Neue Ausstellung im Historischen Museum zeigt die Fehler der Vergangenheit Bausünden: Bayreuth hat Wasser verbannt

Von Frank Schmälzle

Bayreuth in den 1960er Jahren. Man wollte modern sein. Unbedingt und krampfhaft. Eine Stadt, die wächst. Eine Stadt mit einer Verkehrsader rund um die Innenstadt. Die Opfer, die Bayreuth dafür gebracht hat, waren groß. Sylvia Habermann, Leiterin des Historischen Museums, sagt: „Wir haben das Wasser aus der Stadt verbannt.“ Doch die Probleme beginnen schon viel früher. Das zeigt eine aktuelle Ausstellung im Historischen Museum.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wenn man es weiß, sieht man es auch. Warum liegt die kleine Grünanlage am Rande der Gartenstadt ein wenig tiefer? Weil das früher ein Weiher war. Einer von vielen. Sylvia Habermann ist bei ihren Recherchen für die neue, am Freitag eröffnete Ausstellung „Finsterer Weiher und Grünes Meer – Die Stadt und ihre Gewässer“ auf eine Stadtkarte aus dem Jahr 1745 gestoßen. Die zeigt: Damals gab es in Bayreuth mehr als 120 Weiher. Die kleinsten mit nur einer Fläche von 40 Quadratmetern, die größten mehrere Hektar groß. Der Eremitenhof und Aichig – „eine einzige Seenplatte“, sagt Habermann. Und eben auch in Wendelhöfen und in der Gartenstadt gab es Weiher. Warum? Weil die einen wirtschaftlichen Nutzen hatten – und darum geht es in der Ausstellung, die bis zum 3. Oktober im Historischen Museum zu sehen ist. Um den wirtschaftlichen Nutzen von Wasser in Bayreuth. Aus alten Akten hat Habermann herausgelesen: Statt einer schlechten Wiese wollten viele Bayreuther damals lieber einen guten Weiher. Der versprach eine sichere Nahrungs- und Einnahmequelle. Wenn das kein guter Grund ist.

Das Grüne Meer kennt heute keiner mehr

Es gab aber auch Weiher, die andere Funktion erfüllten. Das Grüne Meer zum Beispiel. Dieser Weiher lag im Stadtteil Neuer Weg, er hielt genügend Löschwasser bereit, wenn es mal wieder brannte. Der Lange Weyher lag einst da, wo heute die Universitätsstraße in der Nähe des Kreuzsteins verläuft. Dort mussten um das Jahr 1860 herum die Soldaten des Bayreuther Reiter- und Infanterieregiments das Schwimmen lernen. Und auch ihre Pferde hatten Schwimmübungen zu absolvieren. Tröstlich dabei: Es gab einen eigenen Pferdeweiher bei Unterkonnersreuth.

Was von den Weihern blieb

Sie verschwanden. „Fast alle Weiher wurden im 18. und 19. Jahrhundert trocken gelegt“, sagt die Museumsleiterin. Weil sich die Vorzeichen geändert hatten: Bayreuth brauchte landwirtschaftliche Fläche. Geklappt hat das nur so halb. „In den meisten Fällen gewann man mit dem Verschwinden der Weiher nur saure Wiesen.“ Der Röhrensee, der Glasenweiher und der Finstere Weiher am Studentenwald gehören zu den wenigen Gewässern, die übrig geblieben sind.

Die Mainüberdachung - umstritten bis in die Gegenwart

Dem mindestens ebenso großen und bis in die Gegenwart wirkenden Einschnitt widmet die Ausstellung breiten Raum. Lange wird darüber gestritten, viele Bayreuther sind dagegen. Doch 1911 entscheidet der Stadtrat: Der Main wird begradigt und in ein neues Flussbett gezwungen. Er soll weg vom Marktplatz und weg vom Mühltürlein, wo die Metzgerinnung direkt am Mainufer ein Schlachthaus betreibt. Rein in ein gerades Flussbett, das all die Überschwemmungen im Stadtteil Neuer Weg verhindern soll. Theodor Fischer von der Technischen Hochschule in München ist in diesen Tagen einer der renommiertesten Städteplaner Deutschlands. Er ist Gutachter für die Main-Begradigung und redet den Bayreuther Stadträten ins Gewissen: Dieser Eingriff ist zu stark. Er wird sich nicht mehr rückgängig machen lassen. Den Räten ist ein anderer Aspekt wichtig. Das Wasser muss weg aus der Innenstadt und dem Neuen Weg. Bayreuth braucht Wohnraum – und keine Überschwemmungen. Dafür ist keine Mühe zu groß, kein Projekt zu teuer. Sogar Eisenbahnlinien werden verlegt.

Ein Aufgabe für die Politik heute

Ob man daraus gelernt hat? Was in den darauf folgenden Jahrzehnten geschieht, lässt daran zweifeln. Die Nationalsozialisten bauen das Haus der Deutschen Erziehung – und lassen damit den Mühlbach an der Kanalstraße zur Hälfte verschwinden. In den 1960er Jahren taucht dann auch noch der verbliebene sichtbare Wasserlauf ab. Fast zeitgleich entsteht der Ring – Bayreuths größte und meistbefahrene Straße rund um die Innenstadt. Diesmal, sagt Sylvia Habermann, ist es nicht die Angst vor dem Hochwasser, die die Städteplaner treibt. Diesmal brauchen sie Platz für eine Straße. Die Mainüberdachung kommt und wieder verschwindet ein Stück Wasser aus dem Stadtbild. Es ist wie es bei der Begradigung des Mains rund 50 Jahre zuvor gewesen war: Viele Bayreuther zweifeln an der Mainüberdachung, trauern um ein Stück Bayreuth. Und so ist es rund 50 Jahre später auch heute noch. Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe hat sich vorgenommen: In ihrer Amtszeit soll die Mainüberdachung verschwinden.

Eine Stadt braucht Grün und Wasser

Ob das klappt? Sylvia Habermann hofft es. „Das wird wohl auch eine Kostenfrage sein.“ Eine Stadt, sagt sie, darf nicht nur aus Stein und Asphalt bestehen. Sie braucht Natur – Wasser und Grün. Dann lebt sie. „Man sieht das ja schon am Todes-Rinnla auf dem Markt oder am Canale Grande. Wenn es draußen warm ist, sind das Treffpunkte.“ Wie wichtig Wasser für eine Stadt ist, weiß man nicht erst seit gestern: Seit der Renaissance, sagt Habermann, gehört Wasser zu den wichtigsten Elementen einer schönen Stadt.

Nur in Bayreuth scheint man das eine ganze Zeit lang vergessen zu haben. Sylvia Habermann sagt: „Wir haben das Wasser aus der Stadt verbannt.“

Info: Die Ausstellung „Finsterer Weiher und Grünes Meer“ ist bis 3. Oktober im Historischen Museum, Kirchplatz 4, zu sehen. Das Museum ist von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Eine Führung durch die Ausstellung gibt es am Samstag, 25. Juni, ab 15 Uhr.

Bilder