Gericht kritisiert Behörden Bayreuth: Die Hexenjagd gegen einen Imam

Von Frank Schmälzle
Im vergangenen Jahr war Anas Filali-Omari noch Imam der Al-Taqwa-Moschee in Bayreuth. Jetzt kämpft er um seinen Ruf. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Der Verfassungsschutz war hinter ihm her. Die Regierung von Mittelfranken hielt ihn für einen gefährlichen Salafisten und wollte den ehemaligen Imam der Al-Taqwa-Moschee in Bayreuth schnellstmöglich ausweisen. Jetzt ist alles anders. Anas Filali-Omari (29) kann in Deutschland bleiben. Und für die Behörden, die ihn schwer beschuldigt hatten, gab es vor dem Bayreuther Verwaltungsgericht einen heftigen Rüffel.

 
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Zweieinviertel Stunden Verhandlung reichten. Dann verkündete Richterin Angelika Janßen das Urteil: Die Regierung von Mittelfranken muss ihren Ausreisebescheid zurücknehmen und die Aufenthaltsgenehmigung für den ehemaligen Bayreuther Imam verlängern. Weil das Gericht nicht erkennen kann, dass von diesem Mann eine  Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehe. Dafür hätten die Behörden Tatsachen vorlegen müssen, sagt Richterin Janßen. Tatsachen von Gewicht. Die derart gescholtenen Behördenvertreter sagen in der Verhandlung kaum ein Wort.

Er soll junge Männer in den Dschihad geschickt haben

Anas Filali-Omari spricht. Ein schmaler Mann, 29 Jahre alt, mit Brille, Bart und weißer Mütze. Er spricht, weil er die Vorwürfe entkräften will. Der schwerwiegendste: Er soll so starken Einfluss auf  junge Männer genommen haben, dass die sich dem Islamischen Staat anschlossen und in Syrien kämpften. Einer von ihnen starb. Dass die jungen Männer in den Kampf zogen, dass einer dabei sein Leben verlor, leugnet der ehemalige Imam nicht. Dass er dafür verantwortlich sei, das allerdings weist er zurück. Nicht heftig. Mit ruhiger Stimme und vielen Details.

"Was hast Du mit meinen Kindern gemacht?"

Als Filali-Omari noch Imam war, war er auch für die muslimische Gemeinde in Weiden zuständig. Ja, sagt er, die beiden türkischen Brüder kannte er. Wie viele andere Mitglieder der Islamischen Gemeinde auch. In Weiden kommt ein aufgebrachter Mann auf ihn zu. "Was hast Du mit meinen Kindern gemacht?", herrscht er den Imam an. Er drückt ihm ein Handy in die Hand. Am anderen Ende der Verbindung ist ein einer der beiden türkischen Brüder. Beide sind erst in ihr Heimatland gereist, haben sich dann dem IS angeschlossen.

Keine Hemmungen gegenüber der Polizei

"Das habe ich erst in diesem Telefongespräch erfahren", sagt Filali-Omari. Hätten sie ihn vorher gefragt, er hätte versucht, sie davon abzubringen, sagt er. Aber die Brüder hatten mit niemandem gesprochen. Auch nicht mit ihrer Familie. Dass er nichts von den Plänen der Brüder wusste, überrascht den ehemaligen Imam nicht. Er habe sich immer gegen Krieg und das Töten Unschuldiger ausgesprochen. Filali-Omari sagt: "Wenn ich davon gewusst hätte, dass ein Mitglied meiner Gemeinde etwas derartiges plant, hätte ich versucht, ihn umzustimmen. Ich hätte ihm Hausverbot erteilt, damit er nicht die gesamte Gemeinde infiziert. Und ich hätte bei konkreter Gefahr keine Hemmungen gehabt, die Polizei einzuschalten."

"Er sucht nach einem Schuldigen"

Überrascht hat Filali-Omari allerdings , was der Vater der beiden Brüder später der Polizei sagt. Dass der Imam seine Söhne massiv beeinflusst habe. Dass er als Vater in den Hintergrund gedrängt worden sei. "Ich verstehe ihn", sagt der ehemalige Imam. "Er sucht nach einer Erklärung und nach einem Schuldigen." Filali-Omari sieht andere am Werk: Die Islamische Gemeinde in Weiden habe sich immer weiter von ihm entfernt. Wohl wegen seiner klaren Worte gegen den Krieg. Einfluss hätten also offenbar andere Kräfte genommen. Deutlicher wird er nicht.

Er starb in Syrien

Mehmet C. ist in Syrien im Kampf ums Leben gekommen. Auch ihn kannte der ehemalige Imam, er vollzog dessen Trauung. C. wollte nach Ägypten, dort hatte Filali-Omari kurz zuvor gelebt. Seine Frau, die jetzt an der Universität Bayreuth promoviert, gab in Kairo Deutschunterricht. "Ich habe ihm abgeraten, die Lage war zu unsicher. Danach hat er mich nie wieder danach gefragt." Auch er ging erst in die Türkei, dann in den Krieg in Syrien. Monate später habe Mehmet C.s Vater ihn gerufen. Seine Frau, Mehmet C.s Mutter, brauche Beistand. "Erst dann habe ich die Wahrheit erfahren."

Schon einmal entschied das Gericht für den Ex-Imam

Was ihm  Verfassungsschutz und Regierung von Mittelfranken zudem vorwerfen: Anas Filali-Omari soll Geld für den Dschihad gesammelt haben. Aber auch dafür gibt es nach Meinung der vierten Kammer des Verwaltungsgerichtes Bayreuth keine stichhaltigen Beweise. Daran habe sich auch im vergangenen Jahr nichts geändert. 2014 hatte das Verwaltungsgericht in einer Eilentscheidung die Abschiebung des Marokkaners, der mit einer Deutschen verheiratet ist und zwei minderjährige Kinder hat, verhindert. Damals wie heute, weil von ihm keine Gefahr ausgehe.

Das Leben danach

Filali-Omari lebt heute im Landkreis Heilbronn. Er ist nicht mehr Imam, gehört der dortigen islamischen Gemeinde eigenen Worten nach als normaler Gläubiger an. Er will Betreuungsassistent werden, einen Praktikumsplatz hat er gefunden. Das Job-Center habe ihm abgeraten, sich auf einen festen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu bewerben. Wegen des schwebenden Verfahrens. Und weil er unter diesen Umständen ohnehin so gut wie keine Chance habe. "Ich bin von den Behörden abgestempelt worden", sagt er. "Und die Al-Taqwa-Moschee gleich mit. Ich möchte rehabilitiert werden." Dass er immer noch Vorsitzender des Trägervereins der Bayreuther Moschee ist, habe einen einfachen Grund: "Keiner will diese Aufgabe übernehmen und am nächsten Tag vom Verfassungsschutz beobachtet werden."

Eine Vertreterin der Regierung von Mittelfranken, die bei der Verhandlung anwesend ist, reagiert genervt auf die Kurier-Frage, ob sie die jetzige Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Hauptsacheverfahren akzeptieren werde. "Wenn das Gericht das Urteil allen Parteien zur Verfügung gestellt hat, werden wir weitere Rechtsmittel prüfen."

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