Bruckner: Entdeckung der Langsamkeit

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Matthias Foremny dirigiert Bruckners Fünte. Foto: red Foto: red

Er will zeigen, dass diese Musik an etwas Höheres appelliert. Derzeit probt Matthias Foremny mit dem Orchester der Internationalen jungen Orchesterakademie Anton Bruckners 5. Symphonie. Das Stück erklingt im Konzert beim 24. Bayreuther Osterfestival am Sonntag, 1. April, um 20 Uhr in der Ordenskirche St. Georgen.

 
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Herr Foremny, Sie sind gerade dabei, Musikern aus 30 Nationen die Musik Anton Bruckners nahe zu bringen. Wie machen Sie das?

Matthias Foremny: Das ist in der Tat die Hauptaufgabe, schließlich können alle ihr Instrument spielen – die einen auf Spitzenniveau, die anderen auf mittlerem Niveau. Da hilft uns die Abgeschiedenheit in der Natur hier in Pleystein, denn die Musik von Bruckner erzählt viel von der Natur und vom Menschsein. Ich sage den Leuten, wir müssen uns aus der digitalen Zeit rausnehmen, um diese ruhige Musik, um dieses tiefe Atmen wirklich zu spüren und umzusetzen. Denn Bruckners Musik ist stark vom Klang abhängig. Um diesen typischen, schweren, deutschen, erdigen Klang zu erzeugen, braucht man wirklich Zeit. Und man muss ruhig spielen. Man muss den Bogen ruhig führen, man muss tief einatmen. Das ist natürlich für die jungen Menschen, die brennen und feurig sind, die Entdeckung der Langsamkeit. Aus dieser Ruhe heraus lernt man, besser zuzuhören.

Werden viele der jungen Musiker das erste mal mit Bruckner konfrontiert?

Foremny: Ich denke, für die meisten aus Ostasien, Südamerika und Afrika ist das das erste Mal. Tschaikowsky, Strawinsky, Mozart oder Beethoven – das wird bis an jeden Zipfel der Welt gespielt. Aber eine Symphonie von Anton Bruckner, die ja eine sehr spezielle Art der Symphonik ist – durch die getragenen Tempi, durch die Betonung des Blechs – ist wirklich schwer und für viele eine absolut neue Erfahrung. Das als Neuland zu entdecken, ist eine hochspannende Sache.

Versuchen Sie auch, den Musikern formale Aspekte der Komposition näherzubringen?

Foremny: Es spielt schon eine Rolle, dass man versteht, was man tut. Es ist natürlich eine Musik, die von der Architektur beeinflusst ist, wie von einer großen Kathedrale. Ich lasse solche Dinge zwischendurch einfließen.

Bruckners 5. Symphonie wurde ja auch schon mal die „Katholische“ genannt. Halten Sie das für zutreffend?

Foremny: Ich bin auch katholisch, aber viele im Orchester sind es nicht. Die Musiker werden erfahren, dass das eine Musik ist, die vom Leben erzählt. In der Romantik rückt ja das Individuum des Komponisten oft in den Mittelpunkt. Es ist keine absolute Musik. Es ist Musik, die etwas erzählt vom Ringen im Leben, von den Kämpfen, von der Liebe, von der Natur und somit von dem, was über allem steht. Das soll nun jeder bezeichnen, wie er möchte.

Es geht also nicht nur ums Irdische ...

Foremny: Jeder weiß, dass über uns ein Himmel ist, und dieser Himmel öffnet sich in der Tat bei diesen großen Apotheosen. Ich versuche aber nicht, das Religiöse in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das Irdische. Dass Bruckner ein Mensch war, wie wir alle, der Feste gefeiert hat, der in seinen Menuetten derbe, fast bäuerische Musik schrieb, der aber zum Ende hin immer zeigt, dass es noch eine größere Macht gibt – das spürt man. Das muss man nicht betiteln. Ich versuche schon zu zeigen, dass das eine Musik ist, die an etwas Höheres appelliert. Wie man das nennt, lasse ich bewusst offen. Das spielt auch für die Interpretation keine Rolle. Dafür sind die Töne, Skalen und Läufe, die zu spielen sind, viel zu schwer. Wir haben gut zu tun.

Bringen denn alle Musiker die technischen Voraussetzungen für das Stück mit?

Foremny: In jedem Fall. Sie sind aber unterschiedlich. Es ist vollkommen klar, dass ein Oboist aus Panama nicht unbedingt spielt wie eine Flötistin, die am Royal College of Music in London studiert. Das ist aber das Prinzip dieses Orchesters. Hier zählt, dass möglichst aus vielen Ländern der Erde Leute kommen. Am Ende wird das Orchester wieder so leuchten, dass man sagen wird: Eigentlich muss es den Vergleich mit einem professionellen Orchester nicht scheuen.

Die größte Herausforderung dürfte wohl die Doppelfuge im Finale sein...

Foremny: Technisch gesehen ist der vierte Satz richtig schwer. Aber das geht dem Gewandhausorchester nicht anders als den Münchner Philharmonikern. Hier ist es für viele Musiker Neuland. Es sind viele Figuren zu spielen, die nicht instrumententypisch sind, vor allem bei den Streichern. Bruckner war Organist. Er hat Punktierungen geschrieben, die nicht so sind, dass man als Streicher sagt: Der hat aber jetzt genau unsere Seele getroffen. Dass man das trotzdem schön und vom Klang her orientiert musiziert – das ist die große Herausforderung.

Während Bruckner seine 5. Symphonie umgearbeitet hat, besuchte er die Uraufführung des „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth. Stecken in der Symphonie Anklänge an Wagner?

Foremny: Eigentlich nicht. Es ist ja nicht die dritte, die Wagner gewidmet ist. Was ich raushöre, sind Gustav Mahlersche Farben. Es gibt Momente im langsamen Satz, wo ein Des-Dur-Choral über Sextolen liegt – das klingt auf eine friedvolle Weise nach Mahler. Oder auch das Volksliedhafte im Trio des Scherzos. Auch dabei muss ich an einigen Stellen an Gustav Mahler denken, aber zu keinem Zeitpunkt an Wagner.

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