"Dass OB Hohl Schulden abgebaut hat, ist ein Märchen"

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Haushaltsrede von Helmut Oskar Brückner, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen

 
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Über das angemessene Verhältnis von Investitionen und Verschuldung zu Verzicht und Einsparungen kann man sicher lange streiten. Die aktuelle EU-Politik führt uns derzeit drastisch vor, dass rigide und ausschließliche Sparpolitik mehr Probleme als Verbesserungen hervorruft. Der am 23. Mai von Frau OB Merk-Erbe vorgelegte Haushalt war allerdings keineswegs davon geprägt.

Der städtische Anteil an Investitionen allein im Hochbaubereich beträgt fast 8 Mio Euro, insgesamt liegt die Summe der extremen Vielzahl der geplanten oder bereits begonnenen Investitionen bei 38 Mio Euro! Wir hatten das Glück, dass die Einnahmen noch höher ausfielen als erwartet. Trotzdem kann dieser HH nur finanziert werden, wenn die Kreditlinien von 2010 und 2011 in Höhe von fast 20 Mio Euro in Anspruch genommen werden und außerdem  der Schuldenstand durch den normalen Haushaltsvollzug weiter erhöht wird, weil nicht einmal die ordentliche Schuldentilgung von 6 Mio Euro aus dem Saldo des Verwaltungs-HH geleistet werden kann!

Wir haben diese Entwicklung in den Jahren 2011 und 2012 oft kritisiert und Vorhaben abgelehnt, deren Finanzierung und Folgekosten sehr teuer waren,  nicht vollständig vorgelegt wurden und/ oder nicht dem Prinzip der Nachhaltigkeit entsprachen. Etliche StadträtInnen und Fraktionen haben dies nicht verstanden und uns dafür kritisiert. Wären Sie uns öfter gefolgt, stünden wir heute erheblich besser da!

Dieser äußerst problematische Haushalt, ist Ex-OB Dr. Hohl zu verdanken, der sich -womöglich seine Abwahl vorausahnend - noch möglichst viele Denkmäler setzen wollte. JedeR kann verstehen, dass die neue OB nicht innerhalb von 22 Tagen einen Haushalt, der in monatelanger Arbeit vorbereitet und erstellt wurde, noch wesentlich verändern kann; vielleicht mit Ausnahme des Kollegen Nadler, der vor kurzem in diesem Gremium meinte, den Haushalt von Frau OB Merk-Erbe kritisieren zu müssen.

Auf dieser völlig unsinnigen Zuordnung beruht ja auch das Märchen, Dr. Hohl habe den städtischen Haushalt in seiner Amtszeit um 15 Mio Euro Schulden abgebaut, in Wahrheit sind nochmal 3,5 Mio dazugekommen. Sonst hätten wir ja jetzt auch nicht diesen hoch problematischen Haushalt!

Angesichts dieser Ausgangslage haben Referent Rubenbauer und sein Team sich sehr große Mühe gegeben, daraus doch noch einen genehmigungsfähigen HH zu zimmern. Ich möchte ihm – und allen Beschäftigten, die durch die Einführung der Doppik in weit größerem Maße als bei den früheren HH-Aufstellungen belastet waren - ausdrücklich dafür danken!

Das Gebot der Stunde war dennoch klar. Nachdem Bayreuth bereits jetzt von seiner Substanz lebt und dabei ist seine liquiden Reserven, Million für Million, aufzubrauchen hat, ist  die logische und dringend gebotene Konsequenz: Einsparen, was vielleicht wünschenswert wäre, aber nicht unbedingt sofort realisiert werden muss, einsparen was nicht nachhaltig ist.  Der Begriff „nachhaltig“ wird ja gern und häufig gebraucht, oft hält aber das Etikett nicht, was es verspricht. Es muss schon in seiner eigentlichen Bedeutung verstanden werden: Nachhaltig ist eine HH-Position, wenn sie möglichst ab sofort zu dauerhaften Einsparungen in der Zukunft führt, anstatt zu jahrelangen Folgekosten, oder wenn sie von großer Bedeutung für die Daseinsvorsorge der Bürger/innen, insbesondere die der nächsten Generationen, ist.

Wir hatten aus diesen Gründen 10 Spar-Anträge eingebracht, in der Summe zwar „nur“, aber immerhin von insgesamt 1,6 Millionen Euro. Wir wollten davon Schulden getilgt und energetische Gebäudesanierungen sowie die Ausweitung des Energiemanagements an Bayreuther Schulen finanziert haben.

Dass die CSU- und häufig auch die SPD-Fraktion, die ohne ihre Fraktionsvorsitzende etwas orientierungslos wirkte, im Verlauf der HH-Beratungen mit einer Ausnahme all unsere Anträge ablehnten, fand ich schlimm, absolut unverständlich war für mich aber, dass sie zusätzlich eine ganze Anzahl weiterer kostenwirksamer Anträge beschlossen, ohne deren Finanzierbarkeit darzustellen, wie es die Geschäftsordnung eigentlich erfordert. Angesichts der Problemlage dieses HH kann ein derartiges Handeln nur als in hohem Maße verantwortungslos bezeichnet werden! Und so frage ich Euch und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was bezwecken Sie damit? Begreifen Sie nicht, dass Sie dadurch eine immer höhere Dauerverschuldung herbeiführen und unseren Handlungsspielraum  auf Jahre hinaus drastisch einengen? Viele der Investitionen, die in diesem HH beschlossen werden, müssen über mehrere Folgejahre finanziert werden. Wollen Sie, inspiriert durch die EM, unbedingt für Bayreuth den 1. Platz in Bayern bei der Pro-Kopf-Verschuldung erreichen? Ein nachvollziehbares, rationales Motiv für diese Schuldenmehrung erschließt sich mir nicht.

Kollege Specht hat seine Aussage im ‚NK‘ vom 16.5., dass „er es als oberstes Ziel ansehe, keine neuen Schulden zu machen“, ad absurdum geführt. Dies machen Sie nicht dadurch besser, dass Sie letzten Montag im ‚NK‘ sagen, „die Einnahmenseite werde bisher vernachlässigt“. Herr Kollege Dr. Specht, vor den Einnahmen entstehen erst einmal Kosten, und zwar mit absoluter Sicherheit, während die Generierung von Einnahmen auf Hoffnungen und bloßen Annahmen basieren und in der Regel nicht kostendeckend sind.

Der Gipfel des absurden Wunschdenkens wurde mit dem CSU/SPD-Antrag erreicht, „die Verwaltung möge möglichst kurzfristig ein Alternativmodell zur Realisierung des Kongresszentrums prüfen und sofern es finanzierbar erscheint spätestens in der Juli-Stadtratssitzung einen Grundsatzbeschluss zur Realisierung herbeizuführen.

Es ist nicht zu fassen: Eine sorgfältige, mehrjährige Planung mit Unterstützung von ausgewiesenen Fachleuten hat sich am Ende – Gott sei Dank- als nicht finanzierbar erwiesen. Jetzt soll die Verwaltung in 35 Tagen einen beratungs- und beschlussreifen Entwurf vorlegen und - noch absurder – der Stadtrat einen bindenden Grundsatzbeschluss fassen!!

Die Grundlagen hierfür sind äußerst unkonkret gehalten:
•    Die Stadt baut das Tagungszentrum selbst  mit einer 25-jährigen Finanzierung.
•    Die weitere Finanzierung erfolgt durch die Unterstellung, alle bisherigen Zuschuss- und Fördermittel stünden weiter zur Verfügung -  auf der Grundlage welcher Konzeptplanungen eigentlich?
•    Und des weiteren durch fiktive Ersparnisse infolge des Verzichts auf eine Multifunktionslösung bei der Stadthallensanierung, einer Maßnahme, die überhaupt noch nicht spruchreif oder gar beschlossen ist.
•    Die Detailplanungen und weiteren Fördervoraussetzungen könnten dann während der Sommerpause abgestimmt werden.

Ein toller Plan: Finanzierung durch fiktive Gelder, Abstimmungen der Planungen,  ohne dass auch nur ungefähre Planungen oder Konzepte vorhanden sind!!
Das wäre die Fortsetzung der Hohl-Politik, nur noch schwammiger und unklarer!

Für Bayreuth wäre es sehr viel wichtiger, folgende fundamentalen Versäumnisse endlich anzugehen:

1. Schon längst hätte man in Bayreuth Ökologie und Ökonomie zusammen denken und alle investiven Maßnahmen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit treffen müssen. Bayreuth hat immer noch kein Klimakonzept mit klaren Zielen wie z.B. CO2-Minderung, Einsparung von Energie und Einsatz von erneuerbaren Energien. Andere Städte haben für alle städtische Gebäude und Liegenschaften ein Energiemanagement eingerichtet.
Hier rächen sich die Versäumnisse früherer Jahre. Die Situation der Stadtwerke wäre heute eine andere, hätte man bereits vor Jahren begonnen, diese zu einem modernen kommunalen Dienstleistungsunternehmen der Daseinsvorsorge umzubauen. Schon längst hätten sich die Stadtwerke neue Geschäftsfelder erschließen und die umweltverträgliche Stromerzeugung, Kraft-Wärme-Kopplung, das Wärmenetz und die Eigenstromerzeugung nach ökologischen Kriterien ausbauen müssen.  Stattdessen setzt man insbesondere bei der BEW immer noch auf Einnahmen aus dem Strom-, Gas- und Wasserkauf, wohlwissend, dass die Margen zwischen Bezug und Verkauf immer enger werden.
 
Sehr geehrte Frau OB Merk-Erbe, Sie haben in ihrem Wahlkampf eingeräumt, dass sie auf diesem Gebiet noch Fortbildungsbedarf haben. Diese wenigen Punkte wären schon mal eine Handlungsanleitung, deren Umsetzung uns ein großes Stück voran bringen würde.

2. Der demografische Wandel wird nicht mehr bestritten, aber ein konsequentes Handeln danach gibt es noch nicht. Es werden nach wie vor immer wieder neue Wohn- und Gewerbegebiete ausgewiesen, obwohl wir bei beiden genügend Leerstände in der Innenstadt und am Stadtrand haben. Die neu entstandene Infrastruktur muss mit steigenden Kosten unterhalten werden. Es ist schon absurd: Wir praktizieren einen immer größeren Flächenverbrauch für immer weniger Einwohner. Stattdessen sollte man sich der großen Herausforderung widmen: Da der Altersdurchschnitt der Bevölkerung ansteigt, sollte bei der Innenstadtverdichtung verstärkt an seniorengerechte Wohnungen und Wohnformen gedacht werden.  

3. Für Straßenausbau und Asphaltierung  sind 327 T Euro vorgesehen, begleitende nachhaltige Maßnahmen wie eine Transitsperre auf den durch BT führenden Bundesstraßen oder Ausweitung der Tempo-30-Zonen werden gar nicht erst versucht, obwohl sie nichts kosten würden und sofort umgesetzt werden könnten. Für die Rad- und Fußwege, deren BenutzerInnen keine Umweltbelastungen verursachen, gibt es für beide gemeinsam 19.300 Euro. Dies ist zwar fast die doppelte Summe wie im vorigen HH, reicht  aber bei weitem noch nicht für den notwendigen Ausbau und zur Beseitigung des Investitionsstaus, der über die letzten Jahre hinweg in diesem Bereich entstanden ist. Dabei müsste der Umstieg auf Fahrrad oder Bus attraktiver gemacht werden. Es ist eine Schande, dass Bayreuth noch über kein geschlossenes Radwegenetz verfügt.

Beim Haushaltsvollzug werden wir penetrant die vorrangige Notwendigkeit von Einsparungen einfordern:

Mehrere 100 Tausend Euro können und müssen bei unserem Luxus-Objekt
Nr. 1 auf Dauer eingespart werden – dem VLP Bayreuth. Es ist ein absolutes Unding, dass wir uns  durchschnittlich 1 gewerblichen Flug pro Tag jährlich zwischen 350T bis 400T Euro kosten lassen. In dieser Disziplin stehen wir in Bayern auf dem 1. Platz für sinnlose Geldverschwendung. Sehr geehrter Herr Pfeifer, legen Sie uns dazu bald etwas vor! Zur Erinnerung noch einmal ein Satz aus dem CDM-Gutachten von 2007: „Art und Umfang des Betriebes eines VLP und damit auch Art und Umfang der Aufwendungen haben sich an dem tatsächlichen oder zukünftig plausibel prognostizierten Bedarf zu orientieren und nicht an einem Wunschziel.“

Der Personalbestand ist unter OB Hohl stark angewachsen, vor einem Jahr habe ich die Zunahme der Personalkosten um 1,1 Mio Euro auf 62,5 Mio Euro kritisiert. In diesem Jahr sind die Personalaufwendungen laut Ergebnis-HH bereits auf über 66 Mio angewachsen und für 2015 werden sie mit fast 70 Mio angesetzt! Auch wenn ein großer Teil der Kostenmehrung fremdbestimmt ist,
müssen auf Dauer die Kosten – sozialverträglich - reduziert werden. Wir erwarten auch dazu baldige Vorschläge.

Das heißt außerdem, dass wir bei allen kostenwirksamen Anträgen und Maßnahmen noch gewissenhafter darauf achten werden, was nicht unbedingt noch in 2012 realisiert werden muss. Das Hauptkriterium für jede Investition ist für unsere Fraktion nun noch stärker als bisher - die Nachhaltigkeit: Führt die Investition möglichst sofort zu dauerhaften Einsparungen in der Zukunft und ist sie von zweifellosem Nutzen für die nachfolgenden Generationen?

Dem jetzt zwar von OB Merk-Erbe vorgelegten, aber im wesentlichen  von Ex-OB Hohl geprägten und geschuldeten Haushalt können wir somit keinesfalls zustimmen, da nicht nur mit einer Ausnahme alle unsere Sparvorschläge abgelehnt, sondern ganz im Gegenteil auch noch eine Reihe weiterer kostenwirksamer Anträge dazu gepackt wurde.

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Haushaltsrede von Helmut Oskar Brückner, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen
 

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