Dass die finanzielle Situation der Volksbühne schwierig werden könnte, habe ein interner Vermerk der Kulturverwaltung für den Regierenden Bürgermeister schon zu Beginn der Spielzeit festgestellt. Bereits im August 2017 habe es dort geheißen: Die „Einnahmen aus Kartenerlösen gehen gegenüber Volksbühne alt zurück“. Für 2018 sei mit einem weiteren „Besucherrückgang zahlende Besucher um 20 Prozent“ gerechnet worden. Nach den Recherchen sei der Besucherrückgang jedoch deutlich höher, was zu weitaus geringeren Einnahmen führt.
Künstlerisches Konzept gescheitert
Dercons künstlerisches Konzept scheiterte. Er setzte auf eine radikale Internationalisierung und eine Verschränkung der Kunstformen. Es gab einen manchmal verwegen verschrobenen intellektuellen Ansatz. Die Verpflichtung von Visconti-Schauspieler Helmut Berger wirkte zuletzt wie eine verzweifelt um Aufmerksamkeit heischende Aktion. Jedem neuen Intendanten wird in der Regel etwas Zeit gegeben, um seinen Stil und seine Richtung zu finden. Dercons Volksbühnen-Start aber stand von Anfang an unter keinem guten Stern.
Auch nach einem Vierteljahrhundert mit dem unwillig scheidenden Volksbühnen-Chef Frank Castorf (66) wollten dessen Fans nicht von ihm lassen. Zehntausende Menschen unterschrieben eine Petition für den Erhalt der Volksbühne als Repertoire- und Ensembletheater. Volksbühnen-Stars wie Sophie Rois, Martin Wuttke und Birgit Minichmayr äußerten große Sorge. „Dieser Intendantenwechsel ist keine freundliche Übernahme“, hieß es.
Die umstrittene Berufung des Museumsmachers komme unter dem neuen rot-rot-grünen Senat nochmals auf den Prüfstand, so Lederer im Herbst 2016. Im Wahlkampf hatte sich der spätere Kultursenator mit dem Protest der Theatermitarbeiter solidarisch erklärt. „Wir lassen uns nicht irritieren“, konterte der 2015 in der Zeit des damaligen Kulturstaatssekretärs Tim Renner berufene Dercon stets.
Früh beschädigter Ruf
Zuletzt war Dercon Direktor des Londoner Museums Tate Modern gewesen. Besonders schwierig war es für ihn offensichtlich, die Forderung nach dem raschen Aufbau eines neuen Volksbühnen-Ensembles zu erfüllen. Mit dem bereits früh beschädigten Ruf des Theaters ließen sich kaum mehr Künstler ködern.
Jetzt liegt der Ball bei Berlins Kultursenator Lederer. Gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ dementierte die Kulturverwaltung bereits Spekulationen, wonach der Stuttgarter Theaterintendant und frühere Berliner Gorki-Theater-Chef Armin Petras die Nachfolge von Dercon antritt. Dies sei nicht mehr als ein Gerücht, das er dementiere, so ein Sprecher am Freitag. Petras verlässt das Schauspiel Stuttgart zum Ende der Saison.