Der gefährdete Rockerfriede

 Foto: red

V-Mann Mario F. hat ein spätes Arbeitszeugnis vom LKA erhalten. Sein Einsatz bei den Regensburger „Bandidos“ war ein „voller Erfolg“, erklärte am 10. Prozesstag ein hochrangiger LKA-Beamter vom Sachgebiet 621. Das ist in München zuständig zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK).

 
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Während der Gerichtsverhandlung am Donnerstag ergab sich: Mario F. lieferte wichtige Erkenntnisse über eine bevorstehende Machtverschiebung in der Rockerszene. „Es waren durchaus spannende Zeiten in Rockersachen.“ Hintergrund: Im Herbst 2011 herrschte ein Burgfrieden bei den kriminellen Rockern in Deutschland. Die bedeutendsten Clubs, die „Hells Angels“ und die „Bandidos“, hatten nach einem teilweise blutigen Bandenkrieg einen Waffenstillstand geschlossen. Und da kam der LKA-V-Mann Mario F. – eingeschleust bei den Regensburger „Bandidos“ – mit heißen Infos: Ralf K., damaliger Präsident der Regensburger „Bandidos“, wollte zu den „Hells Angels“ wechseln. Und mehr: Die „Hells Angels“ planten die Gründung neuer Stützpunkte, sogenannter Chapter. Eines der neuen „Chapter“ in der Oberpfalz sollte „Bandido“-Boss Ralf K. später als Präsident übernehmen. Aus Sicht des OK-Mannes aus München „eine einmalige Sache“ und „ein todeswürdiges Verbrechen in Rockerkreisen“.

Der Übertritt des „Bandido“-Bosses sollte am 24. November 2011 besprochen und gefeiert werden. Mittendrin: V-Mann Mario F., obwohl er tags zuvor in Waldsassen beim Schmuggel von 9,7 Gramm Crystal gefasst worden war. Mario F. sagt, das Rauschgift habe er im „Bandido“-Auftrag beschafft – der Übertritt von Ralf K. sollte gebührend gefeiert werden.

Das LKA schickte seinen V-Mann trotz der Festnahme zu dem Übertrittstreffen, das observiert wurde. Während Mario F. behauptet, sein V-Mann-Führer sei von der Drogenbeschaffung informiert gewesen, streitet der das ab. Und auch der Beamte vom OK-Sachgebiet kann sich das „nicht vorstellen“ und betont: „V-Leute dürfen eigentlich keine Straftaten begehen.“ Der Zeuge sagt auch: „Der V-Mann lieferte sehr wertige Informationen.“ Was den Gerichtsvorsitzenden Konrad Döpfner zu der Nachfrage veranlasste: „Warum konnte er solche Informationen liefern? Vielleicht, weil er tief rein ist in das kriminelle Milieu ...“

Die Nachfrage des Richters berührt den Kern des Prozesses: Mario F. erklärte, ohne kriminelles Mitmachen bei den „Bandidos“ wäre er nie an Infos herangekommen. War dies auch seinen V-Mann-Führern klar? Haben die davon gewusst, seine Straftaten zumindest geduldet? Ihm das Gefühl gegeben, der Kampf gegen die organisierte Kriminalität sei zu bedeutend, als dass die Verhinderung eines neuen Rockerkrieges an 9,7 Gramm Crystal scheitert?

Ein Indiz, das Mario F. das glauben durfte: ein Baggerdiebstahl, bei dem sein V-Mann-Führer so auffällig wegschaute und später die Ermittlungen der „normalen“ Polizei manipulierte, dass der LKA-Beamte jetzt selbst Beschuldigter in einem Strafverfahren ist.

Seit Herbst 2011 sitzt Mario F. hinter Gittern. Sein Verteidiger Alexander Schmidtgall hat am Donnerstag beantragt, den Haftbefehl gegen Mario F. aufzuheben. Es gebe keinen dringenden Tatverdacht mehr.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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