Gegner der Stromtrasse befürchten Verwässerung des "kategorischen Neins" Bürgerinitiative Pegnitz will mit Seehofer reden

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So könnte es irgendwann auch bei uns aussehen: Unser Bild zeigt zwei Stromtrassen mit bis zu 75 Meter hohen Masten nahe der A 67 bei Darmstadt. Foto: Beil Foto: red

Das „kategorische Nein“ ist weg. Und deshalb wollen sie jetzt mit IHM persönlich sprechen. Mit jenem Mann, der dieses Nein immer wieder verkündet hatte. Öffentlich. Lauthals. Ein Nein ohne Wenn und Aber. Ein Nein gegen die so umstrittene Gleichstromtrasse, die Bayern durchschneiden soll. Jetzt, so sagen sie, wird dieses kategorische Nein von Ministerpräsident Horst Seehofer durch die Hintertür zu einem weichen Nein gemacht. Und deshalb müsse man weiterkämpfen. Wie beim Aktionstag entlang der vorgesehenen Süd-Ost-Trasse am kommenden Sonntag.

 
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Es sind Aussagen von Christine Haderthauer, Leiterin der Staatskanzlei, die Prof. Markus Bieswanger und Gerd Weber, Sprecher der Pegnitzer Bürgerinitiative Pegnitz unter Strom, unwillig stimmen. Hatte sie doch wie berichtet in einem Interview gesagt, es dürfe nur Strom aus erneuerbaren Energien durch Bayern transportiert werden. Also Windstrom und kein Braunkohlestrom. Das müsse sichergestellt sein. Und: Sollte ein Trassenausbau nötig sein, müsse erörtert werden, wie und mit welchem Verlauf das „verträglich und sinnvoll“ umgesetzt werden könne.

„Wir haben den Eindruck, dass da nach der Europawahl Testballons gestartet werden“, kommentiert Bieswanger das. Erst heiße es, es dürfe keine Trasse geben. Jetzt heiße es, das Projekt „muss genau geprüft werden“. Das habe mit einer klaren Absage an die Stromtrasse nichts mehr zu tun. „Aber wir hoffen natürlich, dass Seehofer weiter dazu steht, deshalb suchen wir das Gespräch mit ihm selbst“, so Gerd Weber. Kein einfaches Unterfangen, ergänzt BI-Kollege Bieswanger: „Das dauert schon seine Zeit, bis es da zu einem Termin kommt.“

Was beide auch stört: Selbst wenn man Haderthauers Worte richtig ernstnehmen müsste, fehle die Realitätsnähe. Weil es schon rein technisch so gut wie unmöglich sei, ausschließlich Windstrom durch die Leitungen für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) fließen zu lassen. Denn das bestimmen andere, nicht die Staatsregierung. „Die Strombörse etwa“, sagt Weber. Da gehe es ums Geld. Und da rangiere Braunkohlestrom – weil kräftig subventioniert und somit billiger – nun einmal deutlich vor Strom aus Windenergie.

Bieswanger verweist zudem auf Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Dieser habe unmissverständlich erklärt, ohne Strommix gehe nichts. Sprich: Es sei undenkbar, „in einem Landstrich nur Strom aus Braunkohle und in einem anderen nur Windstrom zu transportieren“.

Letztlich gehe es ums Geldverdienen, gehe es um den europäischen Stromhandel: „Dafür ist die Trasse wichtig“, sagt Weber. Er und Bieswanger erinnern an Äußerungen von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Dieser hatte gefordert, den Trassenausbau voranzutreiben, sie dieser doch Teil eines Plans, HGÜ-Leitungen in ganz Europa zu vernetzen. Ein Plan, so Bieswanger, der bereits seit 2008 – und damit deutlich vor der Fukushima-Katastrophe – existiert und der auch Atom- und Braunkohlestrom berücksichtige. Die Bürgerinitiative will nicht falsch verstanden werden: „Wir sind natürlich für den Atomausstieg, wir sind für die Energiewende“, sagt Bieswanger. Aber es könne doch nicht sein, dass man in Deutschland auf Atomstrom verzichte und gleichzeitig Atomstrom aus Nachbarländern über deutsche Trassen leite. „Das dürfte in der Bevölkerung nun wirklich nicht zu verkaufen sein.“

Es habe ja seinen Grund, dass ein Knotenpunkt der neuen Trasse in Bad Lauchstädt liegen soll. Einem Zentrum des Braunkohleabbaus. Und es habe ja seinen Grund, wenn Stromgigant Vattenfall im Osten Deutschlands gleich mehrere Dörfer umsiedeln wolle, um den Braunkohleabbau voranzutreiben. Mit der Begründung, dass dies erforderlich sei, um die Energieversorgung bis über das Jahr 2050 hinaus zu sichern. „Deutschland verfehlt laufend seine Klimaziele – und dann das“, wundern sich Markus Bieswanger und Gerd Weber ...

Die Bürgerinitiative „Pegnitz unter Strom“ will also weiterhin Gas geben. So auch am kommenden Sonntag, 29. Juni, beim trassenweiten Aktionstag auf dem Parkplatz neben der Wiesweiherhalle. Das gesamte Aktionsbündnis der Trassengegner ist an diesem Tag auf Achse. In Pegnitz von 15 bis 18 Uhr mit einem, so die Sprecher Prof. Markus Bieswanger und Gerd Weber, „bunten und familienfreundlichen Fest“. Einem Fest, bei dem Information und Unterhaltung Hand in Hand geboten werden sollen. So wird ein Kran aufgestellt, der die Größe, sprich: Höhe eines der geplanten Strommasten symbolisieren soll. Auch die Dimension eines Mastfundaments wird nachgestellt.

Ein Höhepunkt: In Pegnitz und in Greding starten zwei Flugzeuge, die ein 21 mal fünf Meter großes Banner hinter sich herziehen. Ein Banner mit dem Motiv „Stop Stromtrasse Süd-Ost“. Sie fliegen die geplante Trasse gen Süden und gen Norden ab – um sich dann so gegen 16 Uhr in Pegnitz zu treffen. „Das ist der einzige Ort, an dem, beide zusammen zu sehen sind“, so Bieswanger. Und: „So eine Aktion hat es in Deutschland wohl noch nie gegeben.“

Außerdem will die Bürgerinitiative über Planung, Verlauf und aus ihrer Sicht daraus resultierender Beeinträchtigungen informieren. Vom Thema Landschaftszerstörung über Gesundheitsgefahren und die Klimaerwärmung durch Braunkohleverstromung bis hin zum befürchteten Werteverlust von Grundstücken und Immobilien.

Ergänzt wird das nachmittägliche Programm durch den Auftritt von Musikgruppen, Spielen für Kinder inklusive einer Malaktion und einem umfangreichen kulinarischen Angebot.

Übrigens: Der Einladung der Bundesnetzagentur an alle Bürgerinitiativen für Samstag, 28. Juni, zu einer Informationsveranstaltung in Bonn werden die Pegnitzer nicht folgen. Weil es da um alle drei geplanten Trassen deutschlandweit geht. Weil es da gemäß Einladung darum gehe, alle „Widerständler“ auf den gleichen „technischen Stand“ zu bringen. Und, so Bieswanger, „mitzuteilen, warum es diese Trassen braucht“. Dabei seien diese Trassen doch überhaupt nicht miteinander vergleichbar. Weil nur in Bayern eine komplett neue Leitung gebaut werden soll. Während im Westen, vor allem in Nordrhein-Westfalen, bestehende Leitungen aufgerüstet werden, im Zuge des Ultranetz-Konzeptes.

„Wir sind durchaus zum Dialog bereit“, betonen Bieswanger und Weber. Aber dann bitte in Bayern, dann bitte mit Blick auf die hier anstehenden Probleme und Ängste. Daher habe man Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, dazu aufgefordert, einen eigenen Termin für die hiesigen Interessen anzuberaumen. Bisher noch ohne Resonanz ...

Die Veranstaltung in Bonn mute jedenfalls seltsam an, zumal deren Termin erst festgesetzt wurde, als der Aktionstag am Sonntag längst bekannt war. Das war entweder schlecht recherchiert – oder pure Absicht, sagen die Pegnitzer BI-Sprecher Bieswanger und Weber.

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