Die vier Oberfranken machen Volksmusik als Fuchsdeifelswild, am Sonntag treten sie um 14 Uhr im Auenpark beim Oberfränkischen Volksmusikfest in Marktredwitz auf.

Ihre Lieder entstehen im Proberaum

Traditionell fränkischer Klang mit Akkordeon, Kontrabass, Waschbrett, Gitarre – und mit richtig derben Texten. „Kurz ist das Leben, schön ist die Kunst, zeig mir mal den, der beim Scheißen nicht brunzt.“ Ihre Texte entstehen während der „Probzeit“. So nennen sie das, wenn sie bei Brotzeit und Bier kreativ sind. Sie suchen Themen, texten, reimen, komponieren. Im Proberaum in Witzleshofen bei Gefrees schleifen sie später bei den Proben an den Liedern. Wenn die Sonne scheint, so wie am vergangenen Mittwoch, sitzen sie draußen und machen Musik. In einer abgegriffenen Mappe sind die gedruckten Texte eingeheftet, mit Kugelschreiber bessern sie aus, was ihnen doch nicht mehr gefällt. Die Lieder stehen in Mundart auf den Zetteln. Nachbarn kommen vorbei.
„Na? Spielt ihr wieder a weng?“
„Freilich!“
„Fei g’scheit, gell!“
Jahreis greift zum Akkordeon und beginnt zu spielen. Weisheit und Kiesling singen. Ein Lied übers Pinkeln. Die Nachbarn lachen und schütteln den Kopf.

Keine Scham? In ihren Liedern besingen Fuchsdeifelswild die Schmerzen ihres Akkordeonisten, wenn er sich den Hodensack im Instrument einklemmt. Sie singen von der NSA, die sie abhört, weil sie an den Zwillings-Türmen ihrer Freundinnen wackeln oder Bombenstimmung in der Kneipe machen. Ihre Lieder handeln vom Wasserlassen und vom Biertrinken.

„Jeder Mensch ist ein bisschen versaut“, sagt Weisheit. Bei Konzerten tasten die Fuchsdeifelswilden sich ans Publikum heran, „wir spielen zuerst nur etwas leicht versautes.“ Eine Liedfolge legen sie vorher nicht fest, um flexibel zu bleiben. „Meistens merken wir schnell: Die älteren Leute sind genau so versaut wie wir. Eigentlich sind die sogar die Versautesten.“ Mit dieser Erkenntnis fallen die Hemmungen. Aber die Musiker geben zu: Ein Bier vor dem Auftritt erleichtert das Überschreiten der Schamgrenze.

Mit ihren unverschämten Texten schaffen die vier Oberfranken etwas Erstaunliches: Sie bringen Bierzelt-Besucher zum Schweigen. Zum Zuhören. Zum Lachen. Und dabei ist es egal, ob die Gäste 14 oder 70 Jahre alt sind. „Bei unserer Musik muss man hinhören, als Nebenbei-Gedudel funktionieren wir nicht“, sagt Fischer. „Deswegen ist es gut, wenn wir vor einem kleinen Publikum spielen, zwischen 50 und 100 Leute sind ideal.“

In einem Stadion hätten die vier sowieso ein Problem. „Wie soll ich dort mit der Quetschn durchs Publikum laufen? Das gehört doch dazu“, sagt Akkordeonist Jahreis. Er verpackt als Witz, was der Gruppe wichtig ist: Musik ohne Verstärker. Dafür mit Extravaganz, „wir spielen eigentlich jedes Instrument, das wir in die Finger kriegen“, sagt Weisheit. Sägeblätter, Indianerflöten und Maultrommeln, „wer irgendetwas verrücktes zu Hause herumliegen hat, darf es uns gerne spenden. Wir bringen alles dazu, zu unserer Musik zu passen.“

Die Gruppe trägt gern traditionelle Kleidung

In bayerischen Lederhosen treten die Fuchsdeifelswilden auf, sie tragen rot-weiß-karierte Hemden – die Farben des Fränkischen Rechens. Ist das traditionell, was sagen andere Volksmusiker aus der Region dazu? „Des is’ uns wurscht“, sagt Weisheit. „Es schaut gut aus. Und ist einheitlich. Über so einen Schmarrn wollen wir gar nicht diskutieren.“ Er selbst trägt als einziger Turnschuhe. Zu Haferlschuhen habe er sich dann doch nicht durchringen können.

Keine Scham also für die oberbayerische Lederhose, gibt es denn überhaupt irgendetwas, für das sich die Fuchsdeifelswilden schämen? Doch. Für ein Lied, das sie geschrieben und nie gespielt haben. Worum es geht, darf nicht in der Zeitung stehen. Das wäre ihnen peinlich.

Info: Die Zuschauer der Sendung „Wir in Bayern“ des Bayerischen Rundfunks wählen bald die beste bayerische Volksmusikgruppe. Fuchsdeifelswild vertritt in diesem Wettbewerb den Bezirk Oberfranken. Die Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik des Bezirks hat die Musiker dafür vorgeschlagen.

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