Bayreuths erster Oberbürgermeister

Von Michael Weiser

Vor 150 Jahren, am 28. Oktober 1867, starb Erhard Christian von Hagen, der erste wirkliche Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth. Ein Mann, der politisch unter die Räder kam: Die Revolution von 1848 kostete ihn seinen Job als Stadtoberhaupt. Sein Denkmal hatte er sich da aber schon gesetzt.

 
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Geboren wurde Erhard Christian von Hagen in Bayreuth, 1786, im selben Jahr wie Ludwig, später als Erster dieses Namens König Bayerns. Und die beiden, der Bürgermeister und der König, beendeten im selben Jahr ihre politische Laufbahn. Im März des Revolutionsjahres 1848 war das, wenige Tage trennten die beiden Ereignisse: Am 20. März dankte der König zugunsten seines Sohnes Maximilian II. ab. Eine Woche zuvor hatte eine Versammlung Bayreuther Bürger das Stadtoberhaupt zum Rücktritt gezwungen. Von Hagen sei das „Opfer der 48er Bewegung geworden“, schrieb Dieter Mronz, selbst von 1988 bis 2006 Bayreuther Oberbürgermeister, in einem Aufsatz.

Gründer der Sparkasse und

Ganz so dramatisch muss man es nicht sehen. Während in Europa die Flammen der Revolution loderten, ließ man‘s in Bayern und erst recht in Bayreuth gemächlicher angehen. Man verlieh seiner Unzufriedenheit, nun ja, Ausdruck, ohne zum Äußersten zu schreiten. Wie schon bei der Generalprobe zur großen Revolution: Während beispielsweise 1844 in Schlesien die Weber um ihre Existenz kämpften und ihren Aufstand gegen Preußen mit Toten, Verletzten und Eingekerkerten bezahlten, empörte man sich in München über die Erhöhung des Bierpreises. Es gab Randale, das Militär weigerte sich zu schießen, der König lenkte ein. Wie viele Bierleichen der Aufstand kostete, ist nicht überliefert.

Der König stolpert über eine Liaison

Auch im Frühjahr 1848 einigte man sich auf dem Gebiet des heutigen Freistaats einigermaßen gütlich. Ludwig I. versprach, auf die wichtigsten Forderungen wie Pressefreiheit und Einberufung der Ständeversammlung einzugehen. Schon schien die Krise bereinigt, die Bürger zeigten sich versöhnt und bejubelten sie ihren Monarchen. Der stolperte dann doch – über sein Verhältnis zur irischen Tänzerin Lola Montez. Buchstäblich ein Fallstrick, dieser Skandal.

Was aber war in Bayreuth geschehen? Seit 1810 gehörte es zum Königreich Bayern. 1818 erließ Bayern eine Verfassung und schuf mit dem Gemeindeedikt die Grundlage für das, was wir heute kommunale Selbstverwaltung nennen. Für Städte ab einer gewissen Größe waren „rechtskundige Bürgermeister“ über den Räten und einigen Bürgern vorgesehen: Juristen sollten an Schlüsselposten die Professionalisierung des Staatsapparates bewirken. Ein Modernisierungsschub, der sich in Bayreuth schon an der Bevölkerungszahl ablesen lässt. 10 000 Einwohner dürfte die Stadt zu Hagens Amtsantritt 1818 gezählt haben. Rund 18 000 waren es 30 Jahre später.

Alte Bayreuther Familie

Erhard Christian von Hagen stammte aus alter Bayreuther Familie, ein Urahn hatte zu den Geiseln gezählt, die im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Soldaten aus Bayreuth verschleppt wurden. Von Hagen studierte Jura, schloss sehr gut ab, wurde 1811 Anwalt, trat 1815 in eine Bayreuther Kanzlei ein – und wurde 1818 erster rechtskundiger Bürgermeister und damit genau genommen Bayreuths erster Oberbürgermeister.

In den Adelsstand erhoben

Hagen wurde Landtagsabgeordneter, gründete die Sparkasse, die Bürgerreuth und vor allem den Historischen Verein für Oberfranken, den ältesten historischen Verein überhaupt in Bayern. Der Verein besteht bis heute – er ist von Hagens Denkmal. 1837 wurde er für seine Verdienste vom König in den Adelsstand erhoben und durfte sich von da an „von Hagenfels“ nennen.

Doch seine Stellung in Bayreuth begann zu wackeln. In Frankreich, Spanien und Italien, in vielen deutschen Ländern flammten 1848 Unruhen auf, auch in Bayreuth gärte es. Die Industrialisierung und die Verschärfung des wirtschaftlichen Wettbewerbs lösten Existenzängste aus. Wie in anderen Ländern auch empörten sich die Bürger über die reaktionäre Politik Ludwigs I. In Bayreuth kam Unzufriedenheit mit dem Magistrat hinzu. Man entschloss sich, dem Münchner Beispiel vom 3. März 1848 zu folgen und verfasste eine Petition an den König, die Freiheitsrechte und Reformen forderte. Von Hagen verweigerte die Unterschrift – und wurde bei einer Versammlung von 800 Bayreuthern im Saal der „Sonne“ (nahe Sternplatz, heute abgerissen) zum Rücktritt gedrängt.

Es fehlt an Gewandtheit und Fleiß

Mit ihm erwischte es den Magistratsrat mit dem Namen Ordnung; Ordnung verfasste hinterher einen Bericht an die Regierung, in dem er sich und von Hagen als „Opfer der wandelbaren Volksgunst“ bezeichnete. Der Bericht der Regierung wirft ein anderes Licht auf die Ereignisse: Ein t unbescholtener Mann sei von Hagen, doch fehle es an Eigenschaften, „welche eine notwendige Bedingung eines Bürgermeisters in einer größeren Stadt sind. Es fehlt ihm an Umsicht, Energie, Gewandtheit und rascher Thatkraft, und an Fleiß. Er sieht dem Personal zu viel nach.“ Nachzulesen ist das in Rainer Trübsbachs Stadtgeschichte. Verwunderlich ist immerhin, dass es ein angeblich so wenig befähigter Mann auf 30 Jahre im Amt bringen konnte.

Ein Bayreuther in der Nationalversammlung

Kurz nach Hagens Rücktritt kehrte wieder Ruhe ein. In der Revolution von 1848/49 sollte Bayreuth indirekt dennoch eine Rolle spielen. Etwa in Gestalt des Heinrich von Gagern, der, in Bayreuth geboren, 1848 Präsident der Frankfurter Nationalversammlung wurde. Am Ende gewannen die Fürsten die Oberhand, das Parlament in Frankfurt scheiterte im Mai 1849.

Es war die Zeit, da mit dem blutigen Dresdener Aufstand die Revolution nochmals aufflammte. Ein gewisser Richard Wagner gehörte zu den Revolutionären dort und floh nach der Niederlage in die Schweiz – aber das ist eine andere Geschichte. Erhard Christian Hagen von Hagenfels blieb in Bayreuth und widmete sich der Geschichte. Am 28. Oktober 1867 starb er in seiner Heimatstadt.

INFO: Aus Anlass des 150. Todestages von Erhard Christian von Hagen legt Oberbürgermeisterin Merk-Erbe am Samstag, 28. Oktober, um 8.30 Uhr in der Gruft des Stadtfriedhofs einen Kranz mit den Farben und dem Wappen der Stadt Bayreuth nieder.

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