Der Heinersreuther Altbürgermeister Hans Dötsch kritisiert seine Nachfolgerin Simone Kirschner: „Rathaus nicht im Griff, keine Ziele“ „Der Fisch stinkt vom Kopf“

Von Heike Hampl
Hans Dötsch hat mehr Freizeit, seit er nicht mehr Bürgermeister ist. Die nutzt er, um wieder seinen Hobby nachzugehen, dem Lesen zum Beispiel. Von der Gemeindepolitik lässt er die Finger aber nicht, schließlich sitzt er noch für die SPD im Gemeinderat. Foto: Wittek Foto: red

Altbürgermeister Hans Dötsch (SPD) und seine Nachfolgerin Simone Kirschner (CSU) hatten einen schwierigen Start. Die CSU hat der SPD bei der Wahl im vergangenen März nach 100 Jahren das Bürgermeisteramt abgenommen. Nun hat die Bürgermeisterin ihren Vorgänger für das Jahr 2012 nicht entlastet, sie billigt also seinen Umgang mit den Finanzen nicht. Dötsch rechnet jetzt ab – und kritisiert Kirschner scharf.

 
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Der Gemeinderat hat Ihnen den Titel des Altbürgermeisters verliehen. Und Heinersreuths Partnergemeinde Fehring hat Sie mit dem Ehrenring ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!

Hans Dötsch: Danke. Ich freue mich über den Titel und fühle mich geehrt.

Ihr ältester politischer Widersacher Werner Kauper hat eine bewegende Rede auf Sie gehalten, waren Sie überrascht?

Dötsch: Eigentlich nicht. In solchen Situationen steht der Werner über den Dingen.

Genießen Sie Ihre neugewonnene Freizeit?

Dötsch: Ich schlafe etwas länger als früher, lese die Zeitung intensiver und surfe mehr im Internet. Ich habe Ehrenämter inne, etwa im Vorsitz des Förderkreises der Fußballer. Ich kann endlich wieder zu allen Fußballspielen gehen. Außerdem erledige ich den Besuchsdienst der Heinersreuther Kirche mit und gratuliere den Geburtstagskindern, das mache ich sehr gerne. Auch, wenn das am Anfang kurios war und die Leute mich zur Begrüßung gefragt haben, ob ich wohl doch noch Bürgermeister sei. Und natürlich bin ich weiterhin im Gemeinderat.

…wo die Stimmung derzeit gereizt ist.

Dötsch: Das liegt natürlich am Führungswechsel. Außerdem gibt es einige neue Gemeinderäte. Woher genau die Gereiztheit kommt, weiß ich nicht. Aber die Grundstimmung muss harmonisch sein, das ist sie aber nicht mehr. Dann erst kann man aber über Inhalte streiten.

Laufen die Sitzungen anders als unter Ihrer Leitung?

Dötsch: Ich kann nicht leiden, dass immer dazwischen gequatscht wird, ohne sich zu melden. Ich erwarte, dass die Bürgermeisterin da durchgreift. Außerdem fehlen die alten Kollegen, die ausgeschieden sind. Egal, ob rot oder schwarz.

Wirkt sich das negativ auf die Arbeit des Gemeinderates aus?

Dötsch: Letztendlich kommt es immer zu einer Entscheidung, die wird nicht beeinflusst. Die neuen Gemeinderäte schwimmen sich frei. Ich persönlich hielt es immer so: Wenn ich irgendwo neu war, hab ich erst mal zugehört und dann den Mund aufgemacht. Andere machen das umgekehrt.

Für Außenstehende sieht es so aus, als sticheln manche Gemeinderäte.

Dötsch: Das sind keine Sticheleien. Wenn eine Sitzungsvorlage nicht passt, gibt es eine Wortmeldung dagegen. Aber es passiert halt immer wieder, dass die Sitzungsvorlagen nicht so sind, wie wir uns das vorstellen. Es kommt bestimmt mal vor, dass man erst in der Sitzung einen neuen Text finden muss. Aber unter der neuen Bürgermeisterin kommt das zu oft vor. Dagegen gibt es Widerstand – logisch.

Die SPD wartet doch regelrecht auf Fehler in den Sitzungsvorlagen.

Dötsch: Nein. Unsere Einstellung ist die: Wir beobachten mit Sorgfalt, was passiert. Was uns gefällt, wird akzeptiert, und was uns nicht gefällt, wird kritisiert. Und wir bringen unsere eigenen Vorstellungen ein. Aktuell müssen sowieso noch viele Projekte aus meiner Zeit abgearbeitet werden.

Frau Kirschner ist neu im Amt, neu in der Verwaltung. Trotzdem kein Welpenschutz?

Dötsch: Sie selbst hat in einem Interview mit dem Kurier vor der Wahl gesagt, sie habe nach zwölf Jahren im Gemeinderat genug Erfahrung für dieses Amt. Jetzt macht sie aber Fehler, die nicht gehen. Sie kann keinen vorübergehenden Ersatz für den Hausmeister einstellen und dem Gemeinderat das erst auf Nachfrage mitteilen. So was muss sie bekannt geben. Es kam schon vor, dass sie einen Gemeinderat aufforderte, den Beschluss zu formulieren. Der sagte: Das ist nicht meine Aufgabe. So etwas ist höchstpeinlich.

Behandeln die Gemeinderäte Frau Kirschner immer fair?

Dötsch: Ich denke ja.

Ihre Nachfolgerin macht vieles anders als Sie.

Dötsch: Ob sie im Rathaus Blumen aufstellt, Bilder umhängt, ihre E-Mails selbst tippt oder das Programm für den Volkstrauertag auf den Kopf stellt, interessiert mich nicht. Der Geschäftsbetrieb und die Beschlussvorlagen müssen stimmen. Darum geht es.

Frau Kirschner stößt Dinge an, die es unter Ihnen nicht gab. Zum Beispiel das Gemeindeentwicklungskonzept.

Dötsch: Das, was sie uns dazu vorgelegt hat, ist kein Leistungsbild. Das ist Larifari. Da steht nichts Konkretes drin, nur Worthülsen. Das ist offensichtlich weitgehend aus dem Internet abgeschrieben, das ist alles.

Die Bürgermeisterin hat Sie nicht entlastet und damit Ihren Umgang mit den Gemeindefinanzen im Jahr 2012 nicht gebilligt.

Dötsch: Was mir vollkommen unverständlich ist.

Haben Sie mit Ihr darüber gesprochen?

Dötsch: Nein.

Sind Sie sicher, dass Sie immer das günstigste Angebot für gemeindliche Aufträge eingeholt haben?

Dötsch: Alles andere wäre ein schwerer Vorwurf, den ich mir nicht gefallen lasse. Wenn sie mit einem Auftrag nicht einverstanden ist, den ich vergeben habe, soll sie konkret werden und ich werde darauf antworten. Größere Vergaben finden im Übrigen immer mit dem Gemeinderat statt.

Sie haben Frau Kirschner in einem Leserbrief attackiert: Sie soll den Geschäftsbetrieb in den Griff kriegen.

Dötsch: Von den fehlerhaften Sitzungsvorlagen habe ich schon gesprochen. Das Mitteilungsblatt wurde zweimal nicht rechtzeitig verteilt. Projekte, die ich angestoßen habe, wurden nicht fortgesetzt, die Straße nach Unterkonnersreuth oder der Hochwasserschutz, nur um Beispiele zu nennen. Letztens hatten wir eine Finanzausschusssitzung, die nicht ordentlich vorbereitet war, das war unter aller Sau, ich muss es so sagen.

In Ihrem Leserbrief deuten Sie an, das Betriebsklima im Rathaus sei nicht in Ordnung.

Dötsch: Dazu sollte sie mal eine anonyme Umfrage unter ihren Mitarbeitern machen. Es hat mir gegenüber schon jemand geäußert, er halte es dort nicht mehr aus. In den acht Monaten ihrer Amtszeit haben zwei Mitarbeiter das Rathaus verlassen. Ob die auch unter meiner Führung gegangen wären, kann ich nicht sagen. Man hat mir zugetragen, dass der Krankenstand sehr hoch geworden sei. Das hat meistens mit dem Betriebsklima zu tun.

Sie kennen Ihre Genossin Elisabeth Linhardt sehr gut. Hätte sie die Wahl im Frühjahr gewonnen, was wäre dann anders?

Dötsch: Die Sitzungsvorlagen wären in Ordnung, Elisabeth hatte sich bereits als Zweite Bürgermeisterin bewährt und mich oft vertreten. Sie hatte eine Ahnung davon, wie ich den Betrieb geleitet habe. Ob sie das kopiert hätte, weiß ich nicht. Auf jeden Fall hätte sie das Rathaus im Griff, weil sie ein anderes Naturell ist. Frau Kirschner denkt, sie sitzt auf dem hohen Ross, von dem sie herunterpfeift und alle springen. Das ist mein Gefühl, beweisen kann ich das natürlich nicht.

Der Ausgang der Wahl war ein Schlag ins Gesicht der Heinersreuther SPD. Was hat das mit der Partei gemacht?

Dötsch: Es war ein fürchterlicher Schock. Und der Schock sitzt immer noch. Es ist aber nicht so, dass ich schadenfroh bin, wenn jetzt etwas nicht läuft. Ich denke an die Gemeinde und für die ist es schlecht. Deswegen ärgere ich mich auch über Kleinigkeiten. Wenn ich sehe, dass über Weihnachten die Rinnsteine voller Dreck sind – das wird unserem guten Ruf nicht gerecht. Die SPD berappelt sich. Wir sind aktiver als vorher, auch im Internet und mit Aushängen in Schaukästen.

Und die Fraktion?

Dötsch: Ich denke, man merkt, dass bei uns mehr Kompetenz ist als bei der CSU. Was mich sehr überrascht, ist, dass Simone Kirschner aus den eigenen Reihen oft Querschüsse kriegt und dafür relativ wenig Unterstützung. Ich hätte gedacht, die CSU greift ihrer Bürgermeisterin mehr unter die Arme.

Alle Gemeinderäte müssen doch wollen, dass sich die Stimmung bessert?

Dötsch: Ja. Aber dazu brauchen wir eine klare Führungslinie. Dass eine Bauausschusssitzung Stunden dauert, und Zuhörer das Wort ergreifen; dass Gemeinderäte das Wort führen, die gar keine Ausschussmitglieder sind – so etwas hätte ich mir als Bürgermeister nicht gefallen lassen.

Und was kann die SPD-Fraktion dafür tun?

Dötsch: Wir können nur hoffen, dass das Ganze professioneller wird.

Sie gewinnen der Arbeit Ihrer Nachfolgerin bestimmt auch Gutes ab.

Dötsch: Nehmen wir mal den Jugendtreff. Das klingt alles toll. Aber da muss man mal Klartext reden: Gibt es jetzt ein Haus, das man nutzen kann oder nicht? So führt das zu keinem Ergebnis. Wir als SPD hatten das doch auch schon ewig verfolgt. So etwas scheitert an Betreuung, Räumen oder den Jugendlichen selbst. Ich würde Frau Kirschner nicht vorwerfen, wenn der Treff scheitert. Ich weiß, wie schwierig das Thema ist. Wenn ich ehrlich bin: Eigene Vorlagen von ihr habe ich noch nicht gesehen. Obwohl: Die Lösung, unser Streusalz jetzt in Bayreuth zu lagern, ist gut.

Kirschner will die Zusammenarbeit zwischen Kommunen vorantreiben.

Dötsch: Alles Worthülsen! Das machen wir doch seit Jahrzehnten schon. Diakonieverein, Schulverband, Schulverbund, Abwasserzweckverband. Wir haben vieles mit anderen Gemeinden auf dem kleinen Dienstweg gelöst. Es regt mich auf, dass so getan wird, als würde man bei Null beginnen. Sinnvolle neue Kooperationen – darüber können wir freilich reden.

Aus Ihrer Erfahrung: Geben sie Frau Kirschner einen Tipp, damit es besser läuft.

Dötsch: Ich würde versuchen, mit den Leuten, auf die ich angewiesen bin, einen vernünftigen Führungsstil zu praktizieren. So viel Fachkompetenz hat niemand, dass er die Mitarbeiter der Verwaltung und des Bauhofs ersetzen könnte. Sie muss ein Vertrauensverhältnis schaffen. Sonst läuft der Laden nicht. Der Fisch stinkt immer vom Kopf – sie muss bei sich anfangen.

Hat Frau Kirschner das Zeug dazu, den Laden zu schmeißen?

Dötsch: Wenn sie Managerin einer Zahnarztpraxis war, sollte sie das schon drauf haben. Menschenführung ist einer der schwierigsten Jobs. Das musste ich selbst bitter erlernen. Vielleicht hat sie sich diesen Job anders vorgestellt.

Was wünschen Sie der Gemeinde, die sie 18 Jahre lang geführt haben, für die kommenden Monate?

Dötsch: Dass begonnene Projekte abgeschlossen werden. Und wir einen vernünftigen Haushalt bekommen, um zu sehen, was wir uns leisten können. Die SPD will auf jeden Fall Schulden abbauen – auch, wenn es nur ein symbolischer Abbau ist. Von Frau Kirschner wünsche ich mir, dass sie auch unbequeme Wahrheiten ausspricht.

Zum Beispiel?

Dötsch: Eines Ihrer Themen ist die Nahversorgung in Altenplos. Sie muss den Mut haben, den Leuten zu sagen: Es kommt kein Supermarkt mehr hier her. Oder wenn das Geld im Haushalt nicht reicht, dann müssen Projekte eben warten. Zum Beispiel die Sanierung der Sporthalle, auch wenn es bitter ist. Oder das Thema Bundesstraße und Umgehung, das hat sie in den Bürgerversammlungen konsequent totgeschwiegen. Hier muss sie als Bürgermeisterin Stellung beziehen. Ich kann den Leuten nicht immer erzählen, dass alles gut werden wird.

Als CSUlerin hat Kirschner Kontakte in den Landtag durch ihre enge Beziehung zur Abgeordneten Gudrun Brendel-Fischer. Vielleicht wird dadurch wirklich etwas gut?

Dötsch: Sie hat bessere Möglichkeiten, mit München zu kommunizieren. Als im Juli in unserer Nachbargemeinde Neudrossenfeld die Verkehrskonferenz stattfand – eines unserer Kernthemen! – da hat man von einer Heinersreuther Bürgermeisterin nichts gehört. Man muss nur mit den Leuten reden – das war immer ihr Credo im Wahlkampf. Jetzt muss sie endlich anfangen, zu reden.

Ich sehe schon: Sie bleiben ein sehr kritischer Gemeinderat.

Dötsch: Ich habe mich 18 Jahre lang abgestrampelt. Ich werde alles dafür tun, dass das hohe Niveau der Gemeinde erhalten bleibt.