Vorsitzender des Bierlands Oberfranken warnt vor Panikmache wegen Glyphosat im Bier Gift im Bier? Zweifel an Studie

Von und Norbert Heimbeck
Der Bayreuther Wissenschaftler Stephan Clemens sagt: Wegen Glyphosat im Bier mache er sich keine Sorgen. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Die Studie des Münchner Umweltinstituts um mögliche Spuren eines Unkrautvernichters im Bier sei zumindest in ihrem wissenschaftlichen Ansatz zweifelhaft, sagt der Bayreuther Pflanzenphysiologe Stephan Clemens. Und der Vorsitzende des Bierlands Oberfranken, Bernd Sauer, warnt vor Panikmache. 

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Das sagt ein Pflanzenphysiologe: „Ich würde mir um Glyphosat im Bier keine Sorgen machen“, sagt Stephan Clemens. Der Inhaber des Lehrstuhls für Pflanzenphysiologie an der Universität Bayreuth zweifelt an der Wissenschaftlichkeit der Studie des Umweltinstituts München. Vielmehr sieht er den Streit um Glyphosat als Nebenkriegsschauplatz: „In Wirklichkeit geht es um den Kampf gegen Gentechnik in der Landwirtschaft.“

Der Name Umweltinstitut suggeriere Wissenschaftlichkeit, tatsächlich handle es um einen Verein, zu dessen Zielen gentechnikfreie Lebensmittel gehören. Clemens: „Der Glyphosat-Einsatz ist vor allem in den USA gestiegen, weil dort gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden dürfen. Glyphosat wird unter dem Marktnamen Roundup beworben, das die veränderten Pflanzen nicht angreift.“

Der Wissenschaftler hält die vom Umweltinstitut gewählte Analysemethode für ungeeignet, Belastungswerte im Mikrogrammbereich zu dokumentieren: „Die Mitteilung des Umweltinstituts behauptet eine Nachweisgrenze von 0,075 Mikrogramm pro Liter. Wir haben hier jedoch eine 1000fach höhere Nachweisgrenze von 75 Mikrogramm pro Liter. Werte darunter sind damit nicht zuverlässig bestimmbar.“ Der Wirkstoff sei ohnehin nicht einfach nachzuweisen, „da brauchen Sie schon speziell ausgebildete Leute dafür“. Wie die Analyse präsentiert wurde, sei sie „absolut unseriös“. Wie passt die Warnung der Weltgesundheitsorganisation WHO, Glyphosat sei möglicherweise krebsauslösend, ins Bild? Clemens: „Der Wirkstoff ist zweifellos wegen seiner weltweiten Anwendung intensiv erforscht. Die Schwierigkeit dabei: Wir suchen nach Hinweisen, die extrem klein sind. Wir sprechen hier von tausenden Molekülen, deren Interaktionseffekte sehr klein sind. Da sind sicher nicht alle Wechselwirkungen komplett verstanden.“ Aber: „Was die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) publiziert, scheint mir deutlich solider zu sein. Ich will damit nicht sagen, dass die Frage entschieden ist“, sagt Clemens. Wie man den Glyphosat-Einsatz reduzieren könne, sei eine durchaus ernst zu nehmende Frage. Als Herbizid habe es auch Vorteile gegenüber anderen Giften: „Es wird recht gut abgebaut und belastet deshalb unser Grundwasser nur wenig.“ Außerdem sei die Anwendung strikt reguliert.

Das sagt der Bauernverband: Die Meinungen der Wissenschaft über Glyphosat gehen weit auseinander: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sagt auf Anfrage der Deutschen Presseagentur (dpa), Glyphosatrückstände in Bier seien wissenschaftlich nachvollziehbar, aber unbedenklich: „Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1000 Liter Bier trinken.“ Der Deutsche Bauernverband teilt mit, dass die Behandlung von Braugerste mit Glyphosat vor der Ernte in Deutschland nicht zugelassen sei. Auch Hopfen werde nicht vorbehandelt. Und: „Etwa die Hälfte der in Deutschland verarbeiteten Braugerste“ stamme aus Importländern, „in denen weniger strenge Anwendungsbestimmungen“ gelten.

Das sagen die Mälzer: Stefan Soiné, Geschäftsführer der Malzproduktion bei Ireks in Kulmbach, sagt, die Meldung habe ihn „nicht wirklich aufgeschreckt“. Es werde „von interessierter Seite versucht, Panik zu machen. Es werden die Menschen, die keine Bezugsgröße haben, damit in Angst und Schrecken versetzt.“ Er vertraue darauf, dass die Aussagen des Umweltinstituts seriös untersucht würden. Denn die Messungenauigkeit in dem Bereich, den die Umweltforscher anführen sei sehr hoch. Vor etwa fünf Jahren habe der Brauerbund eine Analyse gemacht, um festzustellen, wie viel Pflanzenschutzmittel bei bewusst behandeltem Getreide im Bier ankomme. „Das ist brutal wenig.“ Soiné sagt, wie auch der Geschäftsführer des Brauerbundes, Walter König: „Mälzen und Brauen sind Reinigungsprozesse.“

Ähnlich wie Soiné reagiert der Mälzer Frank Schütz, Inhaber der Harsdorfer Malzfabrik: „Glyphosat kann überall nachgewiesen werden. Wenn sie einen Apfel essen, ist da auch Glyphosat dran. Das ist überall. Im Wasser, in anderen Lebensmitteln.“ Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie wundert Schütz nicht. „Im März steht in Brüssel die Entscheidung der EU-Kommission an, ob Glyphosat für weitere 15 Jahre verwendet werden darf.“ Auch Schütz zweifelt die Seriosität der Untersuchung an. „Weil nicht genau ausgewiesen wird, ob es sich um Glyphosat handelt oder um den Abbaustoff Ampa, der da gefunden wurde.“ Obwohl aus Sicht von Schütz die Situation in Bayern „recht entspannt ist, weil hier alles strenger gehandhabt wird als anderswo“, sieht auch der Mälzer den Imageschaden: „Das ist kein Spaß.“ Zumal es kaum einen Ausweg gebe: Selbst im Bioanbau sei Glyphosat schon nachgewiesen worden. „Und wenn man mal in einem Gemüsegarten messen würde, in dem Roundup eingesetzt wurde, käme man auf ganz andere Werte.“

Das sagt Bierland Oberfranken: Der Vorsitzende des Vereins Bierland Oberfranken, Bernd Sauer sagt, er wisse zum einen nicht, wie „qualifiziert die Studie an sich ist. Zum anderen ist schnell ein Skandal inszeniert, der eskaliert“. Er habe seinen Brauern, im Bierland Oberfranken sind 160 Brauer zusammengeschlossen, in einer Mail geraten, „ihr Bier untersuchen zu lassen. Das kostet 80 oder 90 Euro, dann hat man Gewissheit“. Sauer sagt, man solle jetzt auf jeden Fall Ruhe bewahren, „man darf nicht in Panik verfallen“. Je genauer Messmethoden werden, desto eher finde man auch etwas in Lebensmitteln wie Bier. Sauer sagt, er werde sich nicht verrückt machen lassen. „Ich lasse mir mein handwerklich gebrautes Bier weiter schmecken.“ Sauer befürchtet keinen Imageschaden. „Das ist etwas, was die Brauer nicht verursacht haben.“

Autor

Bilder