Das war an seinem Geburtstag, im Oktober. Viele seiner Freunde sind an den Drogen gestorben. Er wollte nicht der Nächste sein.
Doch die Rückfallquote ist hoch: 90 Prozent derer, die das Haus Königstein verlassen, kommen wieder. „Die Zahlen sind entmutigend“, sagt Doris Rhea. Es seien vor allem die Einsamkeit und die Langeweile, die einen Rückfall auslösen. Vielen Suchtkranke fehlt eine Familie. So auch Tim Z. Er hat keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter und seinem Bruder. „Die konnten einfach nicht verstehen, warum ich Drogen nehme.“ Zu seinem Vater hat er noch Kontakt.
Geregelter Tagesablauf ist nötig
Auch Werner J. hat niemanden. Der 72-Jährige ist gelernter Schlosser. Im Haus Königstein gibt es eine Schlosserei, dort arbeitet er. Neben der Schlosserei gibt es eine Schreinerei, eine Möbelrestauration und eine Kreativwerkstatt. Ein geregelter Tagesablauf ist nötig, um den Suchtkranken Halt zu geben. Ergänzend zur Arbeitstherapie bietet das Haus therapeutische Angebote. Die offene Einrichtung gibt es seit 1994. Offen bedeutet, dass niemand bleiben muss. Die Bewohner dürfen auf eigene Faust losziehen. Tim Z. hatte am 9. Februar zum ersten Mal Ausgang. Er ist in den Supermarkt nach Königstein gegangen. Weiter weg darf er noch nicht. Sucht ist eine Krankheit, die alle Gesellschaftsschichten trifft. Im Haus Königstein lebten Notärzte, Akademiker, Menschen ohne Ausbildung. Sie bleiben so lange hier, bis sie wieder auf eigenen Beinen stehen können.
Werner J. scheint das geschafft zu haben. Bis Ostern will er entscheiden, ob er auszieht. Er will alleine wohnen, ohne Betreuung. „Man will das ja selber in den Griff kriegen“, sagt er. Ein Rückfall wäre für ihn eine Katastrophe. Doch er weiß: „Das kann jedem passieren. Ich bin aber nicht jeder.“ Laut Doris Rhea sei das Umfeld das Problem. Wer zurück ins Obdachlosenheim geht, habe keine Chance trocken zu bleiben. Die Ursache für eine Sucht sieht sie auch in der Gesellschaft. Die Erwartungen an die Menschen seien so hoch, vor allem in der Arbeitswelt. „Es gibt Menschen, die diese Belastungen nicht aushalten.“
Ins betreute Wohnen gehen
Werner J. will schon allein aus Stolz nicht rückfällig werden. Was würden die anderen Bewohner sagen, wenn er wiederkäme? Vielleicht geht er nach Stuttgart, sagt er. Vielleicht reist er durch Deutschland, sagt er. Die Geschehnisse in jener schicksalhaften Nacht habe er nicht verdrängt, aber „es ist vorbei“. Er sagt das so, als sei er wirklich davon überzeugt.
Tim Z. dagegen wird auf unbestimmte Zeit in Königstein bleiben. Wenn er irgendwann hier rauskommt, will er ins betreute Wohnen, auf keinen Fall aber nach Nürnberg, wo er fester Bestandteil der Drogenszene war. Seinen Konsum finanzierte er sich mit dem Dealen.
Doch einfach so kommt Tim Z. nicht von den Drogen weg, nicht nach all den Jahren. Nicht nach all dem, was er genommen hat. Er ist auf Methadon, ein Heroinersatzstoff. Sein starrer Blick und seine glasigen Augen sind Nebenwirkungen des Stoffs, der sein Verlangen nach Heroin unterdrückt. Tim Z. ist motiviert, im dritten Anlauf clean zu werden. Er ist glücklich, dass er im Haus Königstein einen Platz bekommen hat. Hätte das nicht geklappt, „wäre ich bestimmt schon tot“.