Nicht für jemanden, der mit seiner Nikon seit 2008 heimlich Fotos davon macht, wie er jungen Frauen, die er zuvor betäubt haben soll, die Schlüpfer auszieht und an ihrem Intimbereich hantiert. Nicht für jemanden, der jungen Frauen Plugs einführt, Sexspielzeug zum Weiten von Körperöffnungen, PVC-, phthalatfrei, antibakteriell, angeblich um Blutgefäße besser sehen zu können. Und nicht für jemanden, der einige der Frauen mit dem Beruhigungsmittel im Blut noch heimfahren ließ. Nicht für jemanden, der von einer Studie sprach, die es offiziell nicht gab. Nicht für Heinz W.
Lautloseres Vorgehen hätte
die Frauen geschont
Die Frauen haben nichts mitbekommen. Allenfalls gibt es Erinnerungslücken, fehlende Tampons nach den Untersuchungen, das komische Gefühl des „Herumfummelns“, dass da etwas nicht richtig gewesen sein könnte, nicht schlüssige Erklärungen von W. Es ist paradox, aber traumatisiert wurden die Frauen erst durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, ohne die sie nie etwas erfahren hätten, nicht durch W.
Die Ermittler schlugen laut zu. Schnell hatte der Staatsanwalt die Zahl der Fotos zusammengezählt: Es kursierten Zahlen in Höhe von mehr als einer Million. Zur Anklage kommen nach Informationen dieser Zeitung etwa 90 Fotos. Mit einem öffentlichen Aufruf und einer Telefon-Hotline suchten die Ermittler nach angeblichen Opfern. Ein lautloseres Vorgehen hätte die Frauen geschont, heißt es auf Seiten der Verteidigung. Vor Gericht will er alles erklären, vor allem die medizinischen Details. Er bleibt dabei: Alles zu medizinischen Zwecken. „Könnte es nicht doch sein?“, fragt Klaus Bernsmann (68), einer seiner drei Verteidiger. W., ein besessener Forscher? Einer, der ungewöhnliche, ja verbotene Wege zu gehen bereit ist? Einer mit einer außergewöhnlichen Idee, die quer zur Schulmedizin liegt? Nirgends auf den Fotos und Filmen sei W. erregt, er trage Handschuhe und Kittel, tippe auf seinem Computer. Junge, schlanke Frauen mit dem Risiko von Thrombose in späteren Jahren? „Ein Forschungsloch“, sagen Experten – aber nicht laut. Die meisten Frauen waren seine Patientinnen, hatten Gefäßleiden. Also doch Wissenschaft anstatt sexuelle Befriedigung? Haben die Ermittler erschöpfend nach dieser Möglichkeit gesucht? W.s Anwälte hüllen sich in Schweigen. Aber es klingt nach einem klaren Nein. Die vor Gericht alles entscheidende Frage wird sein: Ging es wirklich um sexuelle Handlungen im Sinne des Strafgesetzbuches? Auch dazu schweigen die Anwälte.
W.s Frau, selbst Ärztin, hält zu ihm, besucht ihn regelmäßig in der Untersuchungshaft. Auf Anfrage dieser Zeitung widerspricht sie Trennungsgerüchten. Der Prozess, der am 7. April vor dem Landgericht Bamberg beginnt, wird weitgehend hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die Frauen sollen geschützt werden in ihrer Intimsphäre. Um den Schutz von W. geht es längst nicht mehr.