Matthias S. war einem Betrüger aufgesessen – Griff in die Gemeindekasse Betrüger-Bürgermeister von Zapfendorf wieder frei

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Vom Muttersöhnchen zum Kriminellen: Mit 37 Jahren wohnte er noch in seinem Zapfendorfer Kinderzimmer, als Bürgermeister griff er 28 Mal in die Gemeindekasse. Aus Gier und getrieben von einem dubiosen Anlagebetrüger ergaunerte er sich knapp 280000 Euro. In Hof wurde Matthias S. nun wegen schwerer Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er ist wieder in Freiheit.

 
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In Fußfesseln schlurfte Matthias S. in den Gerichtssaal, das jungenhafte Gesicht versteinert. Seit Dezember saß er in Hof in Untersuchungshaft. Von Anfang an hatte er gestanden. Schon bevor er Bürgermeister von Zapfendorf im Landkreis Bamberg wurde, als einfacher Verwaltungsbeamter, hatte er in die Kasse gegriffen. 2008 war er an einen dubiosen Vermögensberater geraten. Der lockte ihn mit einer exklusiven Zigarrenfabrik in der Dominikanischen Republik. Der redegewandte, weitgereiste Mann hatte leichtes Spiel mit dem Beamten, der noch in seinem Elternhaus lebte. S. überwies in den nächsten fünf Jahren sein ganzes Erspartes an die Zigarrenfabrik, fast 160000 Euro.

Und das, obwohl kein Cent Rendite von der Trauminsel in der Karibik ins oberfränkische Zapfendorf geflossen waren. Zwar war S. selbst vor Ort, aber er gab zu, alles überwiesen zu haben, „ohne irgendwelche Unterlagen“ gesehen zu haben. Hätte er den Namen des Mannes aus der Karibik nur einmal im Internet gesucht, er hätte gemerkt, wie dubios dieser war. Und wie polizeibekannt. „Ein Betrüger der Oberklasse“, nannte ihn Till Wagler, der Verteidiger von S.

Und dieser betrügerische Vermögensberater wollte immer mehr – und wohl wuchs auch die Gier bei S. Und halb gedrängt und halb gezogen, griff er im Januar 2013 zum ersten Mal in die Gemeindekasse. Die Beträge nahm er teils in bar, teils überwies er über ein Konto des Ortskulturrings in die Dominikanische Republik. Es waren Beträge zwischen 2000 und 22000 Euro. Am Ende hatte er 279500 Euro aus der Kasse genommen. Damit nichts auffallen sollte, manipulierte er nebenbei die Buchführung. Dass er extra dafür am Wochenende ins Büro ging, fiel nicht auf: Er galt als fleißig und unbescholten. Als „Vertrauensperson im Rathaus“, sagte der Kämmerer. „Kriminelle Energie“, nannte das der Staatsanwalt.

Doch der Mann aus der Karibik gab immer noch keine Ruhe, er forderte weiter vom inzwischen zum Bürgermeister gewählten S. Geld. Als Chef der Gemeinde wies dieser seine Mitarbeiter an, Geld in die Karibik zu überweisen. Das aber fiel einer Mitarbeiterin auf. S. war aufgeflogen. Am Donnerstag, 27. November 2014, merkte der Kämmerer bei einem internen Kontenabgleich, dass Geld fehlte. „Der Matthias“, so der Kämmerer, wusste davon noch nichts, er war auf Lehrgang. Anzeige, Verhaftung, Geständnis. Aus dem Bürgermeister wurde ein Untersuchungshäftling. Beruf? „Im Moment keiner“, sagte er vor Gericht. Als Bürgermeister ist er längst zurückgetreten. Entweder er las bei seinem Anwalt mit, während die Anklage verlesen wurde. Oder er ließ seinen Kopf hängen.

„Ich kann die Fakten bestätigen“, sagte S. Sein karibischer Vermögensberater war 2011 verhaftet worden, als desse Verhandlung vorbei war, quartierte er sich bei S. in Zapfendorf ein. Er sei mittellos, sagte der Vermögensberater – und S. „fühlte sich verpflichtet zu helfen“. Denn der Mann brauchte „schnell Geld“. Und er schaffte es „durch seine Redekunst“, einer Art „weinerliches Betteln“, dass S. „keine Grenzen mehr kannte“, sagte S.

Der Griff in die Gemeindekasse war „für mich die schnellste Möglichkeit, an liquide Mittel zu kommen“. Außerdem wollte der Mann aus der Karibik das Geld schnellstmöglich wieder zurückzahlen. Und so war S. „in einer Spirale drin, aus der ich nicht mehr rauskam“. Er empfand die Situation als „Druck“. S.: „Ich wollte ihm glauben.“ Noch einmal flog er in die Karibik, noch einmal sah er sich gezwungen zu zahlen. Und dann merkte S.: „Ich habe mich selbst belogen.“ Im April hat S. sein ganzes restliches Barvermögen an die Gemeinde Zapfendorf überwiesen. Er will alle zurückzahlen, inklusive Zinsen. Außerdem belastete er sein Grundstück mit einer Hypothek. Dazu verzichtet er auf sein Gehalt als Bürgermeister. Er hat nur noch Schulden. „Ist mir bewusst.“ Wie geht’s mit dem Ex-Bürgermeister weiter? „Wenn ich das so wüsste“, sagte er. Er will eine „unbelastete“ Anstellung finden. Staatsanwalt und Verteidiger forderten zwei Jahre auf Bewährung und 250 soziale Arbeitsstunden. Keine Haft mehr.

Im Gefängnis war am schlimmsten für S. war „die Demütigung, die man empfindet“. Und dass alles mit einem Fingerstreich weg war, Geld, Ansehen, Beruf. Und wenn der Vermögensberater wieder anruft? Dagegen fühlt sich S. gefeit. „Wie tief soll ich noch fallen?“ Freunde aus der Gemeinde sprachen mit ihm, umarmten ihn. Die Bewährung dauert vier Jahre. Den Gerichtssaal verließ er ohne Fußfesseln.

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