Bei seinem Geständnis lässt sich der 57-jährige Mediziner in die Seele blicken Die Lebensbeichte eines gefallenen Arztes

Von Frank Schmälzle
Zum Prozessauftakt eine Lebensbeichte: der Bayreuther Reproduktionsmediziner, der aktuell in Hof vor Gericht steht. Foto: Frank Schmälzle Foto: red

Er galt als einer besten Reproduktionsmediziner Deutschlands. Er hatte eine schicke Klinik mitten in der Stadt, ein schnelles Auto. Ein souveränes Auftreten und beste Kontakte. Doch in ihm, sagt der Mediziner, sah es ganz anders aus. jJetzt muss sich ein 57-jähriger Frauenarzt aus Bayreuth vor der dritte Strafkammer des Landgerichtes Hof verantworten. Ihm werden Steuerhinterziehung und Verstöße gegen das Embryonenschutzgesetz zur Last gelegt. Zum Prozessauftakt legte der Mediziner eine Lebensbeichte ab.

 
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Seine Haare sind grau geworden in den vergangenen neun Monaten, während der er in Untersuchungshaft saß. "Ich bin nicht mehr derselbe, der ich im Jahr 2014 noch war." Der Mediziner selbst spricht vor Gericht nicht. Er lässt seinen Rechtsanwalt eine Erklärung verlesen. Immer wieder heißt es darin: Er sei sich bewusst, welch großen Schaden er angerichtet habe. Er wolle dafür geradestehen und wiedergutmachen, so weit das geht.

Der Mediziner geht weit in die Vergangenheit zurück. Er ist In der bulgarischen Stadt Sofia geboren. Sein Vater war Frauenarzt und Chefarzt einer Klinik, seine Mutter Internistin. Behütet sei er aufgewachsen, aber er habe auch den Ehrgeiz seiner Mutter empfunden. Bis in die Nacht hinein hätten er und sein Bruder lernen müssen. Die Mutter wollte, dass aus ihren Kindern etwas wird.

Umzug in die DDR

Deshalb zog die Familie auch in die damalige DDR um, die Mutter habe dort bessere Bildungschancen gesehen. Ohne ein Wort Deutsch zu können, seien er und sein Bruder zur Schule gegangen. Und beide hätten mehrere Klassen übersprungen. Mit 15 Jahren habe er sein Abitur abgelegt.

Danach kam das Medizinstudium. Die Friedrich-Schiller-Universität in Jena zeichnete ihn mit ihrer goldenen Nadel aus. Schon damals habe ihn die Forschung an der künstlichen Befruchtung fasziniert. Er ging zurück nach Sofia, gehörte zu den ersten Ärzten auf der Balkanhalbinsel, denen künstliche Befruchtung gelang. Danach kamen Stationen in London, Erlangen und am Klinikum Bayreuth. 1983 erwarb er an der Universität Sofia den Titel eines Doktors der Philosophie, 1988 den eines Doktors der Medizin an der Universität Erlangen.

Viel gearbeitet, 2000 eigene Klinik eröffnet

In all der Zeit habe er viel gearbeitet. Auch nachts und auch am Wochenende. Er operierte, forschte, hielt Vorträge, schrieb wissenschaftliche Beiträge. Die Arbeit wurde nicht weniger, als er im Jahr 2000 seine eigene Klinik in Bayreuth eröffnete. Über 800 ambulante Operationen im Jahr, dazu bis zu 300 künstliche Befruchtungen. Die Klinik wuchs, der Arzt stellte Mitarbeiter ein. Er habe viel investiert, sei großes unternehmerisches Risiko eingegangen.

Im Jahr 2010 habe sich für ihn das Schicksal gedreht. Die Trennung von seiner damaligen Partnerin habe ihn schwer getroffen. "Ich war allein, unglücklich. Meine Leistungsfähigkeit sank." Und die Renditen der Klinik ebenso. Sein Steuerberater riet ihm damals: Mitarbeiter entlassen oder Operationen streichen, für die er nur den ambulanten, nicht kostendeckenden Gebührensatz bekam. Er wollte weder das eine, noch das andere. Aus Verantwortungsgefühl für seine Mitarbeiter, sagt er. Und weil er als einer der Besten bei minimalinvasive gynäkoloschen Operationen galt. Als ihn die Steuerfahndung ins Visier nahm, habe er große Angst gehabt. "Ich wollte mich und die Klinik retten." Deshalb sei es richtig, wenn man ihm vorwerfe, er habe aus wirtschaftlichen Interessen Steuern hinterzogen, Abrechnungen gefälscht und Patienten betrogen. "Ich habe alles nur noch schlimmer gemacht."

Das Schlimmste: Seine Mutter ist enttäuscht von ihm

"Ich bin längst von meinem hohen Thron gestürzt", sagt der Arzt. Und: "Es war die denkbar schlechteste Alternative der damaligen Situation mit Abrechnungsbetrug zu begegnen." Er wolle nichts relativieren, nichts kleinreden. Nur erklären. "Das ist der schwärzeste Tag meines Lebens", sagt er vor Gericht.

Und dann sagt er: Bis heute sei seine Mutter von ihm schwer enttäuscht. Weil er es nicht mal zu einer Professur gebracht habe.

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