Der Staat erbt Häuser, die niemand will

Von Peter Rauscher
Wer mag das schon haben? Ein abbruchreifes Haus. Foto: Roland Weihrauch/dpa Foto: red

Wer ein Haus erbt, darf sich eigentlich glücklich schätzen. Doch immer mehr Erben schlagen ein Haus aus – wegen zu hoher Kosten. In Oberfranken gingen vergangenes Jahr 143 Immobilien auf den Staat über, 2014 waren es 119 und 2011 erst 74 Häuser, wie der Kurier vom bayerischen Finanzministerium erfahren hat.

 
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Der Staat ist der größte Erbe von Wohnhäusern in Deutschland. Die 16 Bundesländer sind auf dem Wege der Erbschaft mittlerweile Allein- oder Miteigentümer von rund 10 000 Wohnhäusern und privaten Liegenschaften geworden, wie eine bundesweite Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Länderverwaltungen und Bezirksregierungen ergeben hat.

Freistaat Bayern erbt die meisten Häuser

Den Rekord hält mit weitem Abstand Bayern, wo sich nach Angaben des Münchner Finanzministeriums derzeit 7251 Wohnhäuser im Besitz des Freistaats befinden – 3857 davon im Alleineigentum, bei den restlichen Gebäuden als Miteigentümer.

Sogenannte Fiskalerbschaften fallen an den Staat, wenn die Erben entweder ihr Erbe ausschlagen oder sich kein Erbe finden lässt. Doch der Spitzenwert bei geerbten Wohnhäusern ist der Staatsregierung in München eher unwillkommen.

Häuser alter Menschen ohne Angehörige

Denn der Verkauf von Fiskalerbschaften bringt den Länderhaushalten in der Regel zwar geringfügige Einnahmen – doch sei der Verwaltungsaufwand sehr hoch, wie es in den Ministerien mehrerer Länder übereinstimmend heißt.

Die Fachleute in den Behörden werten die Zahlen als Indiz des demografischen Wandels. „Der Anteil älterer Menschen ohne Angehörige steigt“, sagt eine Sprecherin der Bezirksregierung im westfälischen Münster.

Eine große Rolle spielen auch ökonomische Faktoren: So boomt in Bayern zwar die Wirtschaft im Großraum München, doch in vielen ländlichen Landesteilen schwindet die Bevölkerung. Dementsprechend lassen sich dort nur mit Mühe Käufer finden, die Immobilienpreise sinken.

Ein Beispiel: Im Landkreis Kronach ist ein gebrauchtes Ein- oder Zweifamilienhaus laut Immobilienmarktbericht der Staatsregierung im Schnitt für nur noch 85 000 Euro zu haben – im Landkreis München kostet eine vergleichbare Immobilie dagegen 1,5 Millionen Euro.

Kredite noch nicht abbezahlt

Insgesamt stehen in Deutschland nach einer Schätzung des Bundes zwei Millionen Wohnungen leer, die meisten davon in strukturschwachen ländlichen Regionen. In den Ballungsräumen dagegen fehlen Wohnungen.

„Wir haben eigentlich genug Wohnraum in Deutschland – aber wir haben ihn an der falschen Stelle“, sagt Andreas Ibel, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft. In der Regel wird das Haus dem Staat überlassen, wenn die Kredite noch nicht abbezahlt sind.

Außerdem hat der Staat bundesweit eine nicht näher bezifferbare Zahl ganz oder halb verfallener Schrottimmobilien geerbt. Lästig für die Verwaltung sind vor allem Erbengemeinschaften – etwa die Eigentumsrechte an einem Drittel Reihenhaus.

Kein Problem mit vererbten Häusern haben die Stadtstaaten, da dort sinkende Immobilienpreise unbekannt sind: Berlin meldet lediglich Einzelfälle, ebenso Hamburg.

Die Zahlen sind aber nicht präzise – nicht alle Bundesländer treiben den gleichen statistischen Aufwand. Das niedersächsische Finanzministerium nannte gar keine Zahlen, Baden-Württemberg übermittelte zwar einen Durchschnittswert von 34 geerbten Häusern pro Jahr, nicht aber den aktuellen Stand.

Manche Bundesländer erfassen zudem nicht die Zahl der Häuser, sondern lediglich geerbte Grund- und Flurstücke – ob bebaut oder unbebaut.

Mit Material von dpa

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