Die fremden Helfer Betreuer kommen, wenn niemand anders mehr kommt

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Betreuerin Brigitte May (rechts) bei einem Klienten Foto: Lapp Foto: red

Betreuer haben nicht immer den besten Ruf. Sie hätten unglaubliche Rechte gegenüber ihren Klienten und könnten sie sogar gegen ihren Willen zwangsbehandeln lassen. „Nein", sagt Brigitte May, Berufsbetreuerin aus der Region und Vorstandsmitglied in der Landesgruppe Bayern im Bundesverband der Berufsbetreuer (BdB).

 
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Der erste Termin an diesem verregneten Morgen ist ein Mehrfamilienhaus in Heinersreuth. Jesso, der Kater und Peter Wollmann (53) warten schon. Dass er und sein Kater in einer normalen Wohnung in einem normalen Haus leben – und nicht einem Heim – ist auch seinen Betreuern zu verdanken. Wollmann kriegt Rente, der Bezirk bezahlt die Wohnung – und legt den Rest drauf, den er für sein normales Leben braucht. Von wegen, die wollen alle im Heim oder in der Psychiatrie unterbringen. „Überhaupt nicht", sagt Brigitte May (49).

Wer früher entmündigt wurde, erhält heute vom Gericht einen Betreuer: „Wenn ein Erwachsener auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer Behinderung seine eigenen Angelegenheiten nicht mehr vollständig regeln kann", sagt Thomas Goger, Sprecher des Amtsgerichtes in Bayreuth. Der Betreuer werde dabei nur für die Aufgabenbereiche bestellt, für die der Erwachsene nicht mehr selbst sorgen könne.

Im Moment stagniert die Zahl der Betreuten bundesweit bei 1,3 Millionen Fälle. Vor allem bei jungen Erwachsenen habe es in den vergangen Jahren einen deutlichen Zuwachs gegeben, sagt Bettina Wurzel (44) von der Betreuungsstelle in Bayreuth. Das nennen die Betreuer „Management auf Zeit": Ihre Aufgabe ist es, diese Menschen, die meist eine Drogenkarriere oder eine psychische Krankheit hinter sich haben, wieder in ein normales Leben zu führen. Oft gibt es keine Familie, die ihnen dabei hilft. Die Betreuer sind die letzte Instanz.

Allein in der Stadt Bayreuth laufen etwa 2900 Betreuungsverfahren, dazu kommen im Landkreis nochmal 600. In Stadt und Landkreis Forchheim sind 1688 Betreuungsverfahren anhängig. Die häufigsten Gründe für eine Betreuung sind psychische Krankheiten, Demenz, geistige Behinderung und zunehmend: Suchterkrankungen.

Berufsbetreuerin May hat zwischen 30 und 40 Klienten, einer davon ist Wollmann mit seinem Kater. Seine Geschichte ist traurig, aber typisch. Die Mutter will ihn nicht, irgendwann stirbt sein Bruder an Aids, in seiner Heimat hatte er Probleme mit Alkohol, es folgten Abstürze, Heime. „Jetzt ist es besser", sagt Wollmann und weint. Überhaupt ist er nahe am Wasser gebaut. Und jetzt wieder. Denn er hat Geldprobleme.Deswegen ist May auch gekommen. Denn Wollmann droht die Pfändung. Irgendwann hat er für irgendetwas einen Kredit aufgenommen, einen ganz kleinen. Aus einigen kleinen Summen wurde im Laufe der Jahre eine große: 7500 Euro. May muss handeln.Seit 2009 steht May ihm zur Seite, jetzt ist es besonders wichtig. Ihm bleibt im Monat ein Betrag von 280 Euro. Davon soll er die Schulden bezahlen. „Ein Witz", sagt er. Für May heißt das: Reden, erklären und Formulare ausfüllen. Für ihren Schützling geht es um Lebensqualität.3,5 Stunden bekommt May für ihn vergütet – im Vierteljahr; allein die Geschichte mit den Schulden hat länger als eine Stunde gedauert. Für diese Stunde kriegt May 44 Euro, brutto. In dieser Pauschale enthalten sind die Beratungen, die Fahrten, das Benzin, die Portokosten, die Telefonate, Besuche bei Banken, Kliniken und Behörden. May: „Alles inklusive." Fahrtzeiten ebenso. Und die sind lang in der Fränkischen Schweiz. May fährt diese Strecken, wenn ihre Klienten sie brauchen. Sie kam auch, als Wollmanns Katze am Wochenende nicht aus einem abgesperrten Raum im Keller befreien konnte.

Mays nächster Termin an diesem verregneten Morgen: Klinikum Station 12 a, Zimmer 44, Bett am Fenster. Auf dem Tisch liegen Medikamente. Nur Josef Neuner (77) nimmt sie nicht. Er hatte starke Bauchschmerzen, kam aus dem Altenheim ins Krankenhaus, wollte aber keine Operation. Denn er hat sehr große Angst vor Spritzen. „Wir behandeln keinen gegen seinen Willen", sagt May. „Das können wir uns bei unserer Geschichte nicht erlauben." Der Betreuer und Ärzte müssen Neuner erklären, was passieren kann, wenn er sich nicht spritzen lässt. Und May muss alles dokumentieren. Sie hat zwei Stunden Zeit für ihn – im Vierteljahr. Auch für eine Grundstücksangelegenheit. Die Besitzverhältnisse waren so kompliziert wie die Häuser baufällig. Jeden Monat „schwitzte" May, ob die Häuser halten. Inzwischen sind sie abgerissen. Das kostete Nerven – und Zeit.

Die wollen die Betreuer besser bezahlt haben. Das Gutachten eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers, das der Bundesverband der Berufsbetreuer vorlegt, rät: die Betreuergebühr auf 50 Euro die Stunde zu erhöhen. In der aktuellen Legislaturperiode sei allerdings eine parlamentarische Initiative nicht mehr zu erwarten, sagt Bundestagsabgeordneter Thomas Silberhorn (CSU).

Auch die geforderte Befreiung von der Umsatzsteuer ist nicht durchgekommen, was den Betreuern auch wieder ein bisschen mehr Geld gebracht hätte. Staatssekretär Hartmut Koschyk sagte, dass er die Forderungen der Berufsbetreuer nachvollziehen könne. Änderungen müssten in die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl eingebracht werden.

Aber es ist nicht nur das Geld, um den es den Betreuern geht: "Es geht einfach um bessere Arbeitsbedingungen", sagt May.

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