Ende der Kult-Konditorei: Brigitte und Gerd Händel haben endgültig ihr Café geschlossen - Interessenten sind da Café Händel: Im Traum backt er weiter

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Die Krankheit ist stärker: Weil es seiner Frau Brigitte gesundheitlich nicht gut geht, hat sich Konditormeister Gerd Händel jetzt überzeugen lassen, die Konditorei und das Café in der Dammallee zu schließen. Schweren Herzens. Denn weitergemacht hätte der 65-Jährige gerne noch ein bisschen. Für sich. Für die Kunden, die das beliebte Café schwer vermissen.

 
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Am Samstagmorgen, kurz vor dem Gespräch mit unserer Zeitung, "hat schon wieder einer angerufen und wollte eine Torte bestellen. Und am Freitag wollte ein anderer Kunde seine Lebkuchen bestellen. Wie jedes Jahr im Oktober. Der lässt sie sich immer nach Berlin schicken", sagt Gerd Händel. Café-Stammkunden bleiben vor der Tür stehen, schauen auf den Spitzen-Tortenunterlage, auf der mit schwarzem Filzstift geschrieben "geschlossen" steht. Ungläubig schauen sie. Weil da eine Institution zugemacht hat. "Schade", sagt einer, der die Händels vor der Türe trifft. "Wirklich schade. Wo sollen wir denn jetzt hin?" Viele Gäste hätten es gewusst, dass es irgendwann so weit sein wird. "Aber sie wollten es nicht glauben", sagt Brigitte Händel.

Es geht nicht mehr

Aber: Es geht einfach nicht mehr. "Ich wollt' ja schon im Frühjahr zumachen", sagt Brigitte Händel. "Ich schaff es nicht mehr, den ganzen Tag im Geschäft zu stehen. Stundenweise vielleicht. Aber mit 71, da möchte man auch mal seine Ruhe haben." Doch es ist nicht das Alter. Es ist der Krebs. Vor vier Jahren musste Brigitte Händel sich einer Darmkrebs-Operation unterziehen. "Danach war lange Ruhe. Jetzt ist es wieder aufgetaucht. Jeden Tag außer am Wochenende muss sie zur Bestrahlung. Im Juni zog sie sich zudem bei einem schweren Sturz auf der Treppe im Haus einen Schädelbruch zu. "Ich war nie richtig schwer krank. Mein ganzes Leben lang. Aber jetzt..."

Mehr als 100 Jahre Geschichte

Es brauchte trotzdem Überzeugungsarbeit, bis Gerd Händel (65), der seit vier Monaten Rente bekommt, bereit war, doch den Schritt zu gehen. Den Schritt, das Café und seine Konditorei zu schließen. 38 Jahre hat er das Händel betrieben. "Wie der Urgroßvater, der Großvater, der Vater, der wegen des Krieges ausgefallen ist, dann ich. Auch mein Sohn ist Konditor", sagt Händel. 63 Jahre lang gab es das Café, "vorher war es eine reine Konditorei". Seit mehr als 100 Jahren verkauften die Händels in der Dammallee 20 Torten, Kuchen, Krapfen und Plätzchen. Anders als bei anderen, die mit 65 in Ruhestand gehen, vielleicht ein lachendes und ein weinendes Auge haben wegen des neuen Lebensabschnitts, sagt Gerd Händel: "Wenn ich drei Augen hätte, würden drei Augen weinen. Die Umstellung ist einfach zu groß." 

Nachts rächen sich die ungebackenen Plätzchen

Nachts holt ihn die Arbeit ein. Da scheinen die ungebackenen Torten und Plätzchen Rache nehmen zu wollen. Vergangene Woche Montag und Dienstag wäre das Geschäft ja ohnehin zu gewesen. Ruhetage. "Aber am Mittwoch, dem ersten Tag, an dem zu war, war es richtig schlimm. Geschlafen habe ich ohnehin in der Nacht kaum. Aber wenn ich mal eingeschlafen bin, dann habe ich Plätzchen gebacken. Butterplätzchen", sagt Gerd Händel. In der Nacht zum Samstag hat er im Traum Schaffhauser gebacken. Und in der Nacht davor ist er gependelt. Zwischen seiner Backstube und der von Werner Dippold, bei dem Händel 1964 begonnen hatte, das Handwerk zu lernen. „Ich habe in der ersten Klasse schon gesagt, dass ich Konditor werde. Nicht wie die anderen, die Polizist oder Maurer werden wollten.“

Wie Phönix aus der Asche?

Händel sagt, es hätten sich in den vergangenen Tagen einige Interessenten gemeldet, die es sich überlegen wollten, das Café zu übernehmen. "Einer ist dabei, bei dem würde es mich besonders freuen. Der kommt aus meinem Beruf", sagt Gerd Händel. "Und er hat auch beim Dippod gelernt", ergänzt seine Frau. "Ich würde mich auch freuen, wenn ich mein Wissen und mein Können auch einbringen könnte. Wenn ich in der Backstufe gebraucht werde. Auch stundenweise. Es sei denn, ich muss schnell mal nach Leups, dann geht's natürlich nicht", wie er mit einem Augenzwinkern sagt. Er hofft, dass das kleine Café irgendwann doch noch einmal aufmacht. "So ähnlich wie Phönix aus der Asche", wie er sagt.  

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