Burger-Franken: Eine fränkische Stadt in Amerika

Von Dorothea Wagner

Frankenmuth hat knapp 5000 Einwohner. Trotzdem kennen fast alle Amerikaner die kleine Stadt in Michigan. Als „Klein-Bayern“, als eine Art bayerischer Freizeitpark voller Lederhosen, Dirndl und anderer schrulliger Traditionen. Fest steht: Es ist vielleicht der einzige Ort, an dem die Grenzen zwischen Franken und Bayern verschwinden. Ein Besuch.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Der Barmann zapft das Bier in Plastikbecher. Es ist ein warmer Sommerabend, die Gäste des Biergartens sitzen auf grauen Plastikstühlen im Sonnenlicht. In der Mitte des Platzes steht ein weiß-blau gestreiftes Zelt, darin: Tom und George an Akkordeon und E-Gitarre. Die beiden tragen Lederhosen. „Jääägermeister“, schreit Tom ins Mikrophon. Er ist kaum lauter als die großen Trucks, die auf der benachbarten Schnellstraße mit röhrenden Motoren fahren.

Die Gäste prosten der Band mit den Plastikbechern zu. Ein Signal für Tom. Er stimmt an: „Ein Broooosit, ein Broooosit, da Gemüadlichkeit.“ Warum die Aussprache so komisch klingt? Willkommen in Frankenmuth. Frankenmuth, Michigan. Dem amerikanischen Franken.

Einer der häufigsten Familiennamen: "Schluckbier"

Frankenmuth wurde im Jahr 1845 von 15 Siedlern aus dem mittelfränkischen Neuendettelsau gegründet. Die Familien kamen im Auftrag der Kirche, sie sollten die Ureinwohner in diesem östlichen Teil Michigans missionieren. Immer mehr Familien kamen nach, immer aus Franken. Mitgebracht haben sie ihre Tradition, die bis heute überlebt hat. In Teilen. Denn in der Touristenmetropole Frankenmuth mischt sich fränkisch mit bayerisch mit schwarzwälderisch mit schwäbisch. Gespickt mit amerikanischem Weltverständnis.

Auf jeden Fall spielt das wohl wichtigste fränkische Kulturgut in Frankenmuth eine große Rolle: das Bier. „Schluckbier“ und „Bierlein“ zählen zu den häufigsten Nachnamen in der Stadt. Jedes Jahr wird in Frankenmuth das Oktoberfest gefeiert, außerdem zieht die Bier-Weltausstellung tausende Besucher in die kleine Stadt.

Auch die älteste Brauerei Michigans steht in Frankenmuth. Auf den Flachbildfernsehern im Schankraum läuft ein Football-Spiel, über dem dunklen Holztresen hängt ein Schild: „Das Bier Line“. Hier soll man sich anstellen. Besonders stolz ist die Brauerei auf die Sorten „Twisted Helles“ – mit Orangen- und Zitronennote – sowie auf „Rumpelstilzchen“, Bier mit Ahornsirup, erzählt Bar-Manager Brandon Cataline und nippt am Radler. „Aber das Bier selbst brauen wir nach dem bayerischen Reinheitsgebot“, beteuert er. Das Symbol der Brauerei: ein dicker Dackel.

Nordsee-Schlager im fränkischen Einkaufszentrum

Die Brauerei erhebt sich über dem Crass River – einem breiten Fluss, über den sich eine Holzbrücke spannt. Am Flussufer strecken sich große Bäume in den Himmel, dahinter ragen rot-weiße Fachwerkhäuser hervor. Etwas flussabwärts folgt das Einkaufszentrum Frankenmuths, die RiverPlace Shops. Die Mall ist wie ein fränkisches Dorf gestaltet – oder so, wie sich US-Amerikaner ein fränkisches Dorf vorstellen. Die holzvertäfelten Häuser ziehen sich entlang eines künstlich angelegten Baches, aus den Lautsprechern dudelt „An der Nordseeküste“ von Klaus und Klaus.

Doch Deutsch plärrt in Frankenmuth nicht nur aus Lautsprechern. Fast jedes Geschäft und jede Touristenattraktion spielen auf ihren Schildern mit deutschen Wörtern. „Schnitzelbank Biergarten“ heißt eine Bar, „Coffee Haus“ das Café und beim Metzgereifachgeschäft gibt es „Imported Brötchen“.

Auch viele ältere Einwohner sprechen noch deutsch, besser gesagt: fränkisch. „Wenn ich Deutsch rede, ist das immer a weng verkehrt“, sagt Judy Simmermann. Die 69-jährige Frankenmutherin wurde noch auf fränkisch erzogen. Bis zur ersten Klasse konnte sie kein Englisch sprechen – und auch kein Hochdeutsch. „Ich habe es dem Lehrer nicht leicht gemacht“, sagt sie. Früher mussten alle Schüler Deutsch lernen, heute ist es an den meisten Schulen nur noch ein Wahlfach. Viele der jungen Frankenmuther können nur noch ein paar Brocken Deutsch.

Bayerisch - fränkisch - egal

Trotzdem sind sie stolz auf ihre fränkischen Wurzeln, erzählen Stephanie, Jake und Kirsten. Die drei sind in Frankenmuth aufgewachsen. Sie sitzen abends in der Bar „Tiffany’s“ auf einer großen Holzveranda an der Hauptstraße. In Deutschland war bis jetzt nur Stephanie, auf einem Schüleraustausch. „Aber ich kann mich ehrlich gesagt nur noch an wenig erinnern.“ Kirsten holt das Smartphone aus ihrer Tasche und zeigt Fotos, auf denen sie Dirndl trägt. „Das Bayerische ist cool, es macht uns zu etwas besonderem“, sagt sie. Ihr Freund Jake ergänzt: „Touristen denken immer, dass hier alles nur Fassade ist. Aber man kann hier leben, wirklich.“

Die Touristen sitzen auf der anderen Seite der Straße im „Bavarian Inn“, einem Restaurant mit Glockenturm. Gerade wird die Vorspeise serviert: Toast mit eingebackenen Lebkuchengewürzen, dazu Butter und Marmelade. Amerikanisierte bayerische Küche, erklärt die Restaurantbesitzerin. Die Wände sind mit deutschen Märchenfiguren bemalt, die Kellnerinnen tragen kornblumenblaue Dirndl und rote Kappen mit Federn, die Männer Lederhosen, dazu ein weißes Hemd und Krawatte. Eine Akkordeonspielerin mit Blumenkranz im Haar läuft durch die Reihen und singt deutsche Schlager. Der Text passt nicht immer, aber die Melodie stimmt. Das Mädchen am Nebentisch steht auf und wippt mit. Ihre rosa Plastiksandalen haben eingebaute Lichter, die rot blinken.

Bilder